Indie Games

Indie Games

26.02.05

MOment Wir befinden uns im Jahre 2005 n. Chr. Ganz Gamerland ist von Gigantopublishern besetzt. Ganz Gamerland? Nein! Ein paar unbeugsame Spieleentwickler leisten erbittert Widerstand und sind zu naiv, romantisch oder einfach zu idealistisch (passendes Adjektiv bitte selber aussuchen), weil sie an den Mächtigen der Branche vorbei entwickeln. Ja dürfen die das überhaupt!?

Um was geht's? Um sogenannte »Independent Games« oder kurz »Indie Games«. Bis vor kurzem noch als billige Shareware belächelt, entwickeln sich Indie-Spiele mehr und mehr zu eigenständigen, interessanten und vor allem sehr unterhaltsamen Alternativen abseits ausgetretener Pfade. Denn wo eine Bewegung ist, gibt es immer auch eine Gegenbewegung. Die aktuelle Bewegung geht eher verschärft in Richtung Monopol (und Größenwahn?) á la EA und Massenhypes, die einige wenige Titel als die tollste Errungenschaft seit der Erfindung der Klospülung anpreisen und den Rest ignorieren.

Wie in der Musik- und Filmbranche bereits geschehen, entwickelt sich langsam auch bei Spielen eine Gegenbewegung zum Massentrend: kleine Entwicklerstudios, die ihre Spiele online vertreiben, dafür aber auf Millionenbudgets verzichten. Optisch und akustisch können Indie-Spiele kaum mit den Bestsellern mithalten, logisch. Und reich werden diese Ministudios auch nicht dabei. Doch Not macht erfinderisch, sagt man, und so werden abseits vom Mainstream teils abstruse Spielideen und Konzepte erfunden, die man ansonsten eher selten findet.

Ein Teerklumpen als Held eines Action-Plattform-Adventures zum Beispiel. Richtig gelesen: ein Teerklumpen. Der ist nämlich die Hauptfigur in Gish von Chronic Logic. Gish ist das Spiel des Jahres 2004 des »Independent Games Festivals«. Man sollte sich nicht vom Eindruck täuschen lassen, den die Screenshots eventuell aufkommen lassen: Gish ist kein simples Jump'n'Run oder Plattformspiel. Gish ist teuflisch gut, und teuflisch sind auch die diversen Verstecke der Bonuslevel. Die Suche nach versteckten Geheimtüren und obskuren Schaltern hat sich inzwischen zu einem kleinen Kult entwickelt. Die Demo gibt es hier, und eine englische Rezension des Spiels findet sich im Game Tunnel.

Der Game Tunnel ist überhaupt die Anlaufstelle für Indie-Spiele schlechthin. Wer sich ein wenig durch die nominierten Spiele des schon erwähnten »Independent Games Festivals« hangelt, findet schnell süchtig machende Titel in seinem oder ihrem Lieblingsgenre. Eins meiner Lieblinge ist zum Beispiel Outpost Kaloki von NinjaBee, in dem man eine völlig absurde Raumstation kommerziell erfolgreich leiten muss. (Leider ist die Demo auf nur 60 Minuten beschränkt.) Oder BreakQuest von Nurium. Ich mag diese BreakOut- oder Arkanoid-Klone sonst überhaupt nicht, doch BreakQuest hat mich sofort um einige Spielabende gebracht. Hammer! Was für ein Einfallsreichtum in so einem alten Spielkonzept.

Grafisch wunderschön ist Wik & the Fable of Souls, das die eigenen Mauskünste auf eine harte Probe stellt. I of the Enemy, ein StarCraft-ähnliches Strategiespiel, hat sogar Profisprecher und tolle Akustik zu bieten. Flatspace wiederum ist audiovisuell eher schlicht, bietet dafür aber äußerst komplexen Weltraumhandel in Anlehnung an Elite oder Wing Commander: Privateer. Die Indie-Szene besteht also nicht mehr bloß aus billig wirkenden Pacman-Klonen oder lächerlichen Moorhuhn-Geschwistern. Und das ist gut so.

Allerdings ist die Bezahlung dieser Spiele manchmal noch problematisch. Die Hersteller sind über den ganzen Globus verstreut, einige akzeptieren nur Kreditkartenzahlung, andere nutzen immerhin PayPal oder ähnliche Dienste. Doch das wird sich mit der Zeit sicher noch verbessern.

Aber halt! Da gibt es einen verrückten Finnen namens Ville Mönkkönen, der seine Spiele tatsächlich kostenlos vertreibt. Und gerade sein Notrium ist alles andere als ein »billiges« Spiel: vier wählbare Avatare, coole Story, lange Spielzeit und eine Modding Community.

Genug der Laberei! Selbst spielen ist angesagt! Mehr Infos zur Indie-Szene und deren Spielen gibt es hier (leider bloß auf englisch):
· The Game Tunnel.
· DIY Games.
· Freelance Games.
Matthias »Mo« Oborski spielt Computerspiele seit 20 Jahren.
Er schreibt, lebt und arbeitet auf ntropie.de.

MOment - Auch Spiele brauchen Liebe.