26.10.05
Hollywood und die Musikindustrie leben von ihren Stars. Buchverlage schmücken sich mit verstaubten Berühmtheiten. In der Spielebranche arbeitet man dagegen weitgehend anonym. Einige wenige Stars leuchten auch hier über den Horizont hinaus, Frauen findet man darunter aber leider kaum. Schade eigentlich. Die wohl schillernste Frau der Branche war Daniel Bunten. Ja, das ist ein Männername und ja, Daniel Bunten wird als Mann geboren. Aber Geduld, am Ende passt das schon.Als der große Warren Spector mit Dani Bunten bekannt gemachen werden sollte, lehnte Spector ab. Trotz dessen eigener Spieleklassiker (Ultima Underworld, System Shock, Deus Ex) wäre er sich wie ein kleiner nervöser Fanboy vor Dani Bunten vorgekommen, meinte Spector. Viel zu sehr verehre er Buntens M.U.L.E. Ich erwähne diese Anekdote deswegen, um erstens ganz billig Neugier zu wecken und um zweitens zu zeigen, wie angesehen Dani Bunten bei Entwicklern war und ist.
Mul(t)i
Durch fast alle Spiele von Dani Bunten zieht sich die große Vision der Multiplayer-Idee, lange bevor Multiplayer-Spiele en vogue werden. Wheeler Dealers für den Apple II kommt 1978 mit eigenem Eingabegerät daher, damit vier Spieler gleichzeitig vor der Kiste hocken können. Computer Quarterback aus dem Jahr 1979 kann nur zu zweit gespielt werden. Auf Drängen des Publishers SSI wird – an dieser Stelle bitte ironisch der Gegenwart gedenken – ein Singleplayer-Modus nachgeliefert. 1981 entwickelt Bunten Cartel$ and Cutthroat$, das historisch vor allem dadurch auffällt, dass es einem jungen Mann namens Trip Hawkins auffällt.
Der hat eine ganz eigene Vorstellung vom Medium Computerspiel, gründet deswegen 1982 Electronic Arts, macht Entwickler zu Stars, Entwicklerteams zu »Studios«, bezeichnet Programmierer als Künstler, präsentiert ihre Portraits sowohl auf Verpackungen als auch in Anzeigen – und scheint heute von dem Unternehmen, das er einst gründete und in den Neunzigern verließ, komplett vergessen worden zu sein.
Nach dem futuristischen Cytron Masters (1982, Apple II, zwei Spieler, Echtzeit) nimmt Dani Bunten Trip Hawkins’ Angebot an, gründet das von Electronic Arts vermarktete hippe Spielelabel Ozark Softscape und entwickelt 1983 schließlich das Spiel: M.U.L.E. Designer wie Sid Meier, Will Wright, Brian Moriarty oder Ernest Adams beten M.U.L.E. an. Auch Dani Buntens nächstes Spiel gilt als Meisterwerk: The Seven Cities of Gold, ein Singleplayer-Spiel, ist heute nicht mehr allzu bekannt, dafür aber Buntens meistverkauftes Spiel und Inspiration für viele nachfolgende Strategiespiele.
Ins Multiplayer-Extrem gehen Robot Rascals (1987) und Modem Wars (1988). Die Roboterstrolche können gar nicht erst alleine gespielt werden und erfordern zwingend vier Mitspieler, deswegen verkaufen sich auch bloß 9000 Einheiten. Und die Modemkriege sind so visionär, dass fast niemand daran teilnehmen kann. Wer besitzt 1988 schon ein Modem? Legenden besagen, dass Modem Wars sich flüssig mit nur 1200 Baud spielt, die Jahre später so komplexen Hürden Latenzzeit und Synchronisation elegant nimmt und echt abgefahrene Multiplayer-Duelle per Telefonleitung erlaubt.
Personalpronomen
Anfang der Neunziger wird Dani Buntens Leben sehr kompliziert. Der Wechsel von Electronic Arts zu Microprose ist nur die kleinste Veränderung. Eine weitere Ehe geht in die Brüche. Und schließlich will Daniel Bunten, einst Nerd-Prototyp, Underdog mit Bart und Bier, nicht mehr Mann sein. Aus Daniel Bunten wird nach jahrelanger Behandlung 1992 Danielle Bunten. Nur ein »pronoun change« sei es gewesen, sagt sie später.
In dieser Zeit lehnt sie ein Remake von M.U.L.E. ab, weil »die was mit Kanonen und Bomben daraus machen wollten.« Die Zeiten ändern sich. Games werden Massenware, 3D wird langsam hip, Publisher finden die elegant-schlichten Konzepte von Bunten zu unkommerziell. Ebenfalls dumm gelaufen: Bunten entscheidet sich, Axis and Allies für Microprose umzusetzen, obwohl sie zuerst ein anderes Projekt angehen will, das schließlich Sid Meier übernimmt: Civilization. 1992 erscheint mit Global Conquest (erstes Netzwerkspiel für bis zu vier Spieler, ganz nebenbei) ihr letzter Titel für einen großen Publisher.
Später hält Dani (jetzt Danielle Berry) Vorträge über Spieldesign, über Multiplayer-Konzepte und über die Reduktion auf die essentiellen Features, die spielerisch wichtiger seien als Multimedia-Overkill. »Keep the features down«, um sich völlig auf den Gegner und das Spiel zu konzentrieren. Sie sieht einen Markt voraus, der nicht aus Hardcore-Gamern besteht, sondern aus Spielern, die sozial mit anderen agieren wollen, ohne sich nächtelang einarbeiten zu müssen. Die sich ihr Spiel personalisieren möchten. Die Alltags-Simulationen mögen, die sich aus nur sehr wenigen Regeln herleiten. Hören will das in den Neunzigern niemand.
Von Spielern und Geldgebern leise in Vergessenheit geraten, erhält sie am 7. Mai 1998 den Lifetime Achievement Award der Computer Game Developers Association. Die Designer haben sie nämlich nicht vergessen. Die Laudatio hält Brian Moriarty, der inzwischen die kleine Firma MPath leitet, mit der Bunten und er Multiplayer-Spiele fürs Internet entwickeln wollen, bald aber pleite gehen. Zwei Monate später, am 3. Juli 1998, stirbt Dani Bunten Berry an Lungenkrebs.
Will Wright widmet ihr später Die Sims.
Dieser Artikel ist im Original auf d-frag.de erschienen.
Matthias »Mo« Oborski spielt Computerspiele seit 20 Jahren.
Er schreibt, lebt und arbeitet auf ntropie.de.
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