Letztes Jahr war sie noch ein Gerücht, jetzt ist sie da: die ultrarealistische Militärsimulation <b>Kuma\War</b>, die real existierendes Frontgeschehen fast tagesaktuell auf den Rechner bringt. Der Hersteller <a href="http://www.kumareality.com/" title="Offizielle Site">Kuma Reality Games</a> aus New York prahlt damit, dass die Abonnenten dieses Spiels jeden Monat neue, echte Kriegsmissionen samt Kommentaren echter, hochdekorierter Militärexperten erhalten. Schon bei der ersten Mission wird klar, woher der Wind weht: der Spieler soll Saddams Söhne Udai und Kussei liquidieren. Dazu wird originalgetreue Munition in originalgetreuer Anzahl bereitgestellt. Idealerweise endet die Mission genauso wie ihr reales Vorbild: mit den von Einschüssen durchsiebten <a href="http://www.kumareality.com/HUSSEIN_BROS.jpg" title="Udai und Kussei im Spiel">Körpern der Söhne</a>.
Das also ist er, der nächste Schritt in der Verquickung von Krieg und Spiel, von Propaganda und Unterhaltung.
Natürlich gibt es schon lange ähnliche Arten des realistischen Kriegsspiels wie »Operation Flashpoint«, »Rainbow Six« oder »Battlefield 1942«. Natürlich ist die Diskussion um eine Indizierung solcher Spiele jedes Mal wieder bestensfalls belanglos. Ich bin kein Freund von Indizierungen und auch kein großer Fan solcher Spiele. Nicht aus moralischen Gründen – ich schreibe weder für die FAZ noch heiße ich Schirrmacher, kann daher also ganz gut zwischen Spiel und Realität unterscheiden. Nein. Wenn ich spiele, möchte ich nicht den alltäglichen Realismus auch noch im Spiel haben, das ist eigentlich alles. Bloß eine kleine persönliche Abneigung also.
Doch Kuma\War ist anders. Hier geht es nicht mehr um zurückliegende Ereignisse wie etwa den Zweiten Weltkrieg oder Vietnam, die für uns längst zu abstrakten Daten geworden sind. Die Gegner sind keine gesichts- und namenlosen Niemande, die einfach gefraggt werden müssen. Es findet kein sportlich-lockerer Shooter-Wettkampf à la »CounterStrike« (getreu dem Völkerball-Motto: »Peng, und raus bist du«) statt. Die CNN-ähnlichen Nachrichtenvideos, die Tagesaktualität, die unerträgliche US-amerikanische Propaganda und das Zurechtbiegen des Zeitgeschehens machen Kuma\War zu einem bisher beispiellosen Vertreter des »Militainments«. Dieses Spiel ist kein Shooter mehr, es ist selbst eine Waffe.
<blockquote><hr /><b>»From the headlines to the frontlines. We put you there.«</b><hr /></blockquote>
Unglaublich realistisch und so richtig echt soll es sein. Als wäre man selbst dabei. Mit Satellitenkarten und viel Schnickschnack. Einen Vorgeschmack auf diesen »Realismus« und auf die »Nachrichten-Kompetenz« der im Spiel integrierten Analysen liefert <a href="http://www.kumareality.com/m1p2.m.multimedia.video.1.html" title="Quicktime-Video">ein Video</a> auf der offiziellen Website. Zur ersten Mission (Liquidierung der Saddam-Söhne) berichtet eine hippe Sprecherin ernst und doch immer locker von der 101. Einheit. Diese feuert »eine Rakete nach der anderen« in das Zielgebäude, stürmt es schließlich, um dann – tada, großer Tusch – den letzten Überlebenden, einen 14jährigen (!), niederzumähen. Genau wie in echt also. Ob man diese Aktion nicht hätte friedlicher regeln können, liest das Nachrichten-Girlie von ihrem Teleprompter ab. Nun ja, man könne es ja ruhig mal auf andere Weise versuchen, beantwortet sie ihre rhetorische Frage gleich selbst. Doch die Spieler wissen längst, dass es in diesem Spiel – ganz im Gegensatz zur Realität – keine erfolgreichere Möglichkeit gibt, diese Mission zu beenden. Und ich brauche auch nicht zu erwähnen, dass sich während dieses gesamten Vortrags überaus heldenhafte Orchestermusik in die Ohren drängelt. Liebe Frau Unbekannte-Sprecherin, wie fühlt man sich eigentlich mit so einem Text vor der Kamera?
Selbst vom rein militärischen Standpunkt betrachtet ist diese Operation kaum nachvollziehbar. Wir sollen allen Ernstes glauben, das eine komplette Einheit von HighTech-Soldaten die vier oder fünf Gegner im Haus mit Maschinengewehren, Granaten und Raketen hat beschießen und letztlich töten müssen, um sich selbst zu schützen? Wie lächerlich ist das denn? Und da Krieg und Spiel sich formal nun mal ähneln, überträgt sich diese Lächerlichkeit auch auf das Gameplay. Ist es wirklich eine spielerische Herausforderung, mit der »besten Armee der Welt« gegen Diktatorensöhne und Kinder zu kämpfen? Ist es wirklich unterhaltsam, in der zweiten Mission Bomben über afghanische Kämpfer regnen zu lassen?
<blockquote><hr /><b>»After we report it, you play it.«</b><hr /></blockquote>
Als eine der zukünftigen Missionen ist die Gefangennahme von Saddam Hussein selbst geplant. Der hockte bekanntlich ziemlich allein, verlassen, unrasiert und unspektakulär in einem Erdloch. Ganz realistisch soll es natürlich wieder sein. Das will auch <a href="http://www.kumareality.com/downloads.html" title="Trailer zum Runterladen">der Trailer</a> beweisen. Äh, bitte? Haben nicht gerade amerikanische Quellen immer wieder betont, dass bei dieser Aktion nicht ein einziger Schuss gefallen sei? Wo bleibt da das vom Hersteller versprochene Actionspektakel? Nein, hier geht es Hersteller und Pentagon um etwas ganz anderes. Saddam Hussein soll als Verlierer präsentiert werden. Immer und immer wieder. Die Verhaftung als fast religiöser Moment des kollektiven Anti-Terror-Wahns. Sein Gesicht soll durch die fortwährende Wiederholung in jedem nur erdenklichen Massenmedium zu einer Anti-Ikone stilisiert werden. Seht her, das ist der Feind! Und wir haben ihn! Das hat in George Orwells Roman »1984« auch schon sehr gut funktioniert. Allerdings ist der andere vaterländische Feind (Osama Bin Laden) immer noch nicht gefasst. Vielleicht findet ihn ja ein Computerspieler?
Auf der Seite von Udai und Kussei kann man in Kuma\War übrigens nicht kämpfen. So weit soll das Spielchen mit dem Spiel dann doch nicht getrieben werden. Denn auch virtuelle US-Soldaten sind US-Soldaten, und die zu töten war schon immer eine ganz, ganz schlechte Idee. Getötete und verstümmelte Zivilisten – pardon: Kollateralschäden – sind ebenfalls nirgends zu entdecken. Eine völlig glaubhafte Simulation eben, dieses Kuma\War.
Welche Szenarien wird sich das Pentagon in Zukunft ausdenken? »Atombomben über Japan«? »Guantanamo: Foltern für Einsteiger«? »So lerne ich Geschichtsfälschung in 20 Tagen«? Oder wie wäre es mit einer Suche nach Massenvernichtungswaffen im Irak? Ach nein, die war ja eher langweilig und ganz und gar nicht erfolgreich. Schade, wäre bestimmt ein lustiges Spiel gewesen, vielleicht mit Hans Blix als Endgegner.
Es bleibt die große Frage: was passiert, wenn plötzlich Frieden herrscht? Wenn es keine spektakulären Militäraktionen mehr gibt? Muss der Spielehersteller am Ende gar selbst kreativ werden und sich neue Missionen ausdenken? Wie erniedrigend. Aber so weit wird es die US-Regierung schon nicht kommen lassen. Mit tödlicher Sicherheit.
<blockquote><hr /><b>»Terror ist der Krieg der Armen. Krieg ist der Terror der Reichen.«</b>
– Peter Ustinov<hr /></blockquote>
Weiterlesen:
<a href="http://www.heise.de/tp/deutsch/special/game/16909/1.html">Die "Höhepunkte" des Kriegs noch einmal als Computerspiel</a> (Florian Rötzer, Telepolis)
<a href="http://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,289474,00.html">Konsolisierung des Krieges</a> (Hilmar Schmundt, Spiegel Online)
Das also ist er, der nächste Schritt in der Verquickung von Krieg und Spiel, von Propaganda und Unterhaltung.
Natürlich gibt es schon lange ähnliche Arten des realistischen Kriegsspiels wie »Operation Flashpoint«, »Rainbow Six« oder »Battlefield 1942«. Natürlich ist die Diskussion um eine Indizierung solcher Spiele jedes Mal wieder bestensfalls belanglos. Ich bin kein Freund von Indizierungen und auch kein großer Fan solcher Spiele. Nicht aus moralischen Gründen – ich schreibe weder für die FAZ noch heiße ich Schirrmacher, kann daher also ganz gut zwischen Spiel und Realität unterscheiden. Nein. Wenn ich spiele, möchte ich nicht den alltäglichen Realismus auch noch im Spiel haben, das ist eigentlich alles. Bloß eine kleine persönliche Abneigung also.
Doch Kuma\War ist anders. Hier geht es nicht mehr um zurückliegende Ereignisse wie etwa den Zweiten Weltkrieg oder Vietnam, die für uns längst zu abstrakten Daten geworden sind. Die Gegner sind keine gesichts- und namenlosen Niemande, die einfach gefraggt werden müssen. Es findet kein sportlich-lockerer Shooter-Wettkampf à la »CounterStrike« (getreu dem Völkerball-Motto: »Peng, und raus bist du«) statt. Die CNN-ähnlichen Nachrichtenvideos, die Tagesaktualität, die unerträgliche US-amerikanische Propaganda und das Zurechtbiegen des Zeitgeschehens machen Kuma\War zu einem bisher beispiellosen Vertreter des »Militainments«. Dieses Spiel ist kein Shooter mehr, es ist selbst eine Waffe.
<blockquote><hr /><b>»From the headlines to the frontlines. We put you there.«</b><hr /></blockquote>
Unglaublich realistisch und so richtig echt soll es sein. Als wäre man selbst dabei. Mit Satellitenkarten und viel Schnickschnack. Einen Vorgeschmack auf diesen »Realismus« und auf die »Nachrichten-Kompetenz« der im Spiel integrierten Analysen liefert <a href="http://www.kumareality.com/m1p2.m.multimedia.video.1.html" title="Quicktime-Video">ein Video</a> auf der offiziellen Website. Zur ersten Mission (Liquidierung der Saddam-Söhne) berichtet eine hippe Sprecherin ernst und doch immer locker von der 101. Einheit. Diese feuert »eine Rakete nach der anderen« in das Zielgebäude, stürmt es schließlich, um dann – tada, großer Tusch – den letzten Überlebenden, einen 14jährigen (!), niederzumähen. Genau wie in echt also. Ob man diese Aktion nicht hätte friedlicher regeln können, liest das Nachrichten-Girlie von ihrem Teleprompter ab. Nun ja, man könne es ja ruhig mal auf andere Weise versuchen, beantwortet sie ihre rhetorische Frage gleich selbst. Doch die Spieler wissen längst, dass es in diesem Spiel – ganz im Gegensatz zur Realität – keine erfolgreichere Möglichkeit gibt, diese Mission zu beenden. Und ich brauche auch nicht zu erwähnen, dass sich während dieses gesamten Vortrags überaus heldenhafte Orchestermusik in die Ohren drängelt. Liebe Frau Unbekannte-Sprecherin, wie fühlt man sich eigentlich mit so einem Text vor der Kamera?
Selbst vom rein militärischen Standpunkt betrachtet ist diese Operation kaum nachvollziehbar. Wir sollen allen Ernstes glauben, das eine komplette Einheit von HighTech-Soldaten die vier oder fünf Gegner im Haus mit Maschinengewehren, Granaten und Raketen hat beschießen und letztlich töten müssen, um sich selbst zu schützen? Wie lächerlich ist das denn? Und da Krieg und Spiel sich formal nun mal ähneln, überträgt sich diese Lächerlichkeit auch auf das Gameplay. Ist es wirklich eine spielerische Herausforderung, mit der »besten Armee der Welt« gegen Diktatorensöhne und Kinder zu kämpfen? Ist es wirklich unterhaltsam, in der zweiten Mission Bomben über afghanische Kämpfer regnen zu lassen?
<blockquote><hr /><b>»After we report it, you play it.«</b><hr /></blockquote>
Als eine der zukünftigen Missionen ist die Gefangennahme von Saddam Hussein selbst geplant. Der hockte bekanntlich ziemlich allein, verlassen, unrasiert und unspektakulär in einem Erdloch. Ganz realistisch soll es natürlich wieder sein. Das will auch <a href="http://www.kumareality.com/downloads.html" title="Trailer zum Runterladen">der Trailer</a> beweisen. Äh, bitte? Haben nicht gerade amerikanische Quellen immer wieder betont, dass bei dieser Aktion nicht ein einziger Schuss gefallen sei? Wo bleibt da das vom Hersteller versprochene Actionspektakel? Nein, hier geht es Hersteller und Pentagon um etwas ganz anderes. Saddam Hussein soll als Verlierer präsentiert werden. Immer und immer wieder. Die Verhaftung als fast religiöser Moment des kollektiven Anti-Terror-Wahns. Sein Gesicht soll durch die fortwährende Wiederholung in jedem nur erdenklichen Massenmedium zu einer Anti-Ikone stilisiert werden. Seht her, das ist der Feind! Und wir haben ihn! Das hat in George Orwells Roman »1984« auch schon sehr gut funktioniert. Allerdings ist der andere vaterländische Feind (Osama Bin Laden) immer noch nicht gefasst. Vielleicht findet ihn ja ein Computerspieler?
Auf der Seite von Udai und Kussei kann man in Kuma\War übrigens nicht kämpfen. So weit soll das Spielchen mit dem Spiel dann doch nicht getrieben werden. Denn auch virtuelle US-Soldaten sind US-Soldaten, und die zu töten war schon immer eine ganz, ganz schlechte Idee. Getötete und verstümmelte Zivilisten – pardon: Kollateralschäden – sind ebenfalls nirgends zu entdecken. Eine völlig glaubhafte Simulation eben, dieses Kuma\War.
Welche Szenarien wird sich das Pentagon in Zukunft ausdenken? »Atombomben über Japan«? »Guantanamo: Foltern für Einsteiger«? »So lerne ich Geschichtsfälschung in 20 Tagen«? Oder wie wäre es mit einer Suche nach Massenvernichtungswaffen im Irak? Ach nein, die war ja eher langweilig und ganz und gar nicht erfolgreich. Schade, wäre bestimmt ein lustiges Spiel gewesen, vielleicht mit Hans Blix als Endgegner.
Es bleibt die große Frage: was passiert, wenn plötzlich Frieden herrscht? Wenn es keine spektakulären Militäraktionen mehr gibt? Muss der Spielehersteller am Ende gar selbst kreativ werden und sich neue Missionen ausdenken? Wie erniedrigend. Aber so weit wird es die US-Regierung schon nicht kommen lassen. Mit tödlicher Sicherheit.
<blockquote><hr /><b>»Terror ist der Krieg der Armen. Krieg ist der Terror der Reichen.«</b>
– Peter Ustinov<hr /></blockquote>
Weiterlesen:
<a href="http://www.heise.de/tp/deutsch/special/game/16909/1.html">Die "Höhepunkte" des Kriegs noch einmal als Computerspiel</a> (Florian Rötzer, Telepolis)
<a href="http://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,289474,00.html">Konsolisierung des Krieges</a> (Hilmar Schmundt, Spiegel Online)
Gibt es in dem Spiel Teamschaden? Es würde mir dann nicht nur Spaß machen, als US-Soldat zu kämpfen, sondern würde auch sehr zum Realismus des Spieles beitragen.
@Lee: Natürlich können auch die US-Soldaten im Verlauf einer Mission verletzt und getötet werden. Aber ich will nicht wissen was passiert, wenn du deinen Auftrag versemmelst. Das Spiel hat sicher ne Standleitung zu Donny Rumsfeld persönlich und wertet eine Niederlage als Verrat...
Es gibt da diesen älteren Film, wo Kinder Egoshooter spielen und nicht wissen, dass sie damit unbewusst von der Regierung eingesetzte Funk-Roboter steuern, die sich mitten in einem Krieg befinden. Das erinnert mich gerade daran.
Und da find ich einmal mehr die Haltung unserer Bundeswehr gerade zu bewunderndswert, die sich weigert derartige Spiele zu unterstützen oder gar zu entwickeln.
Amercias Army war ja noch ok aber das?
Mmmh mal sehen wie es sich spielt...
Mmmh mal sehen wie es sich spielt...
Wir wissen, dass unsere Großväter damals ziemliche Scheiße gebaut haben und außer den Germanen gibt es deshalb sonst keine Spiele von uns über uns. Die Amis steigern sich aber gerne da rein. Bei denen sind ja alle Kriege verständlich und gerechtfertigt.
Und wenn die Spieleindustrie in Zukunft nachlässt, wird mal wieder ein Original-Krieg inszeniert? Schließlich soll nicht nur die Grafik echt wirken.
Das Spiel hätte von J. Göbbels stammen können, wäre er Ami.
Und wenn die Spieleindustrie in Zukunft nachlässt, wird mal wieder ein Original-Krieg inszeniert? Schließlich soll nicht nur die Grafik echt wirken.
Das Spiel hätte von J. Göbbels stammen können, wäre er Ami.
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