Perspektiven für die EU und den € (Gesellschaft)

Perspektiven für die EU und den € (Gesellschaft)

In diesem Thread möchte ich die Perspektiven für die Zukunft der Europäischen Union und besonders der Währungsunion diskutieren.

Es folgt ein längerer Text. Letztendlich beziehe ich mich auf das 20. Pleisweiler Gespräch mit dem Ökonomen Heiner Flassbeck. Ich bin kein Ökonom und ich denke er kann das besser rüberbringen. Wer also lieber zuhört und schaut, dem empfehle ich diesen Link: http://www.youtube.com/watch?v=BtxsFyp1WCg&;feature=&p=ABECBB02F04DD0C1&index=0&playnext=1|Klick. Insgesamt geht die Veranstaltung aber drei Stunden. Dennoch absolut sehenswert!

Derzeit wird der Eindruck erweckt (der ja stimmen mag) der Euro sei zum zerreißen gespannt.

Es wird argumentiert, daran seien vor allen Dingen die südeuropäischen Staaten Portugal, Italien, Griechenland und Spanien schuld (PIGS-Staaten). Die hätten zu viele Schulden aufgenommen und zu verschwenderisch gelebt. Sie müssen nun einen harten Sparkurs fahren und ihren Export stärken - letztendlich das tun, was Deutschland seit etlichen Jahren tut: (Sozial-)Staat abbauen, Löhne niedrig halten, Lohnnebenkosten senken (was im Endeffekt auch eine Lohnsenkung ist - denn am wem bleiben denn die Folgen z. B. der Deckelung der Arbeitgeberanteile für die gesetzliche Krankenkasse hängen? - richtig, am Arbeitnehmer).

Was aber bedeuten Deutschlands Exporte (die zu einem sehr großen Teil in die Eurozone fließen) für unsere europäischen Nachbarn? Ein (dauerhaftes) Außenhandelsbilanzdefizit. Unsere europäischen Nachbarn konsumieren die Güter, die wir Deutschen exportieren und nicht mehr die Güter, die im eigenen Land hergestellt werden. Die niedrigen Löhne in Deutschland bedeuten für unsere exportorientierte Wirtschaft einen immensen Wettbewerbsvorteil gegenüber der Wirtschaft anderer Länder.
Was geschieht nun, wenn die Länder, die von uns importieren den Sparkurs durchziehen, der ihnen von uns (Kanzlerin Merkel, IWF usw.) vorgegeben wird? Ich denke es dürfte nicht zu weit hergeholt sein festzustellen, dass die dann weniger von uns importieren. Letztendlich treten die Länder der Eurozone dann in einen Wettbewerb der Niedriglöhne - "Wer kann am meisten hungern!" Dann würgen sich die Euroländer allesamt gegenseitig ab und wir sitzen erst recht in der Scheiße. Die Summe des Außenhandels über alle Euroländer ist nämlich Null. Was irgendwo exportiert wird, muss auch wieder irgendwo importiert werden.

Was aber hat all das mit dem Euro zu tun? Nun, eine Währungsgemeinschaft verhindert einen Vorgang, der in einem gesunden Geldmarkt ganz natürlich ist: Die Währung von Ländern, die ihren Export durch Lohnzurückhaltung pushen wollen, werten ab und der Effekt der Lohnzurückhaltung verpufft wieder. Ebenso würde die Wettbewerbsfähigkeit eines importierenden Landes wiederhergestellt, in dem seine Währung abwertet - es den Lohn und Gehaltsempfängern also verunmöglicht, ausländische Waren zu kaufen.

Man könnte sich jetzt natürlich fragen, was uns, als exportierende Nation, das eigentlich angeht - wir profitieren doch davon, immerhin häufen wir Verbindlichkeiten anderer Länder bei uns auf. Die Schulden (und die Probleme, wie sie zu bezahlen sind) haben doch andere. Nun, Staatsanleihen, Kontoauszüge und dergleichen kann man halt nicht essen (oder sonstwie verkonsumieren). Man hat das Geld ja nicht um des Geldes willen sondern um sich davon was Schönes zu kaufen.
Wenn wir den Euro retten wollen müssen wir, als deutsche Nation, also eigentlich genau das jetzt tun: importieren statt exportieren - wir schlachten das Sparschwein und kaufen uns bei den Griechen was Schönes. Dazu ist es unter anderem nötig, dass demnächst die Löhne und Gehälter in Deutschland kräftiger steigen als im Rest der Eurozone.

Wie sehen die Alternativen aus?
Wir retten die Sünder und schimpfen ganz fürchterlich über sie - wir könnten sie auch nur retten, es liefe auf's selbe hinaus. Wir geben ihnen letztendlich Geld, damit sie unsere Profukte kaufen können. Ist das Geld alle, dass wir ihnen gegeben haben, stehen wir vor dem selben Problem schon wieder (das zurückgeflossene Geld landet übrigens nicht auf dem Konto unserer Republik).

Die Sünderländer steigen aus dem Euro aus und erklären den Staatsbankrott. Es gibt eine Währungsreform und deren neue Währung wertet gegenüber dem Euro (oder der Währung Deutschlands) massiv ab. Unsere Verbindlichkeiten sind futsch - die Wertpapiere sind wieder Papiere geworden. Ehrlich gesagt ist das ein Grund, warum ich all diese Spinnereien vom Wiedereinführen der Deutschen Mark für Unsinn halte - eigentlich wäre das das Schlimmste, was Deutschland passieren könnte.
Freihandel innerhalb der Eurozone ist nämlich kein Naturgesetz - wenn sich ein Land derart parasitär verhält wie Deutschland (und in der Eurozone sind wir ungefähr so drauf wie die Chinesen weltweit) springen die Mitglieder irgendwann ab. Die lassen sich nicht auf einen Askese-Wettbewerb ein und finden irgendwann zum Protektionismus.
ich als nicht deutscher, habe den eindruck, dass sich einige länder in der EU zu viel bedeutung zuschreiben, und die politiker sich dann auch so verhalten.
und unter denen ist eben auch deutschland
Mhm Naja ökonomisch ist Deutschland für Europa/die EU recht bedeutend womit ich nicht sagen würde es wird zusehr überzogen, denn es ist normal dass man sich besser macht als man ist, undzwar in jedem Fall auch in der politik.
Ich weiß nicht, ob ihr begriffen habt, worum es in diesem Thread gehen soll. Es geht nicht einfach nur um das diplomatische Porzellan, dass zur Zeit zerdeppert wird. Es geht um die Stabilität des Euro und die Zukunft der Europäischen Union, die durch die andauernden deutschen Exportüberschüsse gefährdet wird.

Ich denke es ist nicht deutlich geworden was das heißt: wir produzieren und erhalten dafür Papiergeld. Wenn wir uns von diesem Papiergeld nichts kaufen (in dem wir mehr importieren als exportieren) wird das Papiergeld entwertet und wir können es abschreiben. Der Titel Exportweltmeister ist eher Fluch als Segen!

Schaut euch bitte das Video an.
Sry es war mitten in der Nacht ich hab mich nur zu Raz0rking geäussert ich hol das mit dem Video bald nach.
wie stehts eig mit china bei dem thema?
habe letzens ein artikel gelesen wo sie griechenland und italien kräftig unter die arme greifen wollen, dein text liest sich so, entweder a oder b
Ich sagte ja, Deutschland verhält sich in der EU wie China weltweit. Die Chinesen sind auch treue Abnehmer us-amerikanischer Staatsanleihen FocusOnline. Sie geben den Amerikanern sozusagen Geld, damit die Amerikaner von den Chinesen Produkte kaufen können.

Wenn du mich fragst ist den Chinesen der Mechanismus, der Deutschland so schwer treffen könnte, aber vorerst gleichgültig, und zwar schlicht und einfach wegen seiner schieren Größe. Die Chinesen nutzen den Außenhandel stark zum Technologietransfer (machen ihn teilweise sogar zur Bedingung, zum Beispiel beim Bau von Atomkraftwerken, siehe hier). Die Chinesen lernen unglaublich schnell und erkaufen sich das anscheinend notfalls mit einigen abzuschreibenden Staatsanleihen. Und man darf nicht vergessen, dass die Chinesen Kommunisten sind - die spielen das Spiel des Kapitalismus nur so lange mit, wie es ihnen nutzt.

Sollten die Chinesen den Italienern und Griechen unter die Arme greifen verzögert das lediglich den Kollaps, den das Grundproblem bleibt bestehen.
SpiegelOnline veröffentlicht eine Statistik über die Lohnentwicklung in den entwickelten Ländern. In Deutschland sind die Löhne inflationsbereinigt sogar gesunken.
Das nur als Beleg, dass Deutschland seine europäischen Partner mit Dumpinglöhnen kaputt konkurriert. Um die europäische Union und den Euro zu retten müssten die Löhne in Deutschland demnächst stärker steigen als in den übrigen Euroländern - so wäre es unseren Partnern nach und nach möglich, die aufgehäuften Außenhandelsbilanzdefizite abzubauen (die wir Deutschen dann mit unseren höheren Löhnen und Gehältern verkonsumieren).

http://www.spiegel.de/wirtschaft/service/0,1518,734794,00.html|Link zum kompletten Artikel.
Ein weiteres Argument für flächendeckende Mindestlöhne. Das wäre eine einfache, wirksame Gegenmaßnahme. Abgesehen von anderen Vorteilen, die hier aber nicht Thema sind.

Welche Möglichkeiten gibt es denn noch, Arbeitgeber zu Lohnsteigerungen zu überreden? (Keine Rhetorik)
Aber leider scheinen mindestlöhne ja kein thema zu sein. preise steigen, steuern..usw und so fort.
@Raz0rking
Das Bild zeigt die Entwicklung der Bruttolöhne, da wurden noch gar keine Steuern abgezogen.

@Vhancer
Deine Frage wurde so auch in der Anfangs verlinkten Veranstaltung gestellt (und beantwortet). Ich verspreche, dir den Teil noch mal genau herauszusuchen. Letztendlich betreibt man das Gegenteil dessen, was man bisher getan hat - denn irgendwann stand man ja auch vor der Frage wie man die gewerkschafgten dazu bewegt, sich bei den Löhnen mehr zurückzuhalten als sonst. Da ist übrigens ein schwerer Kampf mit der Lobby der Exportindustrie zu führen.


Ich merke schon, dass viele sich das diesem Thread zugrunde liegende Video nicht ansehen. Ich denke besonders interessant ist die Beantwortung der Frage, wie sich die deutschen Außenhandelsbilanzüberschüsse letztendlich gegen unsere Nation wenden. Nehmt euch also bitte wenigstens http://www.youtube.com/watch?v=acZhzGk9ihQ&;feature=BF&list=PLABECBB02F04DD0C1&index=12|diesen Teil des Pleisweiler Gesprächs mal vor!!!
Aus aktuellem Anlass: tagesschau.de Moody's stuft Griechenland weiter herab

Damit geht das Zocken gegen Griechenland in die nächste Runde. Die Griechen sind jetzt gezwungen ihre Sparpolitik weiter zu verschärfen und würgen so weiter ihre Wirtschaft ab - was in ein paar Monaten sicher erneut zu einer Abwertung führen wird, weil man so die gesetzten Sparziele erreichen kann. Kurzfristig helfen da nur Euroanleihen, solcher Anleihen also, für die alle Euroländer einstehen. Langfristig muss man aber auch zwingend die Handelsbilanzen innerhalb Europas ausgleichen. Für Deutschland heißt das, dass wir unsere Exportabhängigkeit bewusst abbauen müssen und in den nächsten Jahren die deutschen Löhne stärker steigen müssen als die deutsche Produktivität. Für die Griechen heißt das, dass die griechischen Lohnsteigerungen hinter der griechischen Produktivität zurückbleiben müssen, damit deren Wirtschaft im Vergleich zur deutschen Wirtschaft wieder konkurrenzfähiger wird.

Ich sehe in der aktuellen deutschen Politik leider keine Chance, dass die Sache doch noch glimpflich ausgeht. Am Ende wird die europäische Union auf dem Altar neoliberaler Dogmas geopfert. Wenn die feinen Herren dann merken, dass man zum exportieren auch zahlungskräftige Nachfrager braucht und man Papier eher schlecht essen kann wird es schon zu spät sein. Schade drum.
Alternativ würde vieleicht schon helfen wenn wir Deutschen unsere deutschen Produkte auch zum selben (günstigeren) Preis kaufen könnten wie in anderen EU-Ländern...
Also warum ist z.B. ein re-importiertes Auto das erst um die halbe Welt geschippert wurde, samt Zoll Steuer und blabla, immer noch billiger als wenn ich das direkt von einem deutschen Händler kaufen würde..?
Aktuelle Musik-CD's oder DVD-Filme gibt es im nahen europäischen Ausland auch wesentlich günstiger zu kaufen als bei uns..!

Warum ist das so?
Also wenn man die überteuerten deutschen Preise an ein EU-Mittelmaß angleichen würde, dann könnte ich auf eine Lohnerhöhung gerne mal verzichten....
Deutsche Produkte innerhalb Deutschlands billiger anzubieten nutzt den Volkswirtschaften der europäischen Nachbarn nicht allzu viel - es sei denn man unterstellt, dass das an deutschen Produkten eingesparte Geld zum Kauf ausländischer Waren in Deutschland verwendet wird.
Letztendlich ist eine Senkung der Verbraucherpreise ja auch eine Lohnerhöhung.
Aber künstlich verteuerte deutsche Produkte damit wir lieber ausländische Billigware (aus Asien) kaufen hilft..?
Wenn du auf die Frage eine Antwort willst, wirst du sie mir nochmal erklären müssen. Zurzeit sind deutsche Produkte eher künstlich verbilligt.
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