[Story] Die Flucht (* Gothic 1+2)

[Story] Die Flucht (* Gothic 1+2)

Die Insel des Blutes liegt momentan in einem etwas tieferen Dauerschlaf, ich komme dabei derzeit einfach nicht weiter. Also habe ich mich zur Abwechslung mal wieder an eine vor mehreren Wochen begonnene Kurzgeschichte gesetzt, und diese beendet. Ein Punkt auf der To-Do-Liste ist also mal wieder abgehakt.
Viel Spaß oder auch nicht, je nach Stimmung und Interesse!


Die Flucht

Gedankenversunken starrte Bilgot in die schwache Glut, die noch unter dem schäbigen Suppenkessel glomm. Hier leuchtete sie rot, dort orange, an anderen Stellen war das Holz längst verkohlt oder gar zu Asche zerfallen, die von leichten Windstößen aufgewirbelt und über den staubtrockenen Boden des Minentals verteilt wurde.
Asche zu Asche dachte der Waffenknecht, und musste unwillkürlich an sich selbst denken. Ein längst nicht mehr junger Mann, den es an den vermutlich übelsten Ort des fallenden Reiches verschlagen hatte. Auf eine Expedition, deren Erfolg mehr als nur fraglich war. Sicher schien allen Männern im Tal nur eines: Die baldige Einkehr in Beliars Hallen.
Dem Milizionär war klar, dass er jede sich bietende Gelegenheit zur Flucht wahrnehmen würde. Zwar stand die Todesstrafe auf Desertion, doch was hatte er schon zu verlieren? Eher würde er sich in der Burg aufknüpfen lassen, als von einem Orc erschlagen irgendwo im Tal zu verfaulen, lieber starb er rasch am Strick, als langsam von Tieren zerrissen zu werden.
Bilgot schüttelte den Kopf und vertrieb die unschönen Gedanken an das Ende. Noch bestand Hoffnung. Gering zwar, kaum fassbar, aber sie bestand. Es war dem Waffenknecht gelungen, dem Söldner, der etwa eine Woche zuvor das Lager aufgesucht hatte, ein Versprechen aufzuzwingen. Ihn aus dem Tal zu geleiten hatte der Fremde, dessen Namen Bilgot nicht einmal kannte, versprochen, im Austausch gegen das Wissen des Soldaten über ein Rudel Snapper.
Nicht erst seit der namenlose Krieger die reißenden Bestien scheinbar mühelos erschlagen hatte war dem Milizionär klar, dass dieser Kerl etwas besonderes war. Eine Aura, so erschien es dem betagten Kämpfer, umgab den Fremden. Eine gute Aura.
Nur dieser Gedanke ließ ihn darauf hoffen, dass der Mann zurückkehren würde. Nur die stumme Hoffnung, der Mann sei wirklich so gut, wie er zu sein schien, hielt Bilgot aufrecht. Doch wenn er ehrlich zu sich selbst war, dann glaubte er nicht daran.
”Er wird sich irgendwo außerhalb des Tals den Wanst voll schlagen, und mich völlig vergessen haben” brummte der Soldat, und krallte seine Finger in einem Anflug von Wut in die trockene Erde.
”Jemand, den ich kenne?” verlangte eine Stimme hinter Bilgots Rücken zu wissen, und ließ den Waffenknecht zusammenzucken. Langsam wandte er den Kopf, drehte den Rücken und hob den Blick. Hinter ihm stand, die Hände in die Hüften gestemmt und ein ehrlich freundliches Lächeln im Gesicht, der Söldner. In einer beeindruckenden, fremdartigen Rüstung zwar, aber zweifellos war er es.
”Dass ich dich nochmal wiedersehe, hätte ich nicht erwartet. Du bist in Ordnung!” erklärte Bilgot, während er sich erhob. Einige Augenblicke verbrachte er damit, den neuen Panzer des Mannes zu begutachten, dann blieb sein Blick an der Klinge hängen. Verschmiert von Orcblut und anderer Masse, über die Bilgot lieber nichts wissen wollte, baumelte ein Einhänder von beachtlicher Größe am Waffengurt des Namenlosen. Ein Orcschlächter dachte der Milizionär. Er kannte diese Art von Klingen. Und offensichtlich wusste der Söldner damit umzugehen.
”Es ist Zeit. Pack deine Sachen, wir ziehen ab!”
Der Waffenknecht grinste. Es bestand also doch noch Hoffnung, wirkliche Hoffnung!
”Bin schon fertig” gab er dem Söldner zur Antwort, griff nach einem Sack aus grobem Leinen, der neben ihm bereitlag und seinen gesamten Besitz beinhaltete, und sah den Namenlosen erwartungsvoll an. Der Mann nickte in Richtung des Ausganges, an dem Fajeth Wache stand, und setzte sich in Bewegung.
Bilgot zögerte. Er wusste, dass dem Paladin seine Aufgabe wichtig war. Er wusste, dass Flucht strafbar war. Wollte dieser Söldner ihn ins Verderben reiten? Oder sollte er sich ihm wirklich anvertrauen? Der Waffenknecht zauderte.
Der wachhabende Ritter zog die Stirn kraus, als der Namenlose ein Stück vor ihm stehen blieb und, ohne den Streiter zu beachten, an ihm vorbeiblickte. Ein Blick über die Schulter ließ ihn die Situation erkennen. Jetzt ist es aus schoss es dem grauhaarigen Soldaten durch den Kopf. Er irrte. Betont auffällig nahm Fajeth das grob gezimmerte Holz der Barrikade in Augenschein, die das provisorische Lager umgab, und winkte den Waffenknecht an sich vorbei. Bilgot konnte es kaum fassen, solche Einsicht, solche Menschlichkeit hatte er dem Lagervorsteher niemals zugetraut. Rasch packte er die Gelegenheit beim Schopf, und folgte endlich dem Söldner.
Bergauf ging es, vorbei an dem alten Wachturm. Jenem Wachturm, bei dem der Rudelführer der Snapper gehaust hatte. Das Tier, das ihm schlussendlich zur Freiheit hatte verhelfen sollen. Durch eine Bestie gerettet dachte der Soldat beinahe amüsiert. Nur, um die Augenbrauen zusammenzuziehen, als sein Begleiter nach einigen weiteren Schritte unter einem Felsbogen hindurchmarschierte. Bilgot hatte, gemeinsam mit seinem Kameraden Olav, auf dem Hinweg einen Blick dorthin riskiert. Es war eine Sackgasse, das wusste er.
”Wir machen einen kurzen Umweg” erklärte der Söldner, der das Zögern seines Mitreisenden bemerkt hatte. ” Ein Freund von mir sitzt hier in der Nähe. Er kommt mit uns zum Pass.”
Bilgot nickte. Wer dieser Freund auch sein mochte, es war bestimmt ein ehemaliger Gefangener, der fliehen wollte. So, wie er den Söldner einschätzte, konnte es niemand sonst sein. Diebe, Flüchtlinge, Kriminelle. Leute wie ich bemerkte der Waffenknecht, und auch er marschierte weiter, den Pfad unter dem Felsbogen entlang, bis er nach wenigen weiteren Schritten stehen blieb und sich interessiert umsah.

Ein kleines, von Felsen umgebenes Areal war zu einem Lager umfunktioniert worden. Zwei schlecht gebaute Holzbänke, ein Kessel auf wackeligem Gestell, darunter ein knisterndes Feuer. An eine der Felswände gelehnt, im Mundwinkel ein glühender Sumpfkrautstengel und ein Grinsen im Gesicht, stand ein schwarzhaariger Mann. Bilgot kannte ihn, dieser Kerl war tatsächlich ein Gefangener, der einem der Schürftrupps zugeteilt war. Ohne zu zögern sprach der Söldner ihn an.
”Hey Diego! Wir ziehen los. Bilgot hier” erklärte er, während er mit der Linken auf den Soldaten deutete, ” wird uns begleiten, zu dritt ist es einfacher.”
“Du hast uns also noch Orcs übriggelassen?”
wollte Diego wissen, wobei er leise lachte. Ihm war das Kampfgeschick des Kriegers wohl bekannt.
Der flüchtige Gefangene griff nach seiner Habe, reichte danach dem Waffenknecht die rechte Hand und nickte ihm grüßend zu. Danach blickte er den Söldner wieder an, musterte die Rüstung und streifte auch das Schwert mit seinem Blick.
”Du hast dich den Drachenjägern angeschlossen?” stellte er mehr fest als das er es fragte, und deutete auf den Panzer, den der Söldner - nein, der Drachenjäger! - trug. Dieser nickte bedächtig.
“Ja. Was weißt du von den Kerlen?”
Diego zuckte leicht mit den Schultern, ehe er antwortete. “Drei von der Sorte sind hier gestern vorbeigekommen. Wollten zur Bergfeste, sagten sie. Wer weiß, was Lester dazu sagen würde. Naja, die haben jedenfalls davon erzählt, dass die Drachenjagd bald losgeht.”
Der Namenlose nickte noch einmal, tastete gedankenversunken nach seinem Schwert, und starrte blicklos in die Umgebung, bis ein freundschaftlicher Schlag gegen die Schulter ihn weckte.
”Ja. Der Söldnerschmied Bennet wusste davon, und er hat mich ausgerüstet. Es werden wahrscheinlich noch viele von der Sorte hier erscheinen.”
“Und sterben”
fügte Diego hinzu. Bilgot war erschrocken über die Gleichgültigkeit und Selbstverständlichkeit, mit der dieser Gefangene über die Tode der Jäger sprach. Zwar war es nachvollziehbar, aber der Waffenknecht saß offenbar noch nicht lange genug im Tal, um dieses Denken zu übernehmen. Und er gedachte auch nicht, es jemals so weit kommen zu lassen.
”Also los, der Weg ist weit.”

Erneut unter dem Felsbogen hindurch führte der Weg endlich dem Pass entgegen, der die Freiheit und eine reelle Überlebenschance bedeutete. Ein großes Ziel, und nicht einfach zu erreichen, dessen war sich jeder der Männer bewusst. Diego hielt stets eine Hand am Schwert, und auch der Drachenjäger zeigte sich überaus angespannt. Bilgot selbst gab sich alle Mühe, nicht in Panik auszubrechen, als er im Zwielicht der einsetzenden Dämmerung die Schemen allerlei verschiedener Geschöpfe wahrnahm. Wölfe, die sich am Fleisch toter Tiere - und Menschen - labten, hier und da ein orcischer Späher, der geduckt durch den Abend huschte und die drei Reisenden zu größerer Eile und Wachsamkeit trieb. Mehr als einmal hörte der Waffenknecht auch das kehlige Knurren der Snapper, das er nur zu gut kannte, und das er zu hassen gelernt hatte.
Lange waren die Männer noch nicht unterwegs, als Diego stehen blieb und seinen Begleitern bedeutete, es ihm gleichzutun. Er hob die Hand vom Schwertgriff und deutete auf einige Steine, die sich in ihrer Schwärze vom halbdunklen Hintergrund des abendlichen Waldes abhoben.
”Dieser Steinkreis gefällt mir nicht. Da geh’ ich keinen Schritt näher dran. Nicht nach dem, das Milten erzählt hat. Weiß Beliar, was da alles haust!”
Der Drachenjäger seufzte, gab allerdings keine wirklichen Widerworte. Scheinbar wusste er, dass er ohnehin nichts erreichen konnte. Stattdessen zog er eine Karte des Tals hervor, ermittelte den gegenwärtigen Standpunkt und beriet dann mit dem flüchtigen Gefangenen über den weiteren Verlauf des Weges. Bilgot hörte Worte wie Cavalorn Hütte und Nordfluss heraus, konnte damit allerdings nichts anfangen. Es musste sich um Ausdrücke handeln, die man als Gefangener der Strafkolonie hatte kennen lernen müssen. Lange war es nicht her, stellte Bilgot fest. Und doch war die Veränderung groß.
”Los, weiter. Ich will nicht in die tiefste Nacht geraten. Nicht hier” erklärte der Drachenjäger, und wieder setzten die Flüchtigen sich in Bewegung.
Durch den Wald ging es nun, durch grausigen Gestank und vorbei an den Leichnamen diverser Soldaten und Orcs. Mit Mühe hielt sich der Waffenknecht auf den Beinen. Er war überaus froh, als sie das faulig riechende Gebiet hinter sich gelassen hatten.
”Da vorn ist die Hütte” bemerkte Diego, und deutete auf einen Fleck irgendwo inmitten der mittlerweile nächtlichen Schwärze. ”Wir sollten bis zum Sonnenaufgang dort bleiben, das gibt uns wenigstens etwas Schutz.”
“Ja, das sollten wir tun”
gab auch der Drachenjäger zu, und Bilgot war froh, eine Pause in Aussicht zu haben. Gewiss, als Soldat war er ausdauernd, aber das Alter machte auch ihm mehr und mehr zu schaffen.
”Trautes Heim, Glück allein” murmelte der Gefangene, als er sich, als erster der drei, auf einer der Holzbänke vor der Hütte niederließ. Nicht lange verweilte er dort, sondern machte sich bald daran, Holz zu sammeln und ein Lagerfeuer zu entfachen. Bilgot ging ihm dabei zur Hand.
Bald saßen die Drei am prasselnden Feuer und ließen sich ein karges Mahl schmecken, bestehend aus dem Fleisch einer der riesenhaften Ratten, die man auf Khorinis oft antraf. Zäh und kaum Fleisch auf den Rippen, aber immerhin gut gegen den ärgsten Hunger.
”Ich übernehme die erste Wache” stellte Diego klar. ”Ich werde dich dann rechtzeitig wecken, damit ich selbst noch etwas ausruhen kann.”
Der Namenlose nickte zustimmend, und zog sich ins Innere der Hütte zurück. Das Schwert legte er neben einem Strohsack ab, der auf dem Boden lag, und bettete sich selbst schließlich auf selbigen. Den zweiten Sack voll Stroh nahm Bilgot in Beschlag. Unmittelbar nachdem er sich vorgenommen hatte, ein Auge offen zu lassen, fiel er in einen alptraumerfüllten Schlaf.

Der nächste Morgen begann mit dem steten Prasseln dicker Regentropfen, die auf das löchrige Dach der Hütte fielen, und die Reisenden aus ihrem viel zu kurzen Schlaf riss. Der Drachenjäger stand vor der Hütte, offenbar hatte er nach diego die Wache übernommen. Biglot fragte sich, warum man ihn nicht geweckt hatte, war aber im Endeffekt doch ganz froh darüber.
”Frühstück fällt aus” rief der Namenlose kurz angebunden. ”Ist ‘ne eigenartige Atmosphäre. Ich will nicht viel länger hier bleiben.”
Die Stiefel der drei Männer ließen Wasser und Schlamm hoch spritzen, während sie durch den verregneten Morgen eilten. Über einen recht schmalen Fluss, den Bilgot bereits von der Anreise her kannte, es musste der Nordfluss sein, führte der Weg schließlich zum Grat, das an der Felswand entlang zum Pass führte. Einen letzten Blick warf Bilgot auf die in der Nähe stehende, trutzige Feste, die noch immer von unzähligen Orcs umstellt war, dann begab er sich an den Aufstieg.
Bald geriet der alte Soldat außer Atem. Er musste einen erbärmlichen Anblick bieten. Das graue Haar schlaff und durchnässt in der Stirn, die Uniform schlammverschmiert, er selbst obendrein laut keuchend.
”Wir sind bald da” teilte der Drachenjäger ihm endlich mit, und in der Tat kam nach wenigen weiteren Schritten, die dem Waffenknecht wie viele Meilen erschienen, die verlassene Mine in Sicht. Ab dort war es nicht mehr weit zum Pass. Der Namenlose allerdings hielt den Alten zurück.
”Der Pass ist verstellt. Die Orcs lauern dort. Geh durch die Mine, dort gibt es einen Weg. Leicht zu finden. Diego wird dir helfen.”
Der Gefangene nickte zustimmend, während er auf den eingang zur Mine zuhielt und sich schließlich darin, im Trockenen, niederließ.
”Also dann, Bilgot. Wir sind da. Bleib nicht zu lange hier, die Gegend ist heiß. Und lass dich nicht fressen. Wär’ schade drum.”
Der Waffenknecht nickte langsam und reichte dem Drachenjäger zum Dank die rechte Hand, die dieser ergriff und schüttelte.
”Ich danke dir. Leb wohl.”
Diego verabschiedete sich mit einem knappen Nicken von dem Namenlosen, ganz so, als sei ihm klar, dass er ihn bald wiedersehen würde. Dann kehrte der unbekannte Krieger seinen Begleitern den Rücken zu und ging seiner Wege, wieder zurück ins Tal. Bilgot sah ihn niemals wieder.
Noch immer schwer atmend lehnte sich der Waffenknecht im Inneren der Mine an die staubige Felswand, und versuchte, seine Lungen zu beruhigen. Er würde kurz ausruhen, entschied er. Nur ganz kurz ...

Ende
yaaay!!
Nice 1.
Richtig Geil
also.... woah, mir fehlen die worte...
echt geil, du kannst die besten geschichten schreiben. schonmal dran gedacht, einen gothic-roman zu schreiben und richtig kohle damit zu verdienen?^^
ich würds kaufen =)
Ich danke für das Lob. ^^
Ka0s, wenn du meinst, meine Stories seien die besten, dann hast du noch nie im Story-Forum der WoG gelesen. Da gibt es einige Leute, die ein, zwei Ecken besser sind als ich. ;)
Einen Gothic-Roman schreiben? Nein, das wird nichts. Da die Rechte bei JoWood liegen, wäre mir das alles zuviel Aufwand. Davon abgesehen würde ich so ein Buch nicht vollkriegen. ;-)
man wartet höchst gespannt stets auf etwas plötzlich furchtsam eintretendes, was nicht passiert - genial!
Logge dich ein um einen Beitrag zu schreiben.