Tag auch,
in meiner knappen Freizeit bin ich gern schöpferisch tätig, und so schreibe ich auch Geschichten und Gedichte. Nachfolgend mein erster Versuch eines Romans, der in der Welt von Morrowind spielt und an die Story angelehnt ist. Wie gefällts euch so?
Würde mich sehr auf Kommentare freuen!
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The Elder Scrolls III
Morrowind
Kapitel 1 – Die Ankunft
Regelmäßig, mit der unheimlichen Präzision eines Uhrwerk schlugen die
Wellen gegen den Rumpf des Schiffes, ließen es ächzen und nur mit
Mühe vorwärtsfahren. Windböen erhoben sich, zerrten am Mast. Der
Regen peitschte über das Deck, drohend, mahnend, vor der Gewalt der
Natur. Als würden die Götter diese Reise nicht wünschen.
Dritter Tag an Bord. Ein hochseefähiger Dreimaster, bereit den Kampf
mit den Elementen aufzunehmen.
Würde es scheitern, kaum jemand schrie auf. Ein Kapitän, drei Wachen,
fünf Gefangene. Und ich einer von dieser elendigen Masse. Seit drei
Tagen. Damals, noch in den Gefängnissen der Kaiserstadt, der
Hauptstadt des mächtigen Kontinents Cyrodill, der Heimat des
Kaiservolkes. Ein mittelloser Bürger, im Schatten der Gesellschaft, einer
im Überfluss und Luxus lebenden Menge. Dritter Sohn eines Vaters und
einer Mutter, die beide ein ähnlich unglückliches Los teilten wie ich.
Mein guter Vater, den ich nur kurz fühlen durfte, Soldat in der
kaiserlichen Legion. Ein Held in der Zeit vor dem Bau des Schutzwalles
um den Roten Berg von Morrowind, der Heimat jenes gnadenlosen und
grauenvollen Gottes Dagoth Ur und seiner Schergen. Täglich kämpfte er
mit seinen Kameraden gegen Daedra und andere fürchterliche Monster,
führte das Schwert wie kein zweiter. Er kannte keine Angst. Das schien
sein Fehler gewesen zu sein.
Seit 25 Jahren verschollen in jenem unzugänglichem Gebirge im Herzen
Morrowinds, meines Ziels. Gerade Morrowind, jener Kontinent, der
meinen Vater fraß, meine Mutter zur Verzweiflung und in den
Selbstmord brachte. Gerade jener Kontinent, die Heimat der
Dunkelelfen, regiert vom Kalkül eines habgierigen Königs, besetzt von
der Kaiserlichen Legion meines Volkes. Eine freundliche Besatzung, die
die Kultur des heimischen Volkes tolerierte, aber die Gesetze des
Kaisers aufzwang.
Mein Vater nahm mich einst in jungen Jahren nachts mit auf eine
Lichtung im Wald der Nibenay-Senke im östlichen Teil Cyrodills. Dort
erzählte er mir viel über die Sterne, er selbst glaubte immer, dass die
Konstellationen das Schicksal eines Menschen beeinflussen könnetn, er
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zeigte mir auch das Sternbild, unter welchem ich geboren war, genauso
wie er selber: Der Kämpfer. Das meiste kannte ich nurnoch von meiner
Mutter, den überaus größten Teil meiner Erinnerungen an Vater sind im
Nebel der Unendlichkeit verschollen.
Meine Mutter sagte immer: „Dunkelelfen kennen keine Gefühle“. Und
gerade ein Dunkelelfe, deren Heimat Morrowind ist, war mein einziger
Gefährte, gleich gegenüber von meiner Zelle. Er nannte sich Jiub. Ein
einfacher Name. Von seiner Vergangenheit kannte ich nicht viel. Sie
schien ähnlich finster wie meine gewesen zu sein. Selten sprach er ein
Wort. Die meiste Zeit der letzten Tage lag er bloß auf seiner harten
Barke und versuchte die Zeit irgendwie ablaufen zu lassen, das
drumherum zu vergessen.
Das zweite Unterdeck, meine Heimat auf See, verkleidet mit einem
knarrendem Holz, das bei jedem Wanken des Schiffes bedrohlich klang,
am Ende des breiten Ganges zwischen den sechse winzigen Zellen, von
denen gerademal zwei besetzt waren, ein kleiner Tisch mit einer
schwach lodernden Kerze und zwei Stühlen. Das fahle Licht erzeugte
eine gespenstische Stimmung, während außerhalb der Sturm tobte, was
täte ich alles um wenigstens kurz das warme Licht der Sonne genießen
zu dürfen.
Selten hatten wir die letzten Tage Gesellschaft von den Wachen. Sie
schienen ihr Leben auf dem ersten Unterdeck mit Bier und edlem Flin zu
genießen, um betrunken einzuschlafen nach einer durchzechten Nacht.
Wenn unsereins der Durst packte, stand ein Krug mit einfachem Wasser
bereit, daneben ein halber Leib trocken Brot. Neben der mit Kleidung
ausgelegten Barke, meinem harten Schlafplatz, die einzigen
Gegenstände, die mir in meiner kleinen Zelle Gesellschaft leisteten. Die
kurze Verschiffung zum verhassten Kontinent war von Unwissenheit
geprägt. Nach meiner plötzlichen Freilassung vor genau einer Woche
und der wesentlich unbequemeren Verlagerung von der Kaiserstadt nach
Anvil, dem Hochseehafen Cyrodills, hatte ich keinerlei Informationen
erhalten. Befürchtungen raubten mir den Schlaf. Morrowind kannte kein
Gesetz gegen Sklaverei. In Morrowind wird öffentlich exekutiert,
gefoltert. Die „Dunkle Bruderschaft“ und „Morag Tong“, wobei letztere
seltsamerweise nur Angehörige des Kaiservolkes morden sollte und nur
in Morrowind stationiert war. Ich hielt es immer bloß für ein Märchen:
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Meuchelmörder und hervorragend ausgebildete Assassinen eliminierten
diejenigen, die nicht ins Bild passten. Gegen Bezahlung, versteht sich.
Das Klang dann doch immer sehr märchenhaft.
Meine Mutter warnte mich trotzdem jedesmal eindringlich vor dem
Kontakt mit den Mitgliedern dieser Gilden. Nach ihren Vorstellungen
sollte ich ein gutes Leben als Händler in der Kaiserstadt führen, meine
eigenen alchemistischen Zaubertränke brauen und an die lokalen Magier
der Magiergilde verkaufen. Ein solcher Weg war nie in meinem Sinn.
Mich reizte immer das Abenteuer der offenen Wildnis, mit seinen
Kreaturen und Gefahren. Wie mein Vater wollte ich Monster besiegen
und Ruhm erlangen, als mächtiges Mitglied der Kriegergilde als Held
und Befreier einer Welt gefeiert werden. Der plötzliche Verlust meiner
Mutter im Alter von Neun Jahren setzte meinen Träumen ein jähes Ende.
Während meine Brüder in verschiedenen Familien Unterkunft und
Bleibe fanden, blieb mir nur die Flucht von meinen Ersatzeltern, einem
Magier und seiner Frau, die als Senatsmitglieder beide großen Einfluss
hatten, mir den Traum erfüllen könnten, den meine Mutter träumte. Ich
konnte meine Trauer nicht mehr zügeln, wollte alles loswerden, was
mich an diese Zeit erinnerte. Darum beschloss ich nach einigen erfüllten
Jahren bei der Familie Intarius meine sichere Zukunft und meine sichere
Schulung zum Magier und Alchemisten ruhen zu lassen und das
Abenteuer zu suchen. Heute erscheinen mir meine Gedanken von damals
fremd, ich lies tatsächlich meine sichere, junge Existenz in Leyawin
zurück, jener prächtigen Stadt im Süden Cyrodills und machte mich auf
gen Norden. Nach Bruma, dem nördlichstem Außenposten der
zivilisierten Welt. Ich suchte das Abenteuer in der eisigen Kälte der
nördlichen Jerall-Berge, wollte gegen riesige Bären und Wölfe kämpfen,
ein Leben führen, welches mich forderte. Als siebzehnjähriger hielt ich
mich für reif genug alleine die Welt zu entdecken. Ich hinterlies keinen
Abschiedsbrief, sondern schlich mich des Nachts mit wenigen
Goldstücken, etwas Proviant und meinem Familienerbstück, jenem
magischen Ring meines Vaters das Haus meiner guten neuen Familie.
Ich behalte sie immernoch in guter Erinnerung. Als ich die Stadtore
Leyawins passierte, eröffnete sich mir eine fantastische Welt, voller
Gefahren und Abenteuer. Ich folgte einfach den Straßen in Richtung
Norden, vorbei an tosenden Wasserfällen, reißenden Flüssen, riesigen
Wäldern, ich durchquerte Stätte, die ich sonst nur aus meinem Unterricht
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in der Magierschule Leyawins kannte, bewunderte die Metropolen auf
meiner Reise, kam auch in die Kaiserstadt und war erschlagen von ihrer
ungeheuren Größe. Neun Bezirke, jeder so gewaltig wie manche Stadt
Cyrodills. Als kleiner Junge unter der Obhut meiner Mutter kam ich nie
über die Stadtmauern meiner Heimat Cheydinahl hinaus. Nun befand ich
mich in einer Welt, die sich mit meinen Träumen deckte. Ich dachte
selten an meine Mutter, an meine Gasteltern. Ich dachte häufig an
meinen Vater. Ich wollte es ihm gleichmachen und tat es. In der
Kaiserstadt lies ich mich im Umgang mit der Klinge schulen und musste
dafür meinem Lehrmeister, dem Arenahelden „Grauprinz“, einem
gewaltigen Ork von 58 Jahren, mit Muskelbergen wie einst sie mein
Vater besessen haben soll, einem grimmigen, grünem Antlitz voll tiefer
Furchen und einer silbernen, abgenutzten Rüstung, als Gehilfe dienen.
Ich lernte die Schmiedekunst, den Kampf mit Schwert und Schild. Ich
wurde in Athletik und Akrobatik eingewiesen. Mein Lohn in Geld war
gering. Mein Lohn im geistigem Sinne gewaltig. Ich fühlte die
Erhabenheit, die ein Kämpfer hatte wenn er in voller Ausrüstung durch
die Straßen stolziert, vom Volk bewundert.
Ich wohnte auch im Anwesen des Grauprinzen. Er war ein begnadeter
Kämpfer und hatte meine Hochachtung, gerne lauschte ich den
fantastischen Geschichten aus seiner Laufbahn vom Kampfhund in der
Arena bis zum erhabenen Großmeister. Grauprinz schien keine Angst zu
haben. Ich fand es bemerkenswert, wie jemand mit Verstand, selbst
wenn er ein Vertreter der Rasse der Orks war, sein Leben in einem
Kampf in der Arena aufs Spiel setzen konnte. Er schien keine Angst zu
haben, genau wie mein Vater, ich erinnere mich noch klar an jene
Worte, die er mir in einer Unterrichtseinheit gab: „Lucius: Unterschätze
nie deinen Gegner, wenn du Angst hast, wirst du verlieren. Wenn du
keine Angst hast, verlierst du ebenfalls. Bewege dich immer zwischen
beiden Extremen, es ist so oft im Leben, dass die Mitte allein der
goldene Weg ist.“. Ich genoss die Ausbildung und hielt Grauprinz für
einen geeigneten Ersatzvater, so war mein Entsetzen groß, als er an
jenem Tag kurz vor meinem 22. Geburtstag schwer verletzt aus der
Arena getragen wurde. Ein Neuling hatte ihn geschlagen. Seine letzten
Worte waren: „Jeder vermiedene Kampf ist ein gewonnener Kampf.
Wenn du die Wahl hast, wähle das Leben.“ Darauf starb er und mit ihm
meine Existenz. Ich wollte nie ein Arenakämpfer werden, sondern nur
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einige Grundkenntnisse des Kampfes erlernen, aber jetzt war meine Wut
auf diesen Dunkelelfen Shetma Abelmawia, den Henker des
Grauprinzen nichtmehr in Worte zu fassen. Er hatte mein Leben zerstört,
mitten in der Ausbildung, auf dem Weg zu meinem Traum folgte dieses
jähe Erwachen. Ich wollte Rache. Blutrache. Gleich am nächsten Tag
meldete ich mich freiwillig in der Arena, als Kämpfer. Und ich hatte
Glück. Es herrschte Mangel und ich wurde direkt genommen für einen
Zweikampf mit jenem in meinen Augen niederträchtigem Dunkelelfen.
Ich hatte keine Angst vor dem Kampf. Ich zog meine Rüstung an, die ich
vom Arenameister bekommen hatte und ignorierte alle Warnungen aus
seinem langen Leben. Als Waffe wählte ich ein einfaches Langschwert
aus Feineisen und ein leichtes Lederschild, ganz so, wie mein Lehrer es
tat. Auf dem Weg hoch in die Kampfgrube der Arena kam ein Gefühl in
mir hoch. Ein Gefühl von Selbstzweifeln und blindem Hass. Heute
würde ich es als Angst bezeichnen. Und es schien richtig zu sein. Ich
hatte damals Angst. Ich konnte meine Angst aber durch die Motivation
meinen Lehrer zu rächen zügeln und trat dann doch selbstbewusst in den
Sand im Herzen der Arena. Und von innen sah das Gebäude noch einmal
so imposant aus. Die Sonne stand hoch und warf nur kleine Schatten, die
Ränge waren überfüllt von Zuschauern, die gierig waren Blut zu sehen.
In den vorderen Reihen, unter einem Sonnenschutz im kühlen Schatten
die reichere Bevölkerung, zu dem auch die Sippe der Abelmawias
gehörte (ich verstand nie, wie der Sohn einer reichen Familie in der
Arena kämpfen konnte, dabei hätte ich nur einen Blick auch mich selbst
werfen müssen), weiter oben johlende und schreiende Mengen, eine
Musikkapelle spielte auf Trommeln dumpfe und eintönige
Marschmusik, die allerdings enorm motivierend wirkte. Mit langsamen
Schritt bewegte ich mich in die Mitte der Arena, schwitzte unter dem
engen und heißen Harnisch aus Eisen und meinem mit Metall
verstärktem Lederhelm. Als Herausforderer wartete ich als erster auf
meinen Gegner, der vom Arenasprecher unter lautem Applaus und
Geschrei aufgerufen wurde. Das Tor, gute 30 Meter vor mir öffnete sich,
und es kam eine Gestalt wie ich sie mir vorgestellt hatte, wie meine
Mutter es mir immer erzählte. Ein garstiges Gesicht mit dunkelblauer
Haut, rötlichen Augen, schwarzen Haaren und einem durchdringendem
Blick. Seine Ohren schauten seitlich aus dem Helm und waren spitz
zulaufend.
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Zu meiner Verwunderung trug er nur einen leichten Harnisch aus Leder,
wie es die Jäger taten. In seiner rechten Hand dafür ein massiver,
kunstvoll verzierter Eisenschild der kaiserlichen Legion und in der
kräftig wirkenden linken Hand eine Axt. Er schien mir gebrechlich und
schwach, ich konnte nicht nachvollziehen wie ein solcher den
Grauprinzen schlagen konnte und witterte Betrug vonseiten der reichen
und mächtigen Familie. Meine Gefühle begannen sich zu überschlagen
während er sich mir langsam näherte und in die Mitte in den großen
Kreis trat, innerlich kochte ich, nichtnur durch die Hitze der gleißenden
Sonne, mein Kopf spinnte Gedanken von gezielter Vergiftung oder
einem Anschlag um diesem jungen Burschen Ruhm und Ehre zu
bringen. Während der Arenarichter auf uns zukam, zeigte Shetma mir
ein abfälliges Grinsen, niederträchtig wie ich ihn empfand. Und da
verlor ich die Kontrolle über mich, lange bevor der Arenarichter das
Signal zum Beginn des Kampfes gab, zog ich mit einem lauten Schrei
auf Shetma zurennend mein Schwert, jener war entsetzt, versuchte mich
mit einem gezieltem Schlag mit seiner Streitaxt zu überwältigen, doch
ich parierte seinen Angriff und dessen Waffe blieb im Schild hängen,
diesen Moment der doppelten Überraschung nutze ich um mit einem
Ruck seine Verteidigung zu durchbrechen und zu einem Schwerthieb
auszuholen, der ihn zu Boden beförderte, obwohl Shetma verzweifelt
versuchte mit seinem Schild zu blocken. Mein Blut und mein Herz
waren gefroren, ich schaute mich einen kurzen Moment um, versuchte
die Eindrücke zu verarbeiten, die schreiende und schockierte
Menschenmasse, die Wachen und Richter, die auf mich zugerannt
kamen, meinen Gegner, der am Boden lag. Mir blieben lediglich
Sekunden um etwas zu tun, ich holte aus und verletzte Shetma am Bein,
blockte mit meinem Schild den wütenden Arenarichter ab und
schleuderte mein Schwert in Richtung Tribüne, wo der Rest der Familie
saß und nicht fassen konnte, was passierte. Einen Moment später traf
mich etwas am Kopf und ich fiel bewusstlos zu Boden. Eine der Wachen
hatte mich mit einer Keule kampfunfähig geschlagen.
Nach einem kurzen Gerichtsverfahren direkt nach meinem Aufwachen
wurde ich in das kaiserliche Gefängnis der Kaiserstadt gesperrt. Dies
sollte also meine Heimat für die nächsten zehn Jahre werden. Und all
jenes am 22. Geburtstag. Mein Leben war also vorbei, bevor es wirklich
begonnen hatte. Ich vergoss bittere Tränen in meinem Kerker und
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konnte nicht fassen, was ich getan hatte. Wieder dachte ich an die letzten
Worte meines Lehrers.
Genau wie jetzt, drei Jahre später auf diesem Gefangenenschiff nach
Morrowind. Niemand wusste, was mit mir geschehen würde, doch
befürchte ich von der Familie, die wie ich vor kurzem erfahren durfte
Mitglied der fürstlichen Familie der Telvanni und auf Morrowind
heimisch waren. Diese vierte Nacht auf dem Schiff verfolgten mich
Alpträume und eine ungeheure Angst vor der Zukunft, die mir vor
wenigen Jahren noch gänzlich fehlte. Unter diesen Gedanken kam ich
dann irgendwann, es war wohl kurz nach der letzten Nachtwache, zur
Ruhe, während das Schiff einsam im Sturm dahinschaukelte.
Ich träumte von einem Neuanfang, glaubte an das Gute, befürchtete
meinen Untergang.
Unsanft wurde ich aus meinen Träumen geweckt, ein Wachtmeister
schrie mit seiner durch Mark und Bein gehenden Stimme, dass ich
gefälligst aufstehen sollte:
„Gefangener Lucius Mara, wir haben die Küste von Morrowind erreicht,
hier steigt ihr jetzt aus.“
Plötzlich war ich hellwach. Wie lange ich wohl geschlafen hatte? Im
Unterdeck gab es keine Fenster und keine Uhren. Ich hatte keinerlei
zeitliche Orientierung als die verhängte Nachtruhe. Während die Wache
den Zellschlüssel suchte und mir die Tür öffnete, schossen mir
verschiedenste Gedanken durch den Kopf, gleich würden sich meine
Befürchtungen bewahrheiten oder meine Hoffnungen verwirklichen. Der
Wachtmeister zückte sein Schwert, ich wunderte mich, dass er zur
Treppe deutete, mir aber keine Handschellen anlegte: „Los, aufs Deck.
Und keine Mätzchen.“ Ich ging also die Treppe hoch zum ersten
Unterdeck, den Gang weiter, vorbei an den Quartieren der Wachen,
immer den Wachtmeister mit seiner Waffe im Nacken. Schließlich kam
ich an die Tür zum Deck. Endlich wieder frische Luft und eine Spur
Freiheit, der Kerkermeister deutete bloß mit einer Handbewegung auf
die Tür: „An Deck, lassen wir das so friedlich wie möglich ablaufen“.
Sollten sich meine Ängste bewahrheiten?
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The Elder Scrolls III
Morrowind
Kapitel 2 – Nicht bloß eine Überraschung
Langsam, Schritt für Schritt ging ich die wenigen Treppenstufen bis zur
Falltür hoch. Da ein Geländer fehlte, hielt ich mich gebückt an den
Stufen fest, legte meine Hand an den Türgriff und stieß sie mit einem
Ruck auf. Sofort musste ich mir den Arm vor die Augen halten, die
Sonne blendete mich stark, während ein angenehmer Wind mir um den
Kopf wehte. Es war angenehm warm und ich war froh raus aus der Enge
des Schiffes zu sein.
Nachdem mein Blick über das Meer schweifte, sah ich links von mir den
Anleger und ein Dorf, welches über eine Brücke erreichbar war.
Vorsichtig kletterte ich die letzten Stufen hoch, bis ich sicher auf dem
Deck stand. Der Kapitän half mir schließlich auf:
„Geht über die Brücke in das Büro, der Soldat dort am Anleger wird
euch weitere Anweisungen geben.“ Ich atmete erstmal tief durch.
Vorerst keine Dunkelelfen vom Hause Telvanni. Da das Schiff direkt
weiterfahren sollte, ging ich über die Brücke und betrat endlich wieder
festes Land. Der Soldat, von dem der Kapitän gesprochen hatte, stand
tatsächlich dort und erwartete mich. Mit etwas unsicherem Schritt ging
ich auf ihn zu, trotz der ersten Erleichterung.
„Folgt mir ins Büro. Dort kümmern wir uns um die weiteren
Formalitäten.“
Der Soldat ging vor und öffnete mir die Tür vom Gebäude des
Steueramtes. Die Architektur hatte tatsächlich Ähnlichkeit mit den
Gebäuden in Anvil, von wo ich nach Morrowind ausgeschifft wurde.
Weiße Kalkwände, kleine Fenster und Reetdächer.
Ich betrat also das Büro der Zensuskommission, wo mich ein
kaiserlicher in reiferem Alter bereits zu erwarten schien. Er hatte ein
fahles Gesicht, nur noch wenige Haare, trug ein braunes Gewand und
saß auf einem großen Stuhl hinter einem noch größerem Tisch voller
Schreibfedern und Dokumente. Der Raum war schwach beleuchtet von
einigen Kerzen an den Wand, die von Wandteppichen geschmückt
waren. Die Dielen des Bodens knarrtem bei jedem Schritt. Ich ging an
den Tisch heran und setzte mich unter der Beobachtung zweier Soldaten
auf einen Stuhl.
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„Seit gegrüßt, Fremder. Hier ist das Amt der Zensus- und
Steuerkommission von Seyda Neen. Mein Name ist Socicus Ergalla, ich
bin der Leiter dieses Büros. Mal sehen was wir da haben.“ Socicus nahm
vom Soldaten eine Schriftrolle entgegen und studierte sie mit
angespanntem Blick. Als er fertig zu sein schien, blickte er mich
entgeistert an „Eure Unterlagen sind leider unvollständig. Woher stammt
ihr, was wünscht ihr hier in Morrowind zu tun?“
Die Frage verwunderte mich. Warum wusste die Zensuskommission
nichts Näheres über mich als meinen Namen? Hat das einen
Zusammenhang mit meiner plötzlichen Entlassung? Steckte das Haus
Telvanni dahinter?
Ich räusperte mich: „Mein Name ist Lucius Mara, ich bin ein
kaiserlicher aus Cyrodill. Man hat mich aus dem Gefängnis der
Kaiserstadt hierher gebracht, mehr weiß ich leider nicht.“ Die Augen
von Socicus wurden größer. Er schien etwas verstanden zu haben,
lächelte leicht und fragte wiederum: „Unter welchem Sternzeichen
wurdet ihr geboren?“
Die Antwort war mir wohlbekannt, denn nach dem Glauben meines
Vaters beeinflusste das Firmament unser Schicksal: „Im Zeichen des
Kriegers.“
Socicus lächelte nun wirklich mit seinem alten Gesicht voller Falten. Er
wusste mehr als ich:
„Was soll ich nun machen? Hat das Haus Telvanni etwas mit den
Ereignissen der letzten Tage zu tun?“
Socicus Blick wurde wieder ernster, er schüttelte heftig den Kopf.
„Nein, Kaiserlicher. Ihr wurdet auf direkten Befehl des ehrenwerten
Kaisers Uriel Septim VII. aus dem Gefängnis entlassen.“
Die Antwort von Socicus erleichterte vielleicht mein Gewissen, stiftete
aber im Endeffekt nur noch mehr Unruhe in mir. Warum sollte mich der
Kaiser höchstpersönlich aus dem Kerker freilassen. Es kam Angst in mir
hoch. Vielleicht sprach Socicus nicht die Wahrheit. Mein Blick
schweifte durch das Büro. Hinter dem Zensusmeister war ein Schrank
voller Silbergeschirr. Daneben eine Karte Morrowinds, wie ich sie noch
aus der Unterrichtszeit kannte. In der Mitte fiel mir das große und hohe
Gebirge auf, im Zentrum davon die Stätte des Gottes Dagoth Ur: Der
rote Berg. Jener Ort, an dem mein Vater den Tod fand. Um den Berg
herum wurde die Mauer wohl endlich fertiggestellt, auf der Karte trägt
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sie den sonderbaren Namen „Geisterwall“. Ich versuchte mich irgendwie
von der Vergangenheit abzulenken und schaute etwas weiter südlich.
Dort fand ich auch Seyda Neen, an der Südküste Morrowinds. Ein
denkbar ungünstiger Ort, wenn das Fürstenhaus Telvanni, dem der Osten
Morrowinds untertan war, eine Rechnung mit einem Gefangenen zu
begleichen hatte. Ich fühlte mich langsam etwas sicherer. Nachdenklich
fragte ich: „Was passiert nun mit mir?“
Socicus nahm die Schreibfeder in die Hand, tunkte sie in das Tintenfass
und unterschrieb eine Schriftrolle, auf der ich meinen Namen finden
konnte.
„Ihr seid nun ein freier Mann, tut, was ihr möchtet, Kaiserlicher. Nehmt
einfach diese Papiere mit und zeigt sie dem Hauptmann dieser Wache,
Sellus Gravius. Er befindet sich im Nachbarbüro. Der Soldat an der Tür
wird euch den Weg zeigen, Sellus hat weitere Befehle für euch, die ihr
befolgen solltet.“
Mein Atem stockte. Ich wurde tatsächlich freigelassen. Nach lediglich
drei Jahren in Gefangenschaft. Direkt vom Kaiser, der mir lediglich ein
paar Befehle gegeben hatte.
„Nun wünsche ich euch eine gute Reise. Wendet euch bei Fragen an uns
oder die Bevölkerung. Und seit gewarnt: Die Umgebung ist gefährlich.“
In meiner Freude überhörte ich das letzte Wort fast, ich konnte kaum
glauben freigelassen zu werden und nahm meine Entlassungspapiere
triumphierend in die Hand und stand auf, um mich von Socicus zu
verabschieden. Der alte Mann lächelte mir zu und erinnerte mich noch
einmal an den Soldaten, der mir den Weg zu Sellus Gravius zeigen
sollte. Dafür folgte ich dem Gang ins andere Büro, wo am Ende bereits
der erwähnte Soldat stand. Er beschrieb den Weg ins Büro von Sellus
Gravius und öffnete mir die Tür. Nachdem ich durch die Turschwelle
getreten war, schloss er sie wieder direkt hinter mir ab. Etwas
verwundert ging ich weiter, bog rechts ab und fand dort in einem hell
erleuchtetem Raum ein festliches Bankett. Die Räumlichkeiten waren
beängstigend leer, die Tür hinter mir abgeschlossen, die Tür in der Ecke
des Esszimmers führte nach draußen. Auf dem Esstisch lagen teils
vertrauete, teils unbekannte Köstlichkeiten auf silbernen Tellern. Neben
einfachem Brot auch Krabbenfleisch, seltsam geformte, große Eier,
längliche Fleischstückchen. Daneben stand eine große Flasche Flin, der
Weinbrand, für den Morrowinds bekannt ist. Eine einzige Flasche
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kostete 500 Goldstücke in Cyrodill. Etwas verleitete mich aus der
Flasche zu kosten. Da mir aber noch der Besuch bei Sellus Gravius
bevorstand, stecke ich die Flasche ein. Vielleicht würde ich sie zu Geld
machen können. Mit schnellerem Schritt ging ich dann zur Tür nach
draußen, frische Meeresluft begrüßte mich und die Sonne schien. Gleich
rechts war auch schon die Tür zum Büro des Hauptmannes, eine andere
Möglichkeit hatte ich nicht, denn der kleine Garten, in dem ich mich
befand, war durch eine Mauer vom Dorf abgetrennt. An der Tür zum
Büro bemerkte ich einen seltsam glitzernden Gegenstand, bei näherer
Betrachtung entpuppte er sich als ein verzauberter Ring.
Unglücklicherweise haben meine Magiekenntnisse während des
Aufenthalts im Kerker sehr gelitten, deshalb steckte ich ihn erstmal ein.
Ich klopfte an die Tür zum Büro des Hauptmannes und ein Soldat
öffnete mir. Ich zeigte ihm meine Papiere und er bat mich
hereinzukommen, der Hauptmann erwartete mich bereits. Das Büro
ähnelte im Aufbau dem der Zensuskommission, edle Tische und Stühle,
Wandteppiche und Schränke. Tatsächlich wartete Hauptmann der
Küstenwache von Seyda Neen, Sellus Gravius bereits auf mich. Sein
Anblick war eindrucksvoll: Ein goldener Harnisch samt dazugehörigen
Beinschienen und Stiefeln, dadrunter ein wertvolles Hemd aus Seide.
Sellus war ein eher junger Kaiserlicher und schon in jungen Jahren zur
kaiserlichen Legion gekommen, er brachte es dort immerhin bis zum
Hauptmann und koordinierte nun die Küstenwache in Seyda Neen: „Ihr
müsst Lucius Mara sein. Nehmt bitte Platz.“. Ich folgte seiner
Aufforderung und setzte mich hin, obwohl ich mich in meiner
schmutzigen Kleidung etwas unwohl fühlte:
„Ja, das bin ich. Sorcicus Ergalla hat mich zu euch geschickt, ihr habt
Befehle für mich?“.
Der sympathische Hauptmann lächelte leicht und nickte: „Richtig, ich
habe vom Kaiser Uriel Septim VII. ein Schreiben bekommen. Er
wünschte eure sofortige Freilassung, außerdem bekommt ihr noch ein
Entlassungsgeld von 87 Draken, der üblichen Währung Morrowinds und
diesen Zettel mit Anweisungen für euch. Verliert ihn unter keinen
Umständen. Außerdem bittet euch der Kaiser in Balmora, der nächsten
größeren Stadt nördlich von hier einen gewissen Caius Cosades zu
treffen. Überreicht ihm diesen versiegelten Umschlag.“
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Hauptmann Sellus übergab mir das Geld und die Schreiben, etwas
verwundert steckte ich die Dinge ein: „Wisst ihr, warum der Kaiser
meine Freilassung wünschte?“
Der Hauptmann zuckte mit den Schultern und zögerte einen Moment:
„Das hat mich nicht zu interessieren. Das Bündel, welches ich euch eben
überreicht habe ist alles, was ich weiß und habe.“
Die Antwort enttäuschte mich. Scheinbar war es ein einfacher Zufall,
durch den ich frei geworden bin, vielleicht hatte der Kaiser erkannt, dass
ich unschuldig war. Oder zumindest keine zehn Jahre verdient hatte.
Eine Welt stand mir also offen, um sie zu erkunden.
Das Schicksal schien es wohl doch gut mit mir zu meinen, vielleicht
könnte ich hier in Morrowind doch ein neues Leben anfangen: „Wisst
ihr, was ich hier in Seyda Neen tun kann?“ Der Hauptmann fasste sich
an die Stirn, schien nachzudenken: „Seyda Neen ist ein kleines und
unbedeutendes Dorf. Arbeit gibt es hier keine, höchstens private
Aufträge von den wenigen Einwohnern. Versucht es bei „Arrilles
Handelshaus und Taverne“, dort könntet ihr einen Anfang machen. Und
wenn ihr schon dabei seit: Ein Mitglied der Zensuskommission wird
vermisst, Processus Vitellius. Vielleicht könntet ihr herausfinden was
ihm zugestoßen ist und wo er sich befindet. Es winkt viel Geld. Leider
fehlen uns einige Wachen und es kursierte das Gerücht, dass in der
Höhle „Adamasartus“ nördlich von Seyda Neen Banditen hausten. Wenn
ihr diese beiden Aufträge erledigen könnt, bekommt ihr.....“
Der Hauptmann zögerte, scheinbar waren es doch Aufträge von höchster
Priorität: „Ich wäre zufrieden mit einer Antwort auf die Frage, warum
ich hier bin.“
Der Hauptmann schüttelte nur heftig den Kopf und nahm einen Schluck
aus der Flasche Mazte, die neben ihm stand. Er bot mir ebenfalls an zu
kosten, ich verzichtete aber: „Da kann ich euch nicht helfen, aber mit
1000 Draken kann ich dienen.“
Ich erschrak. Auch wenn ich die Währung Morrowinds nicht kannte,
klang das nach viel Geld:
„Ich werde sehen, was sich machen lässt.“
Der Hauptmann schaute zufrieden: „Meldet euch bei mir, wenn ihr mehr
wisst. Und jetzt wünsche ich euch alles gute, ich habe noch viel zu tun.
Lebt wohl.“
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Ich verabschiedete mich von Hauptmann Sellus Gravius und war
zuversichtlich, dass wir uns bald wiedersehen. Der Soldat an der Tür, der
unser Gespräch verfolgt hatte, führte mich zum Ausgang.
Ich war frei. Frei. Nach drei Jahren Kerker war ich endlich wieder frei.
Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Die Nachmittagssonne setzte das
Dorfzentrum, auf das ich zuging in ein liebliches Licht. Von Dorf konnte
fast nicht gesprochen werden: Am Wasser standen einige Fischerhütten
und ein Leuchtturm, am zentralen Platz einige Wohnhäuser, der Kontor
und die Zensuskommission, Arrilles Handelshaus stand direkten neben
dem kleinen Fluss, der durch Seyda Neen floss und das Dorf in zwei
Hälften teilte. Auf der anderen Seite standen nurnoch wenige Häuser
und ein paar Wegweiser, neben einem riesigen Steim mit einer Treppe,
die hinaufführte aber ein merkwürdiges, großes Wesen. Es sah aus wie
ein riesiger Floh, nur etwas freundlicher. Da ich nicht wusste, was ich
machen sollte, sprach ich einfach den ersten Bewohner an, immerhin ein
kaiserlicher mit freundlichem Gesicht und Kleidung von gehobener
Qualität, allerdings ungewohnt warm für diesen warmen Tag, dichten
schwarzen Haaren und etwas traurigem Blick: „Seit gegrüßt. Ich bin neu
in Seyda Neen. Könnet ihr mir erklären, was das für ein seltsames Tier
dort auf der anderen Flusseite ist?“
Der Einwohner runzelte die Stirn: „Ihr kennt keine Schlickschreiter? Seit
ihr nicht heimisch in Morrowind?“ „Nein“, antwortete ich, „ vor
wenigen Tagen war ich noch in Cyrodill.“
„Ah, auch meine Heimat. Schlickschreiter sind große Tiere, die ihr in
Morrowind überall finden könnt. Ihre großen Panzer auf dem Rücken
werden ausgehöhlt und dienen als Transportmittel. Schnell und günstig.“
Ich schöpfte Hoffnung: „Gibt es auch eine Verbindung nach Balmora?“
„Ja, die Schlickschreiterführerin kann euch nach Balmora, Gnisis, Suran
und Vivec bringen.“
Einzig der Name Vivec ist mir in Erinnerung aus meiner Schulzeit
geblieben. Diese Stadt soll an Größe sogar die Kaiserstadt, Hauptstadt
Cyrodills übertreffen können, außerdem hause dort der Schutzpatron
Morrowinds, der Halbgott Vivec.
Mir fiel auch wieder der vermisste Steuereintreiber ein. Processus soll er
geheißt haben:
„Wisst ihr etwas über Processus Vitellius? Ich habe gehört, dass er
vermisst wird.“
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„Ah, der....Der war sowieso ziemlich unbeliebt im Dorf. War immer
gnadenlos wenn es um Steuern ging. Ich habe gehört, er soll von der
letzten Steuereinziehung nicht zurückgekommen sein, vielleicht fehlte
jemandem das Geld, obwohl die meisten Bewohner Seyda Neens relativ
wohlhabend sind. Einzig die Fischhütten dort drüben, dort könnten
Bürger leben, die die Steuern nicht bezahlen könnten.“
Es klang logisch, was er mir erzählte. Allerdings dürfte diese eine
Information nicht reichen. Darum beschloss ich mich in Arrilles
Handelshaus umzuhören:
„Bevor ich gehe....wie war noch gleich euer Name...?“
„Vodunius Nuncius, wart ihr bereits auf der Insel Solstheim?“
Der Name kam mir bekannt vor, im Unterricht und auf der Karte im
Büro der Zensuskommission war ich ihm begegnet: „War das nicht die
große Insel nordwestlich von Morrowind? Das Klima muss dort rau sein,
sie liegt noch nördlicher als die Jerall-Berge und Bruma in Cyrodill.“
Vodunius schaute mich nachdenklich an und starrte auf Boden: „Mein
Sohn wurde dorthin gebracht, in die Eisfalter-Festung. Als Gefangener.
Das Gefangenenschiff, welches vor kurzem in Seyda Neen anlegte fährt
direkt dorthin weiter, ich fahre mit.“
Solstheim war also eine Gefängnisinsel, und unter Umständen wäre ich
dort ebenfalls gelandet. Irgendetwas zog mich auf diese verlassene Welt,
regiert von Schnee und Eis. Voller Gefahren und auch Abenteuer. Ich
nahm mir fest vor irgendwann in meinem Leben der Gegend einen
Besuch abzustatten: „Wäre ich länger hier, ich würde mitkommen. Aber
da es nicht so ist, wünsche ich euch alles gute.“
Vodunius lächelte etwas wehmütig: „Achtet auf die Wachen: Solange
ihr nicht der Kaiserlichen Legion angehört werfen sie immer ein
misstrauisches Auge auf euch. Aber jetzt muss ich los. Das Schiff wartet
nicht. Lebt wohl.“
Mitten im Satz drehte er sich um und ging zum Anleger von Seyda
Neen, mit zielstrebigem, aber auch verträumtem Schritt, den Kopf zur
Erde gesenkt. Was sein Sohn wohl auf der Eisfalter-Festung tat?
Während an mir einige Einwohner vorbeigingen, die meisten wohl
einfach nur aus Langeweile unterwegs, dazu noch die Wachen des
Dorfes, im Harnisch der kaiserlichen Legion, einem Legionsschild und
dem Legions-Breitschwert ausgerüstet, immer bereit Unruhen
abzufangen. Ich fühlte mich sicher, schließlich waren es wie ich
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Anhänger der zivilisierten Rasse des Kaiservolkes. Seyda Neen war ein
Stützpunkt der Legion, der südlichste Morrowinds, beinahe nur von
Kaiserlichen bewohnt. Mir schwante übles, wenn ich an die heimische
Rasse dachte, die dieses Land bewohnte, die Dunkelelfen, vorallem die
heimischen Dunkelelfen, daneben noch viele andere Rassen aus dem
ganzen Kontinent Vvardenfall: Bretonen, Rothwardonen, Bosmer,
Hochelfen, Orks, Zwerge.
Morrowind war ein Schmelztiegel der Rassen und Kulturen, wenigstens
vier größere religiöse Gruppierungen waren vertreten, zwei nur offiziell
in jeder größeren Stadt. Ich fühlte mich noch irgendwie heimisch. Noch
war ich fast zu Hause. Und noch immer hatte ich einen Auftrag. Einen
übergeordneten Auftrag. Warum bin ich hier?
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The Elder Scrolls III
Morrowind
Kapitel 3 – Ein weiterer Schicksalstag
Mittlerweile hatte ich das ganze, überraschend kleine Gebiet Seyda
Neens erkundet, einige Gespräche geführt und bekam doch meist den
Hinweis, in Arrilles Handelshaus zu schauen, auch um herauszufinden,
wo in Balmora ich Caius Cosades finden könnte. Die meisten Einwohner
empfahlen mir es in einer der dortigen Tavernen zu versuchen,
vorzugshalber der Taverne „Südwall“ und der Ratstaverne. Da es dunkel
wurde und ich einen Schlafplatz brauchte, ging ich zu Arrille´s.
Es war das mit Abstand größte Gebäude Seyda Neens mit zentraler Lage
direkt am Fluss, der Seyda Neen teilte, stand auf einem festen Sockel aus
Stein, besaß seltsamerweise keine Fenster und obwohl eine Wandseite
zum zentralen Platz zeigte, war dort keine Tür. Über einen Steg war der
Eingang auf der gegenüberliegenden Seite zu erreichen, ein großes
Schild auf Höhe knapp über meine Kopf zeigte, dass ich richtig war:
„Arrilles Handelshaus – Taverne und Händler“. Die massive Tür lies
sich nur schwer öffnen und wieder schließen. Sofort kam mir der Duft
von frischem Gebäck, Flin und anderen Leckereien entgegen, ich bekam
Appetit auf etwas Krabbenfleisch. Die untere Etage war nur schwach
ausgeleuchtet, rechts und links von mir waren Schränke voller
Gegenstände, in der Ecke eine Treppe ins zweite Geschoss, von dem
Gejohle, Lachen und Geschrei zu verhören waren, hinter einem Tresen,
auf dem Waren präsentiert wurden schien der Namensgeber dieser
Einrichtung zu stehen. Ein Altmer mit gelber Haut und orangem Haar,
Schlitzaugen und spitz zulaufenden Ohren, bekleidet in einem edlen
Gewand aus wertvollen roten Stoffen. Sein leichtes Lächeln wirkte
erhaben: „Willkommen, Fremdländer. Was kann ich für euch tun?“. Die
Bezeichnung „Fremdländer“ missfiel mir. Allerdings hatte man mir
erzählt, dass nicht heimische hier gerne als Mutsera oder „Fremdländer“
abgestempelt wurden.
Die Bräuche der Dunkelelfen waren mir nicht geheuer, erschienen mir
im Vergleich zum Kaiservolk primitiv und altertümlich. Sie beteten
seltsame Götter an, Wesen wie den Halbgott Vivec, den Herren der
Schreibkunst und Schutzpatronen Vivecs, Azura, die Götin des Wassers
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und des Firmaments, oder Nerevar, den Schutzbefohlenen Morrowinds
und Kriegsfürsten aller Götter.
Morrowind war voller Mythen und Prophezeiungen. Ein
Nebelgeschwader schien diese Insel zu umgeben. In Arrille zeigte sich
vieles, was ich von Morrowind zu wissen glaubte, auch wenn er
glücklicherweise kein Dunkelelf war:
„Seit gegrüßt, ich bin Lucius Mara und neu in Seyda Neen. Mir fehlt
eine Bleibe für die Nacht, außerdem suche ich nach Informationen und
möchte handeln.“
Als wolle er mich umarmen, strecke Arrille seine Hände aus und grinste
etwas zynisch:
„Ahhhh, ein Kenner. Hier seit ihr richtig. Vielleicht stelle ich mich vor?
Ich bin Arrille und Betreiber dieses Hauses, dem einzigen Ort der
Geselligkeit in ganz Seyda Neen. Ich kaufe und verkaufe die
verschiedensten Dingen zu guten Preisen. Glaubt mir: Günstiger als in
der Stadt....(irgendwie konnte ich Arrille glauben, er hatte einen guten
Ruf in Seyda Neen)...Oben im zweiten Geschoss betreibe ich außerdem
eine kleine Taverne, sie ist gerade gut besucht. Ihr bekommt regionale
und überregionale Getränke, ein Zimmer ist ebenfalls noch frei.“
Ich war erleichtert: Die erste Nacht in Morrowind würde also nicht auf
einer kalten Wiese im Wald sein, und auch nicht in einem Kerker,
sondern in einem hoffentlich gemütlichem Zimmer in Arrilles
Handelshaus. Da fiel mir plötzlich wieder ein, dass ich lediglich 87
Draken, eine Flasche Flin, einen verzauberten Ring und immernoch nur
meine Gefängniskleidung bei mir hatte: „Wie viel kostet eine Nacht...?“
„Lediglich 10 Draken. Für eine Woche. Das wird selbst für euch
bezahlbar sein.“
Ich atmete auf. Die Nacht war also gesichert. Schnell bezahlte ich das
kleine Geld und konnte auch noch meine Flasche Flin für 90 Draken
verkaufen. Dank meines Verdienst waren ein Heiltrank und einfaches,
nur leicht angerostetes Kurzschwert erschwinglich. So war ich
wenigstens etwas ausgerüstet.
Den restlichen Abend verbrachte ich in der oberen Etage, trank etwas
Mazte und Greef, aß mein Krabbenfleisch mit Brot und konnte noch
einige Informationen erhalten:
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So gehörte der Ring, den ich gefunden hatte einen im Dorf bekannten
Betrüger, dem Bosmer Fargoth. Er soll einem örtlichem Jäger als
Trickbetrüger Geld gestohlen haben.
Ich wollte mit der Sache allerdings nicht noch mehr zu tun haben,
beschloss also lediglich den Ring als „Ausgleich“ zu behalten.
Außerdem erfuhr ich, dass in diesem Jahr die Steuern für einige
Bevölkerungsgruppen stark erhöht wurden und Processus seit über einer
Woche vermisst wurde. Die Hoffnung ihn lebend zu finden war gering.
Seine Frau, die ich heute ebenfalls schon besucht hatte, war verzweifelt.
Das Puzzle schien sich einfach aufzulösen. Einfacher als die Frage,
warum ich hier bin, in Morrowind. Einem fremden Land.
Die Nacht war trotz der Lautstärke in der Taverne erholsam, ich träumte
seltsame Dinge, von einem Mann auf einem Berg und einem Wesen mit
einer Maske aus Gold. Wahrscheinlich bloß Erinnerungen an meinen
Vater.
Ich wachte ausgeruht auf, der Morgen war wesentlich ruhiger als die
vorherige Nacht. Wie spät es wohl war? Mein bequemes Zimmer bot
keinerlei Orientierung, immernoch flackerten drei Kerzen auf dem
einfachen Holztisch, dem noch zwei rustikale Holzstühle Gesellschaft
leisteten. Neben dem Tisch eine Truhe, wo ich die Tränke und mein
Schwert verstaute. Der weitaus größte Teil des Raumes wurde von dem
großen und gemütlichem Bett eingenommen, welches mir eine gute
Nachtruhe bot. Vor dem Einschlafen hatte ich noch einen Plan
geschmiegt, höchstens eine Woche wollte ich in Seyda Neen bleiben und
dann in Balmora erst Caius Cosades suchen, dann in einer Gilde
anheuern. Die Legion war mein Wunsch. Ich müsste Hauptmann Sellus
Gravius fragen, ob irgendwo eine dauerhafte Arbeitsstelle gesucht
wurde.
Doch hatte das alles noch Zeit. Zuerst galt es herauszufinden, was mit
Processus Vitellius geschehen war, mit der Geldprämie hätte ich eine
Auffrischung meiner Kenntnisse im Kampfe finanzieren. Doch bevor es
soweit war, wollte ich einfach etwas Abstand von meiner neuen Heimat
Seyda Neen gewinnen: Ich wollte mich ausrüsten für mein letztes Geld
und die nähere Umgebung des Dorfes erkunden.
Mit noch etwas schweren Gliedern stand ich also auf, zog meine alte,
zerfledderte Kleidung an und öffnete die Truhe zu meinen Füßen. Die
rostige Klinge blickte mich an und weckte Erinnerungen. Der Griff war
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mit Holz griffiger und fester gestaltet, die Klinge länger als mein Arm
und relativ schmal, in einem matten silber aus einfachem Eisen. Etwas
Rost zierte die Schneide, die aber noch ausreichend Schärfe besaß. Ich
zerschnitt mir beinahe den Finger. Wie souverän ich einst war, als
Knappe des Grauprinzen, wie viel ich von ihm gelernt hatte. Es war so
selbstverständlich zu kämpfen, nun erscheint es mir fast schon fremd,
das Schwert ungewohnt schwer.
Ich nahm das Stück fest in beide Hände und fuchtelte etwas durch die
Luft. Ich war wieder in meinem Element, fühlte mich sofort wieder
verbunden mit diesem Instrument, welches so viel Macht verleihen
kann. Ich glaubte gerüstet zu sein, falls ein Tier nach meinem Fleisch
dürstete. Trotzdem nahm ich die Heiltränke mit und beschloss mir
zumindest einen Harnisch, Helm und Stiefel zu besorgen.
Die Taverne war leer. Auch die Kellnerin, die mir gestern freundlich und
hilfsbereit geholfen hatte, war nicht zu sehen. Die Stühle verwaist, die
Tische leer. Von der unteren Etage konnte ich Stimmen hören. Arrille
war anwesend. Ich schlenderte die Treppe runter. Es war tatsächlich
Arrille mit seiner Frau. Er fragte, ob ich gut geruht hätte und ich
bedankte mir mit einem „Ja“. Glücklicherweise konnte ich mit Arrille
gut feilschen. Für wenige Draken bekam ich einen alten Lederharnisch
mit Eisenelementen, einen nordischen Eisenhelm, Panzerhandschuhe
und verstärkte Lederstiefel. Mit dem Schwert im Gurt, den Tränken in
der Tasche und Mut im Kopf verlies ich Arrilles Handelshaus, folgte
dem Steg zurück zum Dorfplatz und ging nach Norden, über die Brücke,
die den Fluss überquerte, der Seyda Neen spaltete.
Die Sonne stand noch tief, es war frisch und windig. Mir wurde etwas
kalt in meiner dünnen Bekleidung, Seyda Neen war ausgestorbener als
sonst.
Am Ende des Weges eine Gabelung. Die Wegweiser waren in einer mir
unbekannten Schrift verfasst, wahrscheinlich Dunmerisch, die Sprache
der heimischen Dunmer, also der Dunkelelfen, wie sie sich selbst
nennen. Ich wählte den Weg nach links, da rechts die Schlickschreiter-
Station war, allerdings von der Führerin keine Spur. Die riesigen Tiere
waren mir nicht geheuer. Direkt vor mir erhoben sich einige Hügel, sie
waren zu steil zur Erklimmung. Die Landschaft erinnerte mich allgemein
an eine urzeitliche Gegend, überall riesige Bäume, unbekannte Pilze und
Wurzeln und mitten dadurch ein Weg, ungeplastert. Der Wind war
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allgegenwärtig. Wesentlich mehr bewunderte ich die riesigen Pilze auf
meinem Weg, die ähnlich hoch waren die die Bäume. Der Forst
Morrowinds unterscheidet sich stark von jenen in Cyrodill, die
wesentlich geschlossener und dichter, voller Fichten und Laubbäume
waren. Es dominierte eine einzige Baumart, daneben diese seltsamen
Pilze. Immer wieder kleine Rinnsaale und Tümpel, einige Landstriche
wirkten moorig und gefährlich, ich hielt mich auf der Straße und wollte
nicht mehr als einen Kilometer nach Westen. Ich erinnerte mich an einen
Bewohner, der mich vor „Höllenhunden“ warnte, hundeähnliche, riesige
Wölfe mit roten Augen und einem harten, grauen Fell. Ihre Krallen
sollen scharf wie die Klingen der kaiserlichen Wachen sein, ihre Zähne
jede Jägerrüstung durchbohren.
Oder von Kwama-Kriegern, seltsamen Monstern ohne einen Kopf, mit
kleinen Augen und bloß einem großen Maul am vorderen Teil des
Körpers. Normalerweise auf allen vieren laufend, können sie sich
aufstellen wie Bären und waren größer als mancher Bewohner
Morrowinds
Die Ruhe machte mir Angst.
Da links von mir der Strand und das Meer durch die wenigen Bäume
hindurch sichtbar war, bewegte ich mich vorsichtig dorthin, da jene
Kreaturen eher im Wald lebten. Außerdem dachte ich vielleicht eine
Schlammkrabbe oder einen Schlachterfisch zu finden, deren Innereien
ich verkaufen und zu Geld machen konnte. Ein Jäger hatte es mir gestern
in Arrilles Taverne erzählt. Seit einer Begegnung mit einem Rudel
Höllenhunde jagte er nurnoch an der Küste.
Schlammkrabben waren häufig in Morrowind. Eigentlich sahen sie aus
wie ein laufender Panzer, ihr eigentlicher Körper versteckte sich
gänzlich unter jenem kantigem Schutzpanzer aus Horn, nur sechs Beine
und ein Paar Scheren blicken heraus. Die Tiere sind mir aus meiner
Kindheit wohlbekannt. Mit meinem Vater zusammen erlegten wir einst
ein Exemplar, grillten das Fleisch nachher an einem Lagerfeuer und
beobachteten die Sterne, die Vorgeschichte zu jenem, was ich bereits
vorher erzählt hatte. Vielleicht finde ich eine solche Krabbe, dann wäre
mein Essen gesichert. Ich schlich durch das Gestrüpp zwischen Strand
und dem Weg, zwischen Bäumen und gewaltigen Pilzen, durch Gras und
Moos. Eine frische Brise kam mir entgegen, Vor mir erstreckte sich ein
unendlich langer Strand. Westlich entdeckte ich Seyda Neen, den
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Anleger, den Leuchtturm, Arrilles Handelshaus. Ich bewegte mich
langsam durch den weichen Sand, es war mittlerweile früher Vormittag
und ich beschloss mich etwas auszuruhen, obwohl ich bis jetzt recht
wenig getan hatte.
Ich lies mich einfach, vom angenehmen Wind umfächelt unter einem
tiefblauem Himmel, von dem die Sonne schien, in den Sand fallen und
schloss die Augen.
Beim tiefen Einatmen schmeckte ich das Salz in der Luft und fühlte, wie
sich ein Gefühl von Freiheit in mir ausbreitete, eine Spur dessen, was ich
immer fühlen wollte.
Ich reflektierte über die vergangenen Tage, dachte ein wenig an die
letzten drei Jahre im Gefängnis, an meinen majestätischen Abstieg vom
„Knappen“ zum Banditen und meiner Wiedergeburt hier in Morrowind.
Ich begann auch geistlich in dieser anderen Welt anzukommen. Ich
fühlte die Freiheit, die vor mir lag, das Abenteuer und die Gefahr. Über
ganz Morrowind verteilt sollen sich Gruften alter Familien befinden, die
dort ihre letzte Ruhestätte fanden. Ich malte mir die farbenprächtigsten
Geschichten von unermesslichsten Schätzen, nervenaufreibenden
Kämpfen und ruhmreichen Siegen aus, wie ich als Held gefeiert in die
Geschichtsbücher einginge. Ich träumte oft und sehr intensiv, nicht
selten erwachte ich mit einem Schrecken.
So wie an jenem zweiten Tag gegen Mittag während meiner Tagträume,
ich spürte ein Kneifen an meinem Fuß und blickte beim Erwachen in das
fürchterliche Antlitz einer grau-schwarzen Bestie mit tiefroten Augen
und drei scharfen Krallen an jeder der vier Pfoten. Es war ein
Höllenhund, ein vermutlich junges Exemplar. Aber wie bereits der
Grauprinz zu sagen pflegte: „Unterschätze niemals deinen Gegner“.
Während das Monster an meinem Fuß zugange war, zog ich vorsichtig
mein Schwert, bereit es in jedem Moment zum tödlichem Hieb
auszuholen. Mit einem Ruck zog ich mich über den Sand zurück und
sprang auf, erschrocken rannte der Hund los in Richtung Westen, ich
weiß nicht was mich dazu trieb, doch ich rannte ihm hinterher,
Schwertschwingend mit einem Kampfschrei wie ihn mein ehrwürdiger
Meister pflegte. Ich rannte wie ein tollwütiger Wolf dem
bemitleidenswertem Höllenhund hinterher, vorbei an schwimmenden
Schlammkrabben, Baumstümpfen. Durch eine Flussmündung bis zu
einem riesigen Stein mitten auf dem Strand. Die Bestie lief um ihn
22
herum und das Blut gefror in meinen Adern und in meinem Bauchraum
breitete sich ein stechendes Gefühl aus, als ein ausgewachsener
Höllendhund, mindestens acht Ellen in der Länge laut kläffend und
schnauffend vor mir stand. Es schien die Mutter zu sein.
Schützend hielt ich mein Schwert längs auf das Tier, um Abstand zu
halten, es schien angriffslustig zu sein, als würde es liebend gerne einen
Abenteurer wie mich in Stücke fetzen wollen. Ohne einen Schild fühlte
ich mich dem Tier schutzlos ausgeliefert, ich sah nur eine Möglichkeit:
Die Flucht ins Wasser.
Ich täuschte einen Hieb an, worauf der Höllenhund zurückzuckte, rannte
dann wie es mir meine Beine nur erlaubten in die Fluten, um mein
Leben, um meine Existenz, das Tier dicht hinter mir. Ich merkte schnell,
dass ich es nicht schaffen würde und es kam mir wieder jener Tag in den
Sinn, der mich hierher gebracht hatte, ohne zu zielen drehte ich mich
schlagartig um und schleuderte meine Klinge dem Tier entgegen,
welches tödlich getroffen zu Boden sank und unter lautem Gejaule
zugrunde ging.
Schweiß stand auf meiner Stirn. Angstschweiß, Schweiß der
Anstrengung. Ich lag den engen eisernen Helm im nordischen Stil, innen
gefüttert und mit Leder verstärkt ab und setzte mich in den warmen
Sand. Keine zwei Meter vor mir lag das Tier, viele Zentner schwer, mit
einer klaffenden Wunde am Hals und Bauch, daneben die blutige
Klinge.
Ich fühlte, wie sich meine Gefühle langsam wieder fassten und ich
wieder klarer denken konnte. Die Geschichten der verschollenen
Abenteurer kamen mir hoch, wie sie, von Höllenhunden überrascht,
überwältigt und getötet wurden. Und nun saß ich vor dem Kadaver eines
solchen Monsters, in notdürftiger Ausrüstung.
Neben etwas Mitleid für das Tier fühlte ich vorallem tiefen Stolz und
Genugtuung. Ich hatte meine erste größere Kampfprüfung bestanden.
Aber nur durch listiges Vorgehen, nicht durch einen ehrenhaften Kampf.
Ich bemerkte, wie sehr mich mein Verhalten vor über drei Jahren
beschämte, wie ich einst unehrenhaft gegen meinen Gegner kämpfte.
Nun wiederholte sich die Geschichte.
Die Sonne brannte hoch vom Himmel, es war ungewöhnlich warm für
diese frühe Zeit des Jahres. Da Fleisch der Höllenhunde sich verkaufen
lässt, Schnitt ich mit meinem Schwert einige Stücke heraus, wickelte sie
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mit den biegsamen „Ästen“ der ungewöhnlichen Pilzbäume zusammen
und trug sie auf dem Rücken mit. Der junge Hund war verschwunden.
Trotzdem sah ich mich nochmal etwas genauer an jenem großen Stein
um. Er war gräulich, unregelmäßig, sah aber sehr natürlich aus und
gehörte wohl hier zur Fauna. Dieses Werk der Natur beeindruckte mich
zutiefst, ich ging langsam und bewusst um den Stein herum, fuhr mit der
Hand über sein Relief.
Auf der gegenüberliegenden Seite stockte mein Atem wiederum. Aus
einem Hohlraum in diesem Stein blickte das Bein eines Kaiserlichen
hinaus, sein zweites Bein wurde wahrscheinlich von einem der
Höllenhunde angefressen. Eine böse Vorahnung beschlich mich.
Processus Vitellius war Kaiserlicher. Ich zog die Leiche aus dem
Hohlraum heraus und meine Ahnung schien sich zu Bestätigen. Jener
musste seit Tagen dort liegen, war gut gekleidet trug einen wertvollen
Ring.
In seiner Tasche fand ich einen Zettel, ich faltete ihn auf und meine
Ahnung wurde zur Gewissheit. Es war eine Liste mit allen Einwohnern
Seyda Neens und den Steuerbeiträgen, den sie an die Zensuskommission
entledigen mussten.
Ich war schockiert. Proecessus Vitellius war also tot.
Scheinbar hatten die Hunde ihn bei einem Spaziergang überfallen und
ermordet. Allerdings passte mir eine Tatsache nicht ins Bild: Processus
war seit über einer Woche vermisst, die Tat sollte also über eine Woche
her sein. Wieso sind die Hunde nicht über ihn hergefallen. Besser
gefragt: Was suchten zwei Höllenhunde am Strand, wo sie doch
eigentlich Bewohner des Waldes waren?
Ich lies mir die Gedanken immer wieder durch den Kopf gehen. Es sah
so sehr nach einem Unfall aus, aber wieso sollte sich ein Kaiserlicher,
der seit zwanzig Jahren in Seyda Neen heimisch war, sich an diesen Ort
verlaufen und von Höllenhunden angegriffen werden. Es ergab keinen
Sinn. Unweigerlich kam mir ein anderer Gedanke: Könnte es sein, dass
der allseits unbeliebte und harte Steuereintreiber ermordet wurde?
Ich schaute mir den Tatort noch einmal an. Tatsächlich war nirgendwo
Blut, bis auf das angebissene Bein mit frischen Wunden. Woran mag er
gestorben sein? Ich drehte den Leichnam um und meine Augen
fokussierten sofort eine Stelle an seinem Bauch, etwas rechts vom
Bauchnabel: Der Griff eines Dolches blickte heraus, die Geschichte
24
ergab Sinn: Processus wurde also ermordet, sein Leichnam hierher
geschafft und zog mit seinem Geruch die Höllenhunde an. Es schien also
alles sehr einfach abgelaufen zu sein. Der Mann tat mir Leid. Vielleicht
sollte ich den Fund Hauptmann Sellus Gravius melden, damit einige
Wachen das Gelände inspizierten.
Ich schob Processus Leichnam vorsichtig zurück in den ausgehöhlten
Stein, damit nicht wieder Höllenhunde oder Schlammkrabben sich an
ihm vergingen.
Der Rückweg nach Seyda Neen, höchstens eine Stunde Fußmarsch, war
von einseitigem Denken geprägt: Wer konnte Processus Vitellius
ermorden? Aufgefallen waren mir frische Spuren im Sand, die definitiv
nicht von mir stammten. Hatte mich jemand verfolgt? Ich kam mir
jederzeit unbeobachtet vor. Wer sollte von meinen Vorhaben wissen?
Schnell schweiften meine Gedanken aber wieder in Richtung Processus
ab. Vielleicht könnte mir die Steuerakte einen Hinweis liefern, sie war
neben dem eingezogenem Geld in einem Geldbeutel neben ihm der
einzige Hinweis. Ich rollte die edle Schriftrolle aus und war hocherfreut:
Kein Dunmerisch, gute Schrift eines Kaiserlichen.
Processus hatte die Namen derer, die schon bezahlt hatten angekreuzt,
ich konnte lediglich drei Namen ohne Kreuz finden, mit relativ hohen
Summen:
„Foryn Gilnith – 225 Draken“, „Eldafire – 130 Draken“ und „Fargoth –
111 Draken“.
Lediglich der Name Fargoth war mir bekannt. Im ganzen Dorf galt er als
Betrüger und Schlitzohr, aber für einen Mörder hielt ihn niemand.
Eldafire und Foryn Gilnith kannte ich nicht, mich wunderte lediglich die
hohe Summe an Steuergeldern, die jener zu entledigen hatte, die halbe
Summe dessen, was Arrille für sein Handelshaus und sein Anwesen
zahlen musste. Die für normale Bürger lagen bei ca. 100 Draken.
Im Moment gab es noch keine heiße Spur. Mir blieb lediglich übrig den
Vorfall Sellus Gravius zu melden. Mittlerweile war es schon später
Nachmittag und die ersten Fackeln im Ort wurden angezündet. Lediglich
Fargoth und ein mir unbekannter Altmer waren in den Straßen Seyda
Neens unterwegs. Ich fragte mich, wie Hauptmann Sellus Gravius auf
den Vorfall reagieren würde. Ich klopfte an die Tür des Zensus- und
Steueramtes und der mir wohlbekannte Wachsoldat öffnete mir die Türe.
Sellus saß wie beim letzten Treffen in seinem goldenem Harnisch an
25
seinem Schreibtisch und unterschrieb Formulare: „Seit gegrüßt
Kaiserlicher. Habt ihr etwas herausfinden können?“ Ich zögerte etwas,
musste meine Gedanken noch etwas ordnen:
„So ist es. Ich habe Processus Vitellius an einem Strand bei dem großen,
ausgehöhltem Felsen eine Stunde Fußmarsch nördlich von Seyda Neen
gefunden. Er würde wahrscheinlich ermordet, zumindest deutete ein
Dolch in seinem Bauch darauf hin, bei ihm lagen dieser Beutel mit
Goldstücken und eine Steuerakte“...(ich legte beides auf den
Schreibtisch, der Hauptmann blickte bestürtzt auf die Gegenstände, die
Processus Tod bewiesen, dann schien er sich wieder zu fangen).
„Interessant. Ein Mord in Seyda Neen. Habt ihr einen Verdächtigen?“
„Nicht direkt, aber seht in die Steuerakte. Eldafire, Fargoth und Foryn
Gilnith haben noch nicht bezahlt, und speziell Foryn Gilnith hat sehr
große Schulden bei der Steuerkommission. Könnt ihr mir etwas über die
drei berichten?“
Sellus stützte seinen Arm auf den Schreibtisch und den schwer
gewordenen Kopf darauf. Ich nahm Platz.
„Eldafire ist zur Zeit auf Studienreise in Dagon Fel, seht auf diese Karte,
ganz im Norden Morrowinds. Foryn Gilnith ist ein mittelloser Fischer
und wohnt in einem der Fischerhütten direkt neben der
Zensuskommission, soweit ich weiß, ist er hier.
Fargoth ist in der Ortschaft wohlbekannt. Nur fehlen uns die Beweise
dafür, dass er ein Betrüger ist. Ihr habt gute Arbeit geleistet. Nehmt
diese 500 Draken als Bezahlung. Auf den Mörder von Processus
verhänge ich mit sofortiger Wirkung ein Kopfgeld von weiteren 500
Draken. Wenn ihr ihn findet und er sich nicht stellen will, habt ihr das
Recht ihn zu töten.“
Ich konnte Sellus kaum folgen. In Morrowind waren tatsächlich
Kopfgelder und Hinrichtungen recht. Es musste sie nur jemand
wünschen. Als Henker fühlte ich mich unwohl. Sollte ich das wirklich
tun?
„Vielen Dank. Ich werde sehen, was sich machen lässt. Lebt wohl.“
Mit einem Handzeichen verabschiedete sich Hauptmann Gravius von
mir, ich verlies gedankenverloren das Gebäude. Ohne Gerichtsverfahren
hatte ich das Recht den Mörder des Processus Vitellius hinzurichten. Ich
hielt Fargoth nicht für einen Mörder. Sicher, er ist als Betrüger bekannt,
nicht aber als Mörder. Es passte nicht zu ihm. Also blieb lediglich Foryn
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Gilnith, der mittellose Fischer übrig. Ich konnte ihn nicht hinrichten.
Auch wenn ich mir sicher war, es fehlten Beweise. Meine Mutter warnte
mich immer den Assasinnen gleich zu morden, wie die „Dunkle
Burderschaft“ in Cyrodill oder deren Vertreter in Morrowind, die Morag
Tong. Man hatte mir erzählt, sie betrieben ein öffentliches Gildenhaus in
Balmora, meinem nächsten Ziel, während die Dunkle Bruderschaft im
Untergrund arbeitete. Effizient und tödlich. Ich beschloss Foryn
aufzusuchen, aber zuerst in Arrilles Handelshaus nach zusätzlicher
Ausrüstung zu sehen. Ein Bogen war mein Wunsch, wie in jenem Traum
letzte Nacht. Die Sonne war bereits versunken und auch die Taverne
öffnete ihre Türen. Allerdings wünschte ich im Moment keine
Geselligkeit. Zu viel dachte ich über Foryn Gilnith nach. In Arrilles
Handelshaus führte mir sein Namensgeber drei hiesige Bögen
Morrowinds vor, ein einfaches Exemplar aus Chitin, dem
Insektenpanzer, ein hölzerner Langbogen und ein teureres Exemplar aus
Eisen. Es erinnerte mich stark an die Zeit beim Grauprinzen, der mich
auch in der Benutzung des Bogens unterwies. Ich war kein
Meisterschütze, aber relativ zielsicher. Erst damals merkte ich, dass ich
vor wenigen Jahren meinen Traum lebte, für drei Jahre in Dunkelheit
erwachte und nun wieder in meiner Traumwelt angekommen war.
Aus finanziellen Gründen wählte ich den günstigen Langbogen aus Holz
und einige Pfeile aus Eisen, zum Trainieren. Gleich morgen wollte ich
damit anfangen, durch meinen unverhofften Gewinn musste ich ja noch
nicht arbeiten und Arrille bot mir sein Zimmer für lediglich 10 Draken
pro Woche, allerdings nur für die erste Woche. Länger wollte ich aber
auch nicht in Seyda Neen bleiben. Ich bezahlte insgesamt 210 Draken
und verlies zufrieden den Laden. Draußen war es dunkel geworden, die
Sterne leuchteten am Firmament und im ganzen Dorf waren Fackeln zur
Beleuchtung aufgestellt. Es wurde rasch kühler und der Wind lies mich
frieren. Aber ich hatte ja noch eine Aufgabe. Die Frau des Processus
Vitellius, jemand musste ihr die Nachricht überbringen in ihren
einsamen Leuchtturm. Der Weg dorthin war kurz, aber ich bemerkte,
dass meine Rüstung nicht maßgeschneidert war. Mit Schwert und Bogen
in einer kompletten Jägermontur kam ich mir mächtig vor, obwohl ich
schwach war. Ich kam an den Fischerhütten des Dorfes vorbei, eine
Dunkelelfin saß vor ihrer Bleibe. Sie hatte schöne, schulterlange
schwarze Haare und dunkelblaue Augen. Sie sah jung aus und trug
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einfache Kleidung , man sah ihr an, dass sie lediglich eine arme
Fischerin war.
„Seit gegrüßt Dunkelelfin. Wisst ihr, wo Foryn Gilnith wohnt?“
„Gleich hier links neben meinem Haus. Sagt, habt ihr vielleicht...“
Ein Schrei unterbrach unser Gespräch. Er kam direkt vom Leuchtturm,
keine 50 Meter entfernt von mir. Wachen kamen angestürmt, eine Frau
bettelte, flehte. Ich blickte um die Ecke des Fischerhäuschens und
erblickte Einen Dunkelelfen, der eine Kaiserliche festhielt und mit einer
Waffe bedrohte, es schien ein Dolch zu sein.
Die Wachen zogen ihre Schwerter, bereit zum Kampfe und rannten auf
den Entführer zu, wurden aber vom Dunkelelfen gestoppt:
„Bringt mir diesen Kaiserlichen!!! Wenn ihr mir noch einen Schritt
näher kommt, folgt diese elende Kaiserliche ihrem Mann in die Gruft!!!“
Drohend hielt er den Dolch an den Hals der zitternden und schreienden
Kaiserlichen. Nun begriff ich: Es war Foryn Gilnith. Er hatte die Frau
des Processus Vitellius als Geisel genommen um nach mir zu verlangen.
Er war es wohl, der mir am Strand nachgeschlichen ist. Wie konnte er
von meinen Spionagen erfahren?
Doch hatte ich für derartige Gedanken keine Zeit. Die Kaiserliche war in
Gefahr. Sie weinte, flehte, vergoss bittere Tränen, bettelte um ihre
Freilassung. Ihr Geiselnehmer musste sie immer wieder mit Gewalt zum
Schweigen bringen, schlug der bemitleidenswerten Frau ins Gesicht. Ich
musste etwas unternehmen. Die Wachen hatten ihre Waffen abgelegt,
um die Gemahlin des Processus nicht zu gefährden.
Sie standen gute 20 Meter vor ihm und versuchten auf ihn einzureden,
ihn zur Aufgabe zu bewegen. Eine andere Möglichkeit hatten sie nicht.
Lauthals verlangte Foryn wieder nach meinem Leben. Ich stand unter
Zugzwang. Es hätte keinen Sinn auf ihn zuzurennen oder sich an ihn
heranzuschleichen: Ersteres war zu gefährlich, letzteres dauerte zu lange.
Ich hatte aber ja noch meinen eben gekauften Bogen. Lange war es her,
dass ich das letzte Mal mit dieser eleganten Waffe geschossen hatte. Ich
hatte Angst mein Ziel zu verfehlen. Doch Foryn wurde immer wütender
in meiner knappen Freizeit bin ich gern schöpferisch tätig, und so schreibe ich auch Geschichten und Gedichte. Nachfolgend mein erster Versuch eines Romans, der in der Welt von Morrowind spielt und an die Story angelehnt ist. Wie gefällts euch so?
Würde mich sehr auf Kommentare freuen!
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The Elder Scrolls III
Morrowind
Kapitel 1 – Die Ankunft
Regelmäßig, mit der unheimlichen Präzision eines Uhrwerk schlugen die
Wellen gegen den Rumpf des Schiffes, ließen es ächzen und nur mit
Mühe vorwärtsfahren. Windböen erhoben sich, zerrten am Mast. Der
Regen peitschte über das Deck, drohend, mahnend, vor der Gewalt der
Natur. Als würden die Götter diese Reise nicht wünschen.
Dritter Tag an Bord. Ein hochseefähiger Dreimaster, bereit den Kampf
mit den Elementen aufzunehmen.
Würde es scheitern, kaum jemand schrie auf. Ein Kapitän, drei Wachen,
fünf Gefangene. Und ich einer von dieser elendigen Masse. Seit drei
Tagen. Damals, noch in den Gefängnissen der Kaiserstadt, der
Hauptstadt des mächtigen Kontinents Cyrodill, der Heimat des
Kaiservolkes. Ein mittelloser Bürger, im Schatten der Gesellschaft, einer
im Überfluss und Luxus lebenden Menge. Dritter Sohn eines Vaters und
einer Mutter, die beide ein ähnlich unglückliches Los teilten wie ich.
Mein guter Vater, den ich nur kurz fühlen durfte, Soldat in der
kaiserlichen Legion. Ein Held in der Zeit vor dem Bau des Schutzwalles
um den Roten Berg von Morrowind, der Heimat jenes gnadenlosen und
grauenvollen Gottes Dagoth Ur und seiner Schergen. Täglich kämpfte er
mit seinen Kameraden gegen Daedra und andere fürchterliche Monster,
führte das Schwert wie kein zweiter. Er kannte keine Angst. Das schien
sein Fehler gewesen zu sein.
Seit 25 Jahren verschollen in jenem unzugänglichem Gebirge im Herzen
Morrowinds, meines Ziels. Gerade Morrowind, jener Kontinent, der
meinen Vater fraß, meine Mutter zur Verzweiflung und in den
Selbstmord brachte. Gerade jener Kontinent, die Heimat der
Dunkelelfen, regiert vom Kalkül eines habgierigen Königs, besetzt von
der Kaiserlichen Legion meines Volkes. Eine freundliche Besatzung, die
die Kultur des heimischen Volkes tolerierte, aber die Gesetze des
Kaisers aufzwang.
Mein Vater nahm mich einst in jungen Jahren nachts mit auf eine
Lichtung im Wald der Nibenay-Senke im östlichen Teil Cyrodills. Dort
erzählte er mir viel über die Sterne, er selbst glaubte immer, dass die
Konstellationen das Schicksal eines Menschen beeinflussen könnetn, er
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zeigte mir auch das Sternbild, unter welchem ich geboren war, genauso
wie er selber: Der Kämpfer. Das meiste kannte ich nurnoch von meiner
Mutter, den überaus größten Teil meiner Erinnerungen an Vater sind im
Nebel der Unendlichkeit verschollen.
Meine Mutter sagte immer: „Dunkelelfen kennen keine Gefühle“. Und
gerade ein Dunkelelfe, deren Heimat Morrowind ist, war mein einziger
Gefährte, gleich gegenüber von meiner Zelle. Er nannte sich Jiub. Ein
einfacher Name. Von seiner Vergangenheit kannte ich nicht viel. Sie
schien ähnlich finster wie meine gewesen zu sein. Selten sprach er ein
Wort. Die meiste Zeit der letzten Tage lag er bloß auf seiner harten
Barke und versuchte die Zeit irgendwie ablaufen zu lassen, das
drumherum zu vergessen.
Das zweite Unterdeck, meine Heimat auf See, verkleidet mit einem
knarrendem Holz, das bei jedem Wanken des Schiffes bedrohlich klang,
am Ende des breiten Ganges zwischen den sechse winzigen Zellen, von
denen gerademal zwei besetzt waren, ein kleiner Tisch mit einer
schwach lodernden Kerze und zwei Stühlen. Das fahle Licht erzeugte
eine gespenstische Stimmung, während außerhalb der Sturm tobte, was
täte ich alles um wenigstens kurz das warme Licht der Sonne genießen
zu dürfen.
Selten hatten wir die letzten Tage Gesellschaft von den Wachen. Sie
schienen ihr Leben auf dem ersten Unterdeck mit Bier und edlem Flin zu
genießen, um betrunken einzuschlafen nach einer durchzechten Nacht.
Wenn unsereins der Durst packte, stand ein Krug mit einfachem Wasser
bereit, daneben ein halber Leib trocken Brot. Neben der mit Kleidung
ausgelegten Barke, meinem harten Schlafplatz, die einzigen
Gegenstände, die mir in meiner kleinen Zelle Gesellschaft leisteten. Die
kurze Verschiffung zum verhassten Kontinent war von Unwissenheit
geprägt. Nach meiner plötzlichen Freilassung vor genau einer Woche
und der wesentlich unbequemeren Verlagerung von der Kaiserstadt nach
Anvil, dem Hochseehafen Cyrodills, hatte ich keinerlei Informationen
erhalten. Befürchtungen raubten mir den Schlaf. Morrowind kannte kein
Gesetz gegen Sklaverei. In Morrowind wird öffentlich exekutiert,
gefoltert. Die „Dunkle Bruderschaft“ und „Morag Tong“, wobei letztere
seltsamerweise nur Angehörige des Kaiservolkes morden sollte und nur
in Morrowind stationiert war. Ich hielt es immer bloß für ein Märchen:
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Meuchelmörder und hervorragend ausgebildete Assassinen eliminierten
diejenigen, die nicht ins Bild passten. Gegen Bezahlung, versteht sich.
Das Klang dann doch immer sehr märchenhaft.
Meine Mutter warnte mich trotzdem jedesmal eindringlich vor dem
Kontakt mit den Mitgliedern dieser Gilden. Nach ihren Vorstellungen
sollte ich ein gutes Leben als Händler in der Kaiserstadt führen, meine
eigenen alchemistischen Zaubertränke brauen und an die lokalen Magier
der Magiergilde verkaufen. Ein solcher Weg war nie in meinem Sinn.
Mich reizte immer das Abenteuer der offenen Wildnis, mit seinen
Kreaturen und Gefahren. Wie mein Vater wollte ich Monster besiegen
und Ruhm erlangen, als mächtiges Mitglied der Kriegergilde als Held
und Befreier einer Welt gefeiert werden. Der plötzliche Verlust meiner
Mutter im Alter von Neun Jahren setzte meinen Träumen ein jähes Ende.
Während meine Brüder in verschiedenen Familien Unterkunft und
Bleibe fanden, blieb mir nur die Flucht von meinen Ersatzeltern, einem
Magier und seiner Frau, die als Senatsmitglieder beide großen Einfluss
hatten, mir den Traum erfüllen könnten, den meine Mutter träumte. Ich
konnte meine Trauer nicht mehr zügeln, wollte alles loswerden, was
mich an diese Zeit erinnerte. Darum beschloss ich nach einigen erfüllten
Jahren bei der Familie Intarius meine sichere Zukunft und meine sichere
Schulung zum Magier und Alchemisten ruhen zu lassen und das
Abenteuer zu suchen. Heute erscheinen mir meine Gedanken von damals
fremd, ich lies tatsächlich meine sichere, junge Existenz in Leyawin
zurück, jener prächtigen Stadt im Süden Cyrodills und machte mich auf
gen Norden. Nach Bruma, dem nördlichstem Außenposten der
zivilisierten Welt. Ich suchte das Abenteuer in der eisigen Kälte der
nördlichen Jerall-Berge, wollte gegen riesige Bären und Wölfe kämpfen,
ein Leben führen, welches mich forderte. Als siebzehnjähriger hielt ich
mich für reif genug alleine die Welt zu entdecken. Ich hinterlies keinen
Abschiedsbrief, sondern schlich mich des Nachts mit wenigen
Goldstücken, etwas Proviant und meinem Familienerbstück, jenem
magischen Ring meines Vaters das Haus meiner guten neuen Familie.
Ich behalte sie immernoch in guter Erinnerung. Als ich die Stadtore
Leyawins passierte, eröffnete sich mir eine fantastische Welt, voller
Gefahren und Abenteuer. Ich folgte einfach den Straßen in Richtung
Norden, vorbei an tosenden Wasserfällen, reißenden Flüssen, riesigen
Wäldern, ich durchquerte Stätte, die ich sonst nur aus meinem Unterricht
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in der Magierschule Leyawins kannte, bewunderte die Metropolen auf
meiner Reise, kam auch in die Kaiserstadt und war erschlagen von ihrer
ungeheuren Größe. Neun Bezirke, jeder so gewaltig wie manche Stadt
Cyrodills. Als kleiner Junge unter der Obhut meiner Mutter kam ich nie
über die Stadtmauern meiner Heimat Cheydinahl hinaus. Nun befand ich
mich in einer Welt, die sich mit meinen Träumen deckte. Ich dachte
selten an meine Mutter, an meine Gasteltern. Ich dachte häufig an
meinen Vater. Ich wollte es ihm gleichmachen und tat es. In der
Kaiserstadt lies ich mich im Umgang mit der Klinge schulen und musste
dafür meinem Lehrmeister, dem Arenahelden „Grauprinz“, einem
gewaltigen Ork von 58 Jahren, mit Muskelbergen wie einst sie mein
Vater besessen haben soll, einem grimmigen, grünem Antlitz voll tiefer
Furchen und einer silbernen, abgenutzten Rüstung, als Gehilfe dienen.
Ich lernte die Schmiedekunst, den Kampf mit Schwert und Schild. Ich
wurde in Athletik und Akrobatik eingewiesen. Mein Lohn in Geld war
gering. Mein Lohn im geistigem Sinne gewaltig. Ich fühlte die
Erhabenheit, die ein Kämpfer hatte wenn er in voller Ausrüstung durch
die Straßen stolziert, vom Volk bewundert.
Ich wohnte auch im Anwesen des Grauprinzen. Er war ein begnadeter
Kämpfer und hatte meine Hochachtung, gerne lauschte ich den
fantastischen Geschichten aus seiner Laufbahn vom Kampfhund in der
Arena bis zum erhabenen Großmeister. Grauprinz schien keine Angst zu
haben. Ich fand es bemerkenswert, wie jemand mit Verstand, selbst
wenn er ein Vertreter der Rasse der Orks war, sein Leben in einem
Kampf in der Arena aufs Spiel setzen konnte. Er schien keine Angst zu
haben, genau wie mein Vater, ich erinnere mich noch klar an jene
Worte, die er mir in einer Unterrichtseinheit gab: „Lucius: Unterschätze
nie deinen Gegner, wenn du Angst hast, wirst du verlieren. Wenn du
keine Angst hast, verlierst du ebenfalls. Bewege dich immer zwischen
beiden Extremen, es ist so oft im Leben, dass die Mitte allein der
goldene Weg ist.“. Ich genoss die Ausbildung und hielt Grauprinz für
einen geeigneten Ersatzvater, so war mein Entsetzen groß, als er an
jenem Tag kurz vor meinem 22. Geburtstag schwer verletzt aus der
Arena getragen wurde. Ein Neuling hatte ihn geschlagen. Seine letzten
Worte waren: „Jeder vermiedene Kampf ist ein gewonnener Kampf.
Wenn du die Wahl hast, wähle das Leben.“ Darauf starb er und mit ihm
meine Existenz. Ich wollte nie ein Arenakämpfer werden, sondern nur
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einige Grundkenntnisse des Kampfes erlernen, aber jetzt war meine Wut
auf diesen Dunkelelfen Shetma Abelmawia, den Henker des
Grauprinzen nichtmehr in Worte zu fassen. Er hatte mein Leben zerstört,
mitten in der Ausbildung, auf dem Weg zu meinem Traum folgte dieses
jähe Erwachen. Ich wollte Rache. Blutrache. Gleich am nächsten Tag
meldete ich mich freiwillig in der Arena, als Kämpfer. Und ich hatte
Glück. Es herrschte Mangel und ich wurde direkt genommen für einen
Zweikampf mit jenem in meinen Augen niederträchtigem Dunkelelfen.
Ich hatte keine Angst vor dem Kampf. Ich zog meine Rüstung an, die ich
vom Arenameister bekommen hatte und ignorierte alle Warnungen aus
seinem langen Leben. Als Waffe wählte ich ein einfaches Langschwert
aus Feineisen und ein leichtes Lederschild, ganz so, wie mein Lehrer es
tat. Auf dem Weg hoch in die Kampfgrube der Arena kam ein Gefühl in
mir hoch. Ein Gefühl von Selbstzweifeln und blindem Hass. Heute
würde ich es als Angst bezeichnen. Und es schien richtig zu sein. Ich
hatte damals Angst. Ich konnte meine Angst aber durch die Motivation
meinen Lehrer zu rächen zügeln und trat dann doch selbstbewusst in den
Sand im Herzen der Arena. Und von innen sah das Gebäude noch einmal
so imposant aus. Die Sonne stand hoch und warf nur kleine Schatten, die
Ränge waren überfüllt von Zuschauern, die gierig waren Blut zu sehen.
In den vorderen Reihen, unter einem Sonnenschutz im kühlen Schatten
die reichere Bevölkerung, zu dem auch die Sippe der Abelmawias
gehörte (ich verstand nie, wie der Sohn einer reichen Familie in der
Arena kämpfen konnte, dabei hätte ich nur einen Blick auch mich selbst
werfen müssen), weiter oben johlende und schreiende Mengen, eine
Musikkapelle spielte auf Trommeln dumpfe und eintönige
Marschmusik, die allerdings enorm motivierend wirkte. Mit langsamen
Schritt bewegte ich mich in die Mitte der Arena, schwitzte unter dem
engen und heißen Harnisch aus Eisen und meinem mit Metall
verstärktem Lederhelm. Als Herausforderer wartete ich als erster auf
meinen Gegner, der vom Arenasprecher unter lautem Applaus und
Geschrei aufgerufen wurde. Das Tor, gute 30 Meter vor mir öffnete sich,
und es kam eine Gestalt wie ich sie mir vorgestellt hatte, wie meine
Mutter es mir immer erzählte. Ein garstiges Gesicht mit dunkelblauer
Haut, rötlichen Augen, schwarzen Haaren und einem durchdringendem
Blick. Seine Ohren schauten seitlich aus dem Helm und waren spitz
zulaufend.
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Zu meiner Verwunderung trug er nur einen leichten Harnisch aus Leder,
wie es die Jäger taten. In seiner rechten Hand dafür ein massiver,
kunstvoll verzierter Eisenschild der kaiserlichen Legion und in der
kräftig wirkenden linken Hand eine Axt. Er schien mir gebrechlich und
schwach, ich konnte nicht nachvollziehen wie ein solcher den
Grauprinzen schlagen konnte und witterte Betrug vonseiten der reichen
und mächtigen Familie. Meine Gefühle begannen sich zu überschlagen
während er sich mir langsam näherte und in die Mitte in den großen
Kreis trat, innerlich kochte ich, nichtnur durch die Hitze der gleißenden
Sonne, mein Kopf spinnte Gedanken von gezielter Vergiftung oder
einem Anschlag um diesem jungen Burschen Ruhm und Ehre zu
bringen. Während der Arenarichter auf uns zukam, zeigte Shetma mir
ein abfälliges Grinsen, niederträchtig wie ich ihn empfand. Und da
verlor ich die Kontrolle über mich, lange bevor der Arenarichter das
Signal zum Beginn des Kampfes gab, zog ich mit einem lauten Schrei
auf Shetma zurennend mein Schwert, jener war entsetzt, versuchte mich
mit einem gezieltem Schlag mit seiner Streitaxt zu überwältigen, doch
ich parierte seinen Angriff und dessen Waffe blieb im Schild hängen,
diesen Moment der doppelten Überraschung nutze ich um mit einem
Ruck seine Verteidigung zu durchbrechen und zu einem Schwerthieb
auszuholen, der ihn zu Boden beförderte, obwohl Shetma verzweifelt
versuchte mit seinem Schild zu blocken. Mein Blut und mein Herz
waren gefroren, ich schaute mich einen kurzen Moment um, versuchte
die Eindrücke zu verarbeiten, die schreiende und schockierte
Menschenmasse, die Wachen und Richter, die auf mich zugerannt
kamen, meinen Gegner, der am Boden lag. Mir blieben lediglich
Sekunden um etwas zu tun, ich holte aus und verletzte Shetma am Bein,
blockte mit meinem Schild den wütenden Arenarichter ab und
schleuderte mein Schwert in Richtung Tribüne, wo der Rest der Familie
saß und nicht fassen konnte, was passierte. Einen Moment später traf
mich etwas am Kopf und ich fiel bewusstlos zu Boden. Eine der Wachen
hatte mich mit einer Keule kampfunfähig geschlagen.
Nach einem kurzen Gerichtsverfahren direkt nach meinem Aufwachen
wurde ich in das kaiserliche Gefängnis der Kaiserstadt gesperrt. Dies
sollte also meine Heimat für die nächsten zehn Jahre werden. Und all
jenes am 22. Geburtstag. Mein Leben war also vorbei, bevor es wirklich
begonnen hatte. Ich vergoss bittere Tränen in meinem Kerker und
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konnte nicht fassen, was ich getan hatte. Wieder dachte ich an die letzten
Worte meines Lehrers.
Genau wie jetzt, drei Jahre später auf diesem Gefangenenschiff nach
Morrowind. Niemand wusste, was mit mir geschehen würde, doch
befürchte ich von der Familie, die wie ich vor kurzem erfahren durfte
Mitglied der fürstlichen Familie der Telvanni und auf Morrowind
heimisch waren. Diese vierte Nacht auf dem Schiff verfolgten mich
Alpträume und eine ungeheure Angst vor der Zukunft, die mir vor
wenigen Jahren noch gänzlich fehlte. Unter diesen Gedanken kam ich
dann irgendwann, es war wohl kurz nach der letzten Nachtwache, zur
Ruhe, während das Schiff einsam im Sturm dahinschaukelte.
Ich träumte von einem Neuanfang, glaubte an das Gute, befürchtete
meinen Untergang.
Unsanft wurde ich aus meinen Träumen geweckt, ein Wachtmeister
schrie mit seiner durch Mark und Bein gehenden Stimme, dass ich
gefälligst aufstehen sollte:
„Gefangener Lucius Mara, wir haben die Küste von Morrowind erreicht,
hier steigt ihr jetzt aus.“
Plötzlich war ich hellwach. Wie lange ich wohl geschlafen hatte? Im
Unterdeck gab es keine Fenster und keine Uhren. Ich hatte keinerlei
zeitliche Orientierung als die verhängte Nachtruhe. Während die Wache
den Zellschlüssel suchte und mir die Tür öffnete, schossen mir
verschiedenste Gedanken durch den Kopf, gleich würden sich meine
Befürchtungen bewahrheiten oder meine Hoffnungen verwirklichen. Der
Wachtmeister zückte sein Schwert, ich wunderte mich, dass er zur
Treppe deutete, mir aber keine Handschellen anlegte: „Los, aufs Deck.
Und keine Mätzchen.“ Ich ging also die Treppe hoch zum ersten
Unterdeck, den Gang weiter, vorbei an den Quartieren der Wachen,
immer den Wachtmeister mit seiner Waffe im Nacken. Schließlich kam
ich an die Tür zum Deck. Endlich wieder frische Luft und eine Spur
Freiheit, der Kerkermeister deutete bloß mit einer Handbewegung auf
die Tür: „An Deck, lassen wir das so friedlich wie möglich ablaufen“.
Sollten sich meine Ängste bewahrheiten?
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The Elder Scrolls III
Morrowind
Kapitel 2 – Nicht bloß eine Überraschung
Langsam, Schritt für Schritt ging ich die wenigen Treppenstufen bis zur
Falltür hoch. Da ein Geländer fehlte, hielt ich mich gebückt an den
Stufen fest, legte meine Hand an den Türgriff und stieß sie mit einem
Ruck auf. Sofort musste ich mir den Arm vor die Augen halten, die
Sonne blendete mich stark, während ein angenehmer Wind mir um den
Kopf wehte. Es war angenehm warm und ich war froh raus aus der Enge
des Schiffes zu sein.
Nachdem mein Blick über das Meer schweifte, sah ich links von mir den
Anleger und ein Dorf, welches über eine Brücke erreichbar war.
Vorsichtig kletterte ich die letzten Stufen hoch, bis ich sicher auf dem
Deck stand. Der Kapitän half mir schließlich auf:
„Geht über die Brücke in das Büro, der Soldat dort am Anleger wird
euch weitere Anweisungen geben.“ Ich atmete erstmal tief durch.
Vorerst keine Dunkelelfen vom Hause Telvanni. Da das Schiff direkt
weiterfahren sollte, ging ich über die Brücke und betrat endlich wieder
festes Land. Der Soldat, von dem der Kapitän gesprochen hatte, stand
tatsächlich dort und erwartete mich. Mit etwas unsicherem Schritt ging
ich auf ihn zu, trotz der ersten Erleichterung.
„Folgt mir ins Büro. Dort kümmern wir uns um die weiteren
Formalitäten.“
Der Soldat ging vor und öffnete mir die Tür vom Gebäude des
Steueramtes. Die Architektur hatte tatsächlich Ähnlichkeit mit den
Gebäuden in Anvil, von wo ich nach Morrowind ausgeschifft wurde.
Weiße Kalkwände, kleine Fenster und Reetdächer.
Ich betrat also das Büro der Zensuskommission, wo mich ein
kaiserlicher in reiferem Alter bereits zu erwarten schien. Er hatte ein
fahles Gesicht, nur noch wenige Haare, trug ein braunes Gewand und
saß auf einem großen Stuhl hinter einem noch größerem Tisch voller
Schreibfedern und Dokumente. Der Raum war schwach beleuchtet von
einigen Kerzen an den Wand, die von Wandteppichen geschmückt
waren. Die Dielen des Bodens knarrtem bei jedem Schritt. Ich ging an
den Tisch heran und setzte mich unter der Beobachtung zweier Soldaten
auf einen Stuhl.
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„Seit gegrüßt, Fremder. Hier ist das Amt der Zensus- und
Steuerkommission von Seyda Neen. Mein Name ist Socicus Ergalla, ich
bin der Leiter dieses Büros. Mal sehen was wir da haben.“ Socicus nahm
vom Soldaten eine Schriftrolle entgegen und studierte sie mit
angespanntem Blick. Als er fertig zu sein schien, blickte er mich
entgeistert an „Eure Unterlagen sind leider unvollständig. Woher stammt
ihr, was wünscht ihr hier in Morrowind zu tun?“
Die Frage verwunderte mich. Warum wusste die Zensuskommission
nichts Näheres über mich als meinen Namen? Hat das einen
Zusammenhang mit meiner plötzlichen Entlassung? Steckte das Haus
Telvanni dahinter?
Ich räusperte mich: „Mein Name ist Lucius Mara, ich bin ein
kaiserlicher aus Cyrodill. Man hat mich aus dem Gefängnis der
Kaiserstadt hierher gebracht, mehr weiß ich leider nicht.“ Die Augen
von Socicus wurden größer. Er schien etwas verstanden zu haben,
lächelte leicht und fragte wiederum: „Unter welchem Sternzeichen
wurdet ihr geboren?“
Die Antwort war mir wohlbekannt, denn nach dem Glauben meines
Vaters beeinflusste das Firmament unser Schicksal: „Im Zeichen des
Kriegers.“
Socicus lächelte nun wirklich mit seinem alten Gesicht voller Falten. Er
wusste mehr als ich:
„Was soll ich nun machen? Hat das Haus Telvanni etwas mit den
Ereignissen der letzten Tage zu tun?“
Socicus Blick wurde wieder ernster, er schüttelte heftig den Kopf.
„Nein, Kaiserlicher. Ihr wurdet auf direkten Befehl des ehrenwerten
Kaisers Uriel Septim VII. aus dem Gefängnis entlassen.“
Die Antwort von Socicus erleichterte vielleicht mein Gewissen, stiftete
aber im Endeffekt nur noch mehr Unruhe in mir. Warum sollte mich der
Kaiser höchstpersönlich aus dem Kerker freilassen. Es kam Angst in mir
hoch. Vielleicht sprach Socicus nicht die Wahrheit. Mein Blick
schweifte durch das Büro. Hinter dem Zensusmeister war ein Schrank
voller Silbergeschirr. Daneben eine Karte Morrowinds, wie ich sie noch
aus der Unterrichtszeit kannte. In der Mitte fiel mir das große und hohe
Gebirge auf, im Zentrum davon die Stätte des Gottes Dagoth Ur: Der
rote Berg. Jener Ort, an dem mein Vater den Tod fand. Um den Berg
herum wurde die Mauer wohl endlich fertiggestellt, auf der Karte trägt
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sie den sonderbaren Namen „Geisterwall“. Ich versuchte mich irgendwie
von der Vergangenheit abzulenken und schaute etwas weiter südlich.
Dort fand ich auch Seyda Neen, an der Südküste Morrowinds. Ein
denkbar ungünstiger Ort, wenn das Fürstenhaus Telvanni, dem der Osten
Morrowinds untertan war, eine Rechnung mit einem Gefangenen zu
begleichen hatte. Ich fühlte mich langsam etwas sicherer. Nachdenklich
fragte ich: „Was passiert nun mit mir?“
Socicus nahm die Schreibfeder in die Hand, tunkte sie in das Tintenfass
und unterschrieb eine Schriftrolle, auf der ich meinen Namen finden
konnte.
„Ihr seid nun ein freier Mann, tut, was ihr möchtet, Kaiserlicher. Nehmt
einfach diese Papiere mit und zeigt sie dem Hauptmann dieser Wache,
Sellus Gravius. Er befindet sich im Nachbarbüro. Der Soldat an der Tür
wird euch den Weg zeigen, Sellus hat weitere Befehle für euch, die ihr
befolgen solltet.“
Mein Atem stockte. Ich wurde tatsächlich freigelassen. Nach lediglich
drei Jahren in Gefangenschaft. Direkt vom Kaiser, der mir lediglich ein
paar Befehle gegeben hatte.
„Nun wünsche ich euch eine gute Reise. Wendet euch bei Fragen an uns
oder die Bevölkerung. Und seit gewarnt: Die Umgebung ist gefährlich.“
In meiner Freude überhörte ich das letzte Wort fast, ich konnte kaum
glauben freigelassen zu werden und nahm meine Entlassungspapiere
triumphierend in die Hand und stand auf, um mich von Socicus zu
verabschieden. Der alte Mann lächelte mir zu und erinnerte mich noch
einmal an den Soldaten, der mir den Weg zu Sellus Gravius zeigen
sollte. Dafür folgte ich dem Gang ins andere Büro, wo am Ende bereits
der erwähnte Soldat stand. Er beschrieb den Weg ins Büro von Sellus
Gravius und öffnete mir die Tür. Nachdem ich durch die Turschwelle
getreten war, schloss er sie wieder direkt hinter mir ab. Etwas
verwundert ging ich weiter, bog rechts ab und fand dort in einem hell
erleuchtetem Raum ein festliches Bankett. Die Räumlichkeiten waren
beängstigend leer, die Tür hinter mir abgeschlossen, die Tür in der Ecke
des Esszimmers führte nach draußen. Auf dem Esstisch lagen teils
vertrauete, teils unbekannte Köstlichkeiten auf silbernen Tellern. Neben
einfachem Brot auch Krabbenfleisch, seltsam geformte, große Eier,
längliche Fleischstückchen. Daneben stand eine große Flasche Flin, der
Weinbrand, für den Morrowinds bekannt ist. Eine einzige Flasche
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kostete 500 Goldstücke in Cyrodill. Etwas verleitete mich aus der
Flasche zu kosten. Da mir aber noch der Besuch bei Sellus Gravius
bevorstand, stecke ich die Flasche ein. Vielleicht würde ich sie zu Geld
machen können. Mit schnellerem Schritt ging ich dann zur Tür nach
draußen, frische Meeresluft begrüßte mich und die Sonne schien. Gleich
rechts war auch schon die Tür zum Büro des Hauptmannes, eine andere
Möglichkeit hatte ich nicht, denn der kleine Garten, in dem ich mich
befand, war durch eine Mauer vom Dorf abgetrennt. An der Tür zum
Büro bemerkte ich einen seltsam glitzernden Gegenstand, bei näherer
Betrachtung entpuppte er sich als ein verzauberter Ring.
Unglücklicherweise haben meine Magiekenntnisse während des
Aufenthalts im Kerker sehr gelitten, deshalb steckte ich ihn erstmal ein.
Ich klopfte an die Tür zum Büro des Hauptmannes und ein Soldat
öffnete mir. Ich zeigte ihm meine Papiere und er bat mich
hereinzukommen, der Hauptmann erwartete mich bereits. Das Büro
ähnelte im Aufbau dem der Zensuskommission, edle Tische und Stühle,
Wandteppiche und Schränke. Tatsächlich wartete Hauptmann der
Küstenwache von Seyda Neen, Sellus Gravius bereits auf mich. Sein
Anblick war eindrucksvoll: Ein goldener Harnisch samt dazugehörigen
Beinschienen und Stiefeln, dadrunter ein wertvolles Hemd aus Seide.
Sellus war ein eher junger Kaiserlicher und schon in jungen Jahren zur
kaiserlichen Legion gekommen, er brachte es dort immerhin bis zum
Hauptmann und koordinierte nun die Küstenwache in Seyda Neen: „Ihr
müsst Lucius Mara sein. Nehmt bitte Platz.“. Ich folgte seiner
Aufforderung und setzte mich hin, obwohl ich mich in meiner
schmutzigen Kleidung etwas unwohl fühlte:
„Ja, das bin ich. Sorcicus Ergalla hat mich zu euch geschickt, ihr habt
Befehle für mich?“.
Der sympathische Hauptmann lächelte leicht und nickte: „Richtig, ich
habe vom Kaiser Uriel Septim VII. ein Schreiben bekommen. Er
wünschte eure sofortige Freilassung, außerdem bekommt ihr noch ein
Entlassungsgeld von 87 Draken, der üblichen Währung Morrowinds und
diesen Zettel mit Anweisungen für euch. Verliert ihn unter keinen
Umständen. Außerdem bittet euch der Kaiser in Balmora, der nächsten
größeren Stadt nördlich von hier einen gewissen Caius Cosades zu
treffen. Überreicht ihm diesen versiegelten Umschlag.“
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Hauptmann Sellus übergab mir das Geld und die Schreiben, etwas
verwundert steckte ich die Dinge ein: „Wisst ihr, warum der Kaiser
meine Freilassung wünschte?“
Der Hauptmann zuckte mit den Schultern und zögerte einen Moment:
„Das hat mich nicht zu interessieren. Das Bündel, welches ich euch eben
überreicht habe ist alles, was ich weiß und habe.“
Die Antwort enttäuschte mich. Scheinbar war es ein einfacher Zufall,
durch den ich frei geworden bin, vielleicht hatte der Kaiser erkannt, dass
ich unschuldig war. Oder zumindest keine zehn Jahre verdient hatte.
Eine Welt stand mir also offen, um sie zu erkunden.
Das Schicksal schien es wohl doch gut mit mir zu meinen, vielleicht
könnte ich hier in Morrowind doch ein neues Leben anfangen: „Wisst
ihr, was ich hier in Seyda Neen tun kann?“ Der Hauptmann fasste sich
an die Stirn, schien nachzudenken: „Seyda Neen ist ein kleines und
unbedeutendes Dorf. Arbeit gibt es hier keine, höchstens private
Aufträge von den wenigen Einwohnern. Versucht es bei „Arrilles
Handelshaus und Taverne“, dort könntet ihr einen Anfang machen. Und
wenn ihr schon dabei seit: Ein Mitglied der Zensuskommission wird
vermisst, Processus Vitellius. Vielleicht könntet ihr herausfinden was
ihm zugestoßen ist und wo er sich befindet. Es winkt viel Geld. Leider
fehlen uns einige Wachen und es kursierte das Gerücht, dass in der
Höhle „Adamasartus“ nördlich von Seyda Neen Banditen hausten. Wenn
ihr diese beiden Aufträge erledigen könnt, bekommt ihr.....“
Der Hauptmann zögerte, scheinbar waren es doch Aufträge von höchster
Priorität: „Ich wäre zufrieden mit einer Antwort auf die Frage, warum
ich hier bin.“
Der Hauptmann schüttelte nur heftig den Kopf und nahm einen Schluck
aus der Flasche Mazte, die neben ihm stand. Er bot mir ebenfalls an zu
kosten, ich verzichtete aber: „Da kann ich euch nicht helfen, aber mit
1000 Draken kann ich dienen.“
Ich erschrak. Auch wenn ich die Währung Morrowinds nicht kannte,
klang das nach viel Geld:
„Ich werde sehen, was sich machen lässt.“
Der Hauptmann schaute zufrieden: „Meldet euch bei mir, wenn ihr mehr
wisst. Und jetzt wünsche ich euch alles gute, ich habe noch viel zu tun.
Lebt wohl.“
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Ich verabschiedete mich von Hauptmann Sellus Gravius und war
zuversichtlich, dass wir uns bald wiedersehen. Der Soldat an der Tür, der
unser Gespräch verfolgt hatte, führte mich zum Ausgang.
Ich war frei. Frei. Nach drei Jahren Kerker war ich endlich wieder frei.
Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Die Nachmittagssonne setzte das
Dorfzentrum, auf das ich zuging in ein liebliches Licht. Von Dorf konnte
fast nicht gesprochen werden: Am Wasser standen einige Fischerhütten
und ein Leuchtturm, am zentralen Platz einige Wohnhäuser, der Kontor
und die Zensuskommission, Arrilles Handelshaus stand direkten neben
dem kleinen Fluss, der durch Seyda Neen floss und das Dorf in zwei
Hälften teilte. Auf der anderen Seite standen nurnoch wenige Häuser
und ein paar Wegweiser, neben einem riesigen Steim mit einer Treppe,
die hinaufführte aber ein merkwürdiges, großes Wesen. Es sah aus wie
ein riesiger Floh, nur etwas freundlicher. Da ich nicht wusste, was ich
machen sollte, sprach ich einfach den ersten Bewohner an, immerhin ein
kaiserlicher mit freundlichem Gesicht und Kleidung von gehobener
Qualität, allerdings ungewohnt warm für diesen warmen Tag, dichten
schwarzen Haaren und etwas traurigem Blick: „Seit gegrüßt. Ich bin neu
in Seyda Neen. Könnet ihr mir erklären, was das für ein seltsames Tier
dort auf der anderen Flusseite ist?“
Der Einwohner runzelte die Stirn: „Ihr kennt keine Schlickschreiter? Seit
ihr nicht heimisch in Morrowind?“ „Nein“, antwortete ich, „ vor
wenigen Tagen war ich noch in Cyrodill.“
„Ah, auch meine Heimat. Schlickschreiter sind große Tiere, die ihr in
Morrowind überall finden könnt. Ihre großen Panzer auf dem Rücken
werden ausgehöhlt und dienen als Transportmittel. Schnell und günstig.“
Ich schöpfte Hoffnung: „Gibt es auch eine Verbindung nach Balmora?“
„Ja, die Schlickschreiterführerin kann euch nach Balmora, Gnisis, Suran
und Vivec bringen.“
Einzig der Name Vivec ist mir in Erinnerung aus meiner Schulzeit
geblieben. Diese Stadt soll an Größe sogar die Kaiserstadt, Hauptstadt
Cyrodills übertreffen können, außerdem hause dort der Schutzpatron
Morrowinds, der Halbgott Vivec.
Mir fiel auch wieder der vermisste Steuereintreiber ein. Processus soll er
geheißt haben:
„Wisst ihr etwas über Processus Vitellius? Ich habe gehört, dass er
vermisst wird.“
14
„Ah, der....Der war sowieso ziemlich unbeliebt im Dorf. War immer
gnadenlos wenn es um Steuern ging. Ich habe gehört, er soll von der
letzten Steuereinziehung nicht zurückgekommen sein, vielleicht fehlte
jemandem das Geld, obwohl die meisten Bewohner Seyda Neens relativ
wohlhabend sind. Einzig die Fischhütten dort drüben, dort könnten
Bürger leben, die die Steuern nicht bezahlen könnten.“
Es klang logisch, was er mir erzählte. Allerdings dürfte diese eine
Information nicht reichen. Darum beschloss ich mich in Arrilles
Handelshaus umzuhören:
„Bevor ich gehe....wie war noch gleich euer Name...?“
„Vodunius Nuncius, wart ihr bereits auf der Insel Solstheim?“
Der Name kam mir bekannt vor, im Unterricht und auf der Karte im
Büro der Zensuskommission war ich ihm begegnet: „War das nicht die
große Insel nordwestlich von Morrowind? Das Klima muss dort rau sein,
sie liegt noch nördlicher als die Jerall-Berge und Bruma in Cyrodill.“
Vodunius schaute mich nachdenklich an und starrte auf Boden: „Mein
Sohn wurde dorthin gebracht, in die Eisfalter-Festung. Als Gefangener.
Das Gefangenenschiff, welches vor kurzem in Seyda Neen anlegte fährt
direkt dorthin weiter, ich fahre mit.“
Solstheim war also eine Gefängnisinsel, und unter Umständen wäre ich
dort ebenfalls gelandet. Irgendetwas zog mich auf diese verlassene Welt,
regiert von Schnee und Eis. Voller Gefahren und auch Abenteuer. Ich
nahm mir fest vor irgendwann in meinem Leben der Gegend einen
Besuch abzustatten: „Wäre ich länger hier, ich würde mitkommen. Aber
da es nicht so ist, wünsche ich euch alles gute.“
Vodunius lächelte etwas wehmütig: „Achtet auf die Wachen: Solange
ihr nicht der Kaiserlichen Legion angehört werfen sie immer ein
misstrauisches Auge auf euch. Aber jetzt muss ich los. Das Schiff wartet
nicht. Lebt wohl.“
Mitten im Satz drehte er sich um und ging zum Anleger von Seyda
Neen, mit zielstrebigem, aber auch verträumtem Schritt, den Kopf zur
Erde gesenkt. Was sein Sohn wohl auf der Eisfalter-Festung tat?
Während an mir einige Einwohner vorbeigingen, die meisten wohl
einfach nur aus Langeweile unterwegs, dazu noch die Wachen des
Dorfes, im Harnisch der kaiserlichen Legion, einem Legionsschild und
dem Legions-Breitschwert ausgerüstet, immer bereit Unruhen
abzufangen. Ich fühlte mich sicher, schließlich waren es wie ich
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Anhänger der zivilisierten Rasse des Kaiservolkes. Seyda Neen war ein
Stützpunkt der Legion, der südlichste Morrowinds, beinahe nur von
Kaiserlichen bewohnt. Mir schwante übles, wenn ich an die heimische
Rasse dachte, die dieses Land bewohnte, die Dunkelelfen, vorallem die
heimischen Dunkelelfen, daneben noch viele andere Rassen aus dem
ganzen Kontinent Vvardenfall: Bretonen, Rothwardonen, Bosmer,
Hochelfen, Orks, Zwerge.
Morrowind war ein Schmelztiegel der Rassen und Kulturen, wenigstens
vier größere religiöse Gruppierungen waren vertreten, zwei nur offiziell
in jeder größeren Stadt. Ich fühlte mich noch irgendwie heimisch. Noch
war ich fast zu Hause. Und noch immer hatte ich einen Auftrag. Einen
übergeordneten Auftrag. Warum bin ich hier?
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The Elder Scrolls III
Morrowind
Kapitel 3 – Ein weiterer Schicksalstag
Mittlerweile hatte ich das ganze, überraschend kleine Gebiet Seyda
Neens erkundet, einige Gespräche geführt und bekam doch meist den
Hinweis, in Arrilles Handelshaus zu schauen, auch um herauszufinden,
wo in Balmora ich Caius Cosades finden könnte. Die meisten Einwohner
empfahlen mir es in einer der dortigen Tavernen zu versuchen,
vorzugshalber der Taverne „Südwall“ und der Ratstaverne. Da es dunkel
wurde und ich einen Schlafplatz brauchte, ging ich zu Arrille´s.
Es war das mit Abstand größte Gebäude Seyda Neens mit zentraler Lage
direkt am Fluss, der Seyda Neen teilte, stand auf einem festen Sockel aus
Stein, besaß seltsamerweise keine Fenster und obwohl eine Wandseite
zum zentralen Platz zeigte, war dort keine Tür. Über einen Steg war der
Eingang auf der gegenüberliegenden Seite zu erreichen, ein großes
Schild auf Höhe knapp über meine Kopf zeigte, dass ich richtig war:
„Arrilles Handelshaus – Taverne und Händler“. Die massive Tür lies
sich nur schwer öffnen und wieder schließen. Sofort kam mir der Duft
von frischem Gebäck, Flin und anderen Leckereien entgegen, ich bekam
Appetit auf etwas Krabbenfleisch. Die untere Etage war nur schwach
ausgeleuchtet, rechts und links von mir waren Schränke voller
Gegenstände, in der Ecke eine Treppe ins zweite Geschoss, von dem
Gejohle, Lachen und Geschrei zu verhören waren, hinter einem Tresen,
auf dem Waren präsentiert wurden schien der Namensgeber dieser
Einrichtung zu stehen. Ein Altmer mit gelber Haut und orangem Haar,
Schlitzaugen und spitz zulaufenden Ohren, bekleidet in einem edlen
Gewand aus wertvollen roten Stoffen. Sein leichtes Lächeln wirkte
erhaben: „Willkommen, Fremdländer. Was kann ich für euch tun?“. Die
Bezeichnung „Fremdländer“ missfiel mir. Allerdings hatte man mir
erzählt, dass nicht heimische hier gerne als Mutsera oder „Fremdländer“
abgestempelt wurden.
Die Bräuche der Dunkelelfen waren mir nicht geheuer, erschienen mir
im Vergleich zum Kaiservolk primitiv und altertümlich. Sie beteten
seltsame Götter an, Wesen wie den Halbgott Vivec, den Herren der
Schreibkunst und Schutzpatronen Vivecs, Azura, die Götin des Wassers
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und des Firmaments, oder Nerevar, den Schutzbefohlenen Morrowinds
und Kriegsfürsten aller Götter.
Morrowind war voller Mythen und Prophezeiungen. Ein
Nebelgeschwader schien diese Insel zu umgeben. In Arrille zeigte sich
vieles, was ich von Morrowind zu wissen glaubte, auch wenn er
glücklicherweise kein Dunkelelf war:
„Seit gegrüßt, ich bin Lucius Mara und neu in Seyda Neen. Mir fehlt
eine Bleibe für die Nacht, außerdem suche ich nach Informationen und
möchte handeln.“
Als wolle er mich umarmen, strecke Arrille seine Hände aus und grinste
etwas zynisch:
„Ahhhh, ein Kenner. Hier seit ihr richtig. Vielleicht stelle ich mich vor?
Ich bin Arrille und Betreiber dieses Hauses, dem einzigen Ort der
Geselligkeit in ganz Seyda Neen. Ich kaufe und verkaufe die
verschiedensten Dingen zu guten Preisen. Glaubt mir: Günstiger als in
der Stadt....(irgendwie konnte ich Arrille glauben, er hatte einen guten
Ruf in Seyda Neen)...Oben im zweiten Geschoss betreibe ich außerdem
eine kleine Taverne, sie ist gerade gut besucht. Ihr bekommt regionale
und überregionale Getränke, ein Zimmer ist ebenfalls noch frei.“
Ich war erleichtert: Die erste Nacht in Morrowind würde also nicht auf
einer kalten Wiese im Wald sein, und auch nicht in einem Kerker,
sondern in einem hoffentlich gemütlichem Zimmer in Arrilles
Handelshaus. Da fiel mir plötzlich wieder ein, dass ich lediglich 87
Draken, eine Flasche Flin, einen verzauberten Ring und immernoch nur
meine Gefängniskleidung bei mir hatte: „Wie viel kostet eine Nacht...?“
„Lediglich 10 Draken. Für eine Woche. Das wird selbst für euch
bezahlbar sein.“
Ich atmete auf. Die Nacht war also gesichert. Schnell bezahlte ich das
kleine Geld und konnte auch noch meine Flasche Flin für 90 Draken
verkaufen. Dank meines Verdienst waren ein Heiltrank und einfaches,
nur leicht angerostetes Kurzschwert erschwinglich. So war ich
wenigstens etwas ausgerüstet.
Den restlichen Abend verbrachte ich in der oberen Etage, trank etwas
Mazte und Greef, aß mein Krabbenfleisch mit Brot und konnte noch
einige Informationen erhalten:
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So gehörte der Ring, den ich gefunden hatte einen im Dorf bekannten
Betrüger, dem Bosmer Fargoth. Er soll einem örtlichem Jäger als
Trickbetrüger Geld gestohlen haben.
Ich wollte mit der Sache allerdings nicht noch mehr zu tun haben,
beschloss also lediglich den Ring als „Ausgleich“ zu behalten.
Außerdem erfuhr ich, dass in diesem Jahr die Steuern für einige
Bevölkerungsgruppen stark erhöht wurden und Processus seit über einer
Woche vermisst wurde. Die Hoffnung ihn lebend zu finden war gering.
Seine Frau, die ich heute ebenfalls schon besucht hatte, war verzweifelt.
Das Puzzle schien sich einfach aufzulösen. Einfacher als die Frage,
warum ich hier bin, in Morrowind. Einem fremden Land.
Die Nacht war trotz der Lautstärke in der Taverne erholsam, ich träumte
seltsame Dinge, von einem Mann auf einem Berg und einem Wesen mit
einer Maske aus Gold. Wahrscheinlich bloß Erinnerungen an meinen
Vater.
Ich wachte ausgeruht auf, der Morgen war wesentlich ruhiger als die
vorherige Nacht. Wie spät es wohl war? Mein bequemes Zimmer bot
keinerlei Orientierung, immernoch flackerten drei Kerzen auf dem
einfachen Holztisch, dem noch zwei rustikale Holzstühle Gesellschaft
leisteten. Neben dem Tisch eine Truhe, wo ich die Tränke und mein
Schwert verstaute. Der weitaus größte Teil des Raumes wurde von dem
großen und gemütlichem Bett eingenommen, welches mir eine gute
Nachtruhe bot. Vor dem Einschlafen hatte ich noch einen Plan
geschmiegt, höchstens eine Woche wollte ich in Seyda Neen bleiben und
dann in Balmora erst Caius Cosades suchen, dann in einer Gilde
anheuern. Die Legion war mein Wunsch. Ich müsste Hauptmann Sellus
Gravius fragen, ob irgendwo eine dauerhafte Arbeitsstelle gesucht
wurde.
Doch hatte das alles noch Zeit. Zuerst galt es herauszufinden, was mit
Processus Vitellius geschehen war, mit der Geldprämie hätte ich eine
Auffrischung meiner Kenntnisse im Kampfe finanzieren. Doch bevor es
soweit war, wollte ich einfach etwas Abstand von meiner neuen Heimat
Seyda Neen gewinnen: Ich wollte mich ausrüsten für mein letztes Geld
und die nähere Umgebung des Dorfes erkunden.
Mit noch etwas schweren Gliedern stand ich also auf, zog meine alte,
zerfledderte Kleidung an und öffnete die Truhe zu meinen Füßen. Die
rostige Klinge blickte mich an und weckte Erinnerungen. Der Griff war
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mit Holz griffiger und fester gestaltet, die Klinge länger als mein Arm
und relativ schmal, in einem matten silber aus einfachem Eisen. Etwas
Rost zierte die Schneide, die aber noch ausreichend Schärfe besaß. Ich
zerschnitt mir beinahe den Finger. Wie souverän ich einst war, als
Knappe des Grauprinzen, wie viel ich von ihm gelernt hatte. Es war so
selbstverständlich zu kämpfen, nun erscheint es mir fast schon fremd,
das Schwert ungewohnt schwer.
Ich nahm das Stück fest in beide Hände und fuchtelte etwas durch die
Luft. Ich war wieder in meinem Element, fühlte mich sofort wieder
verbunden mit diesem Instrument, welches so viel Macht verleihen
kann. Ich glaubte gerüstet zu sein, falls ein Tier nach meinem Fleisch
dürstete. Trotzdem nahm ich die Heiltränke mit und beschloss mir
zumindest einen Harnisch, Helm und Stiefel zu besorgen.
Die Taverne war leer. Auch die Kellnerin, die mir gestern freundlich und
hilfsbereit geholfen hatte, war nicht zu sehen. Die Stühle verwaist, die
Tische leer. Von der unteren Etage konnte ich Stimmen hören. Arrille
war anwesend. Ich schlenderte die Treppe runter. Es war tatsächlich
Arrille mit seiner Frau. Er fragte, ob ich gut geruht hätte und ich
bedankte mir mit einem „Ja“. Glücklicherweise konnte ich mit Arrille
gut feilschen. Für wenige Draken bekam ich einen alten Lederharnisch
mit Eisenelementen, einen nordischen Eisenhelm, Panzerhandschuhe
und verstärkte Lederstiefel. Mit dem Schwert im Gurt, den Tränken in
der Tasche und Mut im Kopf verlies ich Arrilles Handelshaus, folgte
dem Steg zurück zum Dorfplatz und ging nach Norden, über die Brücke,
die den Fluss überquerte, der Seyda Neen spaltete.
Die Sonne stand noch tief, es war frisch und windig. Mir wurde etwas
kalt in meiner dünnen Bekleidung, Seyda Neen war ausgestorbener als
sonst.
Am Ende des Weges eine Gabelung. Die Wegweiser waren in einer mir
unbekannten Schrift verfasst, wahrscheinlich Dunmerisch, die Sprache
der heimischen Dunmer, also der Dunkelelfen, wie sie sich selbst
nennen. Ich wählte den Weg nach links, da rechts die Schlickschreiter-
Station war, allerdings von der Führerin keine Spur. Die riesigen Tiere
waren mir nicht geheuer. Direkt vor mir erhoben sich einige Hügel, sie
waren zu steil zur Erklimmung. Die Landschaft erinnerte mich allgemein
an eine urzeitliche Gegend, überall riesige Bäume, unbekannte Pilze und
Wurzeln und mitten dadurch ein Weg, ungeplastert. Der Wind war
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allgegenwärtig. Wesentlich mehr bewunderte ich die riesigen Pilze auf
meinem Weg, die ähnlich hoch waren die die Bäume. Der Forst
Morrowinds unterscheidet sich stark von jenen in Cyrodill, die
wesentlich geschlossener und dichter, voller Fichten und Laubbäume
waren. Es dominierte eine einzige Baumart, daneben diese seltsamen
Pilze. Immer wieder kleine Rinnsaale und Tümpel, einige Landstriche
wirkten moorig und gefährlich, ich hielt mich auf der Straße und wollte
nicht mehr als einen Kilometer nach Westen. Ich erinnerte mich an einen
Bewohner, der mich vor „Höllenhunden“ warnte, hundeähnliche, riesige
Wölfe mit roten Augen und einem harten, grauen Fell. Ihre Krallen
sollen scharf wie die Klingen der kaiserlichen Wachen sein, ihre Zähne
jede Jägerrüstung durchbohren.
Oder von Kwama-Kriegern, seltsamen Monstern ohne einen Kopf, mit
kleinen Augen und bloß einem großen Maul am vorderen Teil des
Körpers. Normalerweise auf allen vieren laufend, können sie sich
aufstellen wie Bären und waren größer als mancher Bewohner
Morrowinds
Die Ruhe machte mir Angst.
Da links von mir der Strand und das Meer durch die wenigen Bäume
hindurch sichtbar war, bewegte ich mich vorsichtig dorthin, da jene
Kreaturen eher im Wald lebten. Außerdem dachte ich vielleicht eine
Schlammkrabbe oder einen Schlachterfisch zu finden, deren Innereien
ich verkaufen und zu Geld machen konnte. Ein Jäger hatte es mir gestern
in Arrilles Taverne erzählt. Seit einer Begegnung mit einem Rudel
Höllenhunde jagte er nurnoch an der Küste.
Schlammkrabben waren häufig in Morrowind. Eigentlich sahen sie aus
wie ein laufender Panzer, ihr eigentlicher Körper versteckte sich
gänzlich unter jenem kantigem Schutzpanzer aus Horn, nur sechs Beine
und ein Paar Scheren blicken heraus. Die Tiere sind mir aus meiner
Kindheit wohlbekannt. Mit meinem Vater zusammen erlegten wir einst
ein Exemplar, grillten das Fleisch nachher an einem Lagerfeuer und
beobachteten die Sterne, die Vorgeschichte zu jenem, was ich bereits
vorher erzählt hatte. Vielleicht finde ich eine solche Krabbe, dann wäre
mein Essen gesichert. Ich schlich durch das Gestrüpp zwischen Strand
und dem Weg, zwischen Bäumen und gewaltigen Pilzen, durch Gras und
Moos. Eine frische Brise kam mir entgegen, Vor mir erstreckte sich ein
unendlich langer Strand. Westlich entdeckte ich Seyda Neen, den
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Anleger, den Leuchtturm, Arrilles Handelshaus. Ich bewegte mich
langsam durch den weichen Sand, es war mittlerweile früher Vormittag
und ich beschloss mich etwas auszuruhen, obwohl ich bis jetzt recht
wenig getan hatte.
Ich lies mich einfach, vom angenehmen Wind umfächelt unter einem
tiefblauem Himmel, von dem die Sonne schien, in den Sand fallen und
schloss die Augen.
Beim tiefen Einatmen schmeckte ich das Salz in der Luft und fühlte, wie
sich ein Gefühl von Freiheit in mir ausbreitete, eine Spur dessen, was ich
immer fühlen wollte.
Ich reflektierte über die vergangenen Tage, dachte ein wenig an die
letzten drei Jahre im Gefängnis, an meinen majestätischen Abstieg vom
„Knappen“ zum Banditen und meiner Wiedergeburt hier in Morrowind.
Ich begann auch geistlich in dieser anderen Welt anzukommen. Ich
fühlte die Freiheit, die vor mir lag, das Abenteuer und die Gefahr. Über
ganz Morrowind verteilt sollen sich Gruften alter Familien befinden, die
dort ihre letzte Ruhestätte fanden. Ich malte mir die farbenprächtigsten
Geschichten von unermesslichsten Schätzen, nervenaufreibenden
Kämpfen und ruhmreichen Siegen aus, wie ich als Held gefeiert in die
Geschichtsbücher einginge. Ich träumte oft und sehr intensiv, nicht
selten erwachte ich mit einem Schrecken.
So wie an jenem zweiten Tag gegen Mittag während meiner Tagträume,
ich spürte ein Kneifen an meinem Fuß und blickte beim Erwachen in das
fürchterliche Antlitz einer grau-schwarzen Bestie mit tiefroten Augen
und drei scharfen Krallen an jeder der vier Pfoten. Es war ein
Höllenhund, ein vermutlich junges Exemplar. Aber wie bereits der
Grauprinz zu sagen pflegte: „Unterschätze niemals deinen Gegner“.
Während das Monster an meinem Fuß zugange war, zog ich vorsichtig
mein Schwert, bereit es in jedem Moment zum tödlichem Hieb
auszuholen. Mit einem Ruck zog ich mich über den Sand zurück und
sprang auf, erschrocken rannte der Hund los in Richtung Westen, ich
weiß nicht was mich dazu trieb, doch ich rannte ihm hinterher,
Schwertschwingend mit einem Kampfschrei wie ihn mein ehrwürdiger
Meister pflegte. Ich rannte wie ein tollwütiger Wolf dem
bemitleidenswertem Höllenhund hinterher, vorbei an schwimmenden
Schlammkrabben, Baumstümpfen. Durch eine Flussmündung bis zu
einem riesigen Stein mitten auf dem Strand. Die Bestie lief um ihn
22
herum und das Blut gefror in meinen Adern und in meinem Bauchraum
breitete sich ein stechendes Gefühl aus, als ein ausgewachsener
Höllendhund, mindestens acht Ellen in der Länge laut kläffend und
schnauffend vor mir stand. Es schien die Mutter zu sein.
Schützend hielt ich mein Schwert längs auf das Tier, um Abstand zu
halten, es schien angriffslustig zu sein, als würde es liebend gerne einen
Abenteurer wie mich in Stücke fetzen wollen. Ohne einen Schild fühlte
ich mich dem Tier schutzlos ausgeliefert, ich sah nur eine Möglichkeit:
Die Flucht ins Wasser.
Ich täuschte einen Hieb an, worauf der Höllenhund zurückzuckte, rannte
dann wie es mir meine Beine nur erlaubten in die Fluten, um mein
Leben, um meine Existenz, das Tier dicht hinter mir. Ich merkte schnell,
dass ich es nicht schaffen würde und es kam mir wieder jener Tag in den
Sinn, der mich hierher gebracht hatte, ohne zu zielen drehte ich mich
schlagartig um und schleuderte meine Klinge dem Tier entgegen,
welches tödlich getroffen zu Boden sank und unter lautem Gejaule
zugrunde ging.
Schweiß stand auf meiner Stirn. Angstschweiß, Schweiß der
Anstrengung. Ich lag den engen eisernen Helm im nordischen Stil, innen
gefüttert und mit Leder verstärkt ab und setzte mich in den warmen
Sand. Keine zwei Meter vor mir lag das Tier, viele Zentner schwer, mit
einer klaffenden Wunde am Hals und Bauch, daneben die blutige
Klinge.
Ich fühlte, wie sich meine Gefühle langsam wieder fassten und ich
wieder klarer denken konnte. Die Geschichten der verschollenen
Abenteurer kamen mir hoch, wie sie, von Höllenhunden überrascht,
überwältigt und getötet wurden. Und nun saß ich vor dem Kadaver eines
solchen Monsters, in notdürftiger Ausrüstung.
Neben etwas Mitleid für das Tier fühlte ich vorallem tiefen Stolz und
Genugtuung. Ich hatte meine erste größere Kampfprüfung bestanden.
Aber nur durch listiges Vorgehen, nicht durch einen ehrenhaften Kampf.
Ich bemerkte, wie sehr mich mein Verhalten vor über drei Jahren
beschämte, wie ich einst unehrenhaft gegen meinen Gegner kämpfte.
Nun wiederholte sich die Geschichte.
Die Sonne brannte hoch vom Himmel, es war ungewöhnlich warm für
diese frühe Zeit des Jahres. Da Fleisch der Höllenhunde sich verkaufen
lässt, Schnitt ich mit meinem Schwert einige Stücke heraus, wickelte sie
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mit den biegsamen „Ästen“ der ungewöhnlichen Pilzbäume zusammen
und trug sie auf dem Rücken mit. Der junge Hund war verschwunden.
Trotzdem sah ich mich nochmal etwas genauer an jenem großen Stein
um. Er war gräulich, unregelmäßig, sah aber sehr natürlich aus und
gehörte wohl hier zur Fauna. Dieses Werk der Natur beeindruckte mich
zutiefst, ich ging langsam und bewusst um den Stein herum, fuhr mit der
Hand über sein Relief.
Auf der gegenüberliegenden Seite stockte mein Atem wiederum. Aus
einem Hohlraum in diesem Stein blickte das Bein eines Kaiserlichen
hinaus, sein zweites Bein wurde wahrscheinlich von einem der
Höllenhunde angefressen. Eine böse Vorahnung beschlich mich.
Processus Vitellius war Kaiserlicher. Ich zog die Leiche aus dem
Hohlraum heraus und meine Ahnung schien sich zu Bestätigen. Jener
musste seit Tagen dort liegen, war gut gekleidet trug einen wertvollen
Ring.
In seiner Tasche fand ich einen Zettel, ich faltete ihn auf und meine
Ahnung wurde zur Gewissheit. Es war eine Liste mit allen Einwohnern
Seyda Neens und den Steuerbeiträgen, den sie an die Zensuskommission
entledigen mussten.
Ich war schockiert. Proecessus Vitellius war also tot.
Scheinbar hatten die Hunde ihn bei einem Spaziergang überfallen und
ermordet. Allerdings passte mir eine Tatsache nicht ins Bild: Processus
war seit über einer Woche vermisst, die Tat sollte also über eine Woche
her sein. Wieso sind die Hunde nicht über ihn hergefallen. Besser
gefragt: Was suchten zwei Höllenhunde am Strand, wo sie doch
eigentlich Bewohner des Waldes waren?
Ich lies mir die Gedanken immer wieder durch den Kopf gehen. Es sah
so sehr nach einem Unfall aus, aber wieso sollte sich ein Kaiserlicher,
der seit zwanzig Jahren in Seyda Neen heimisch war, sich an diesen Ort
verlaufen und von Höllenhunden angegriffen werden. Es ergab keinen
Sinn. Unweigerlich kam mir ein anderer Gedanke: Könnte es sein, dass
der allseits unbeliebte und harte Steuereintreiber ermordet wurde?
Ich schaute mir den Tatort noch einmal an. Tatsächlich war nirgendwo
Blut, bis auf das angebissene Bein mit frischen Wunden. Woran mag er
gestorben sein? Ich drehte den Leichnam um und meine Augen
fokussierten sofort eine Stelle an seinem Bauch, etwas rechts vom
Bauchnabel: Der Griff eines Dolches blickte heraus, die Geschichte
24
ergab Sinn: Processus wurde also ermordet, sein Leichnam hierher
geschafft und zog mit seinem Geruch die Höllenhunde an. Es schien also
alles sehr einfach abgelaufen zu sein. Der Mann tat mir Leid. Vielleicht
sollte ich den Fund Hauptmann Sellus Gravius melden, damit einige
Wachen das Gelände inspizierten.
Ich schob Processus Leichnam vorsichtig zurück in den ausgehöhlten
Stein, damit nicht wieder Höllenhunde oder Schlammkrabben sich an
ihm vergingen.
Der Rückweg nach Seyda Neen, höchstens eine Stunde Fußmarsch, war
von einseitigem Denken geprägt: Wer konnte Processus Vitellius
ermorden? Aufgefallen waren mir frische Spuren im Sand, die definitiv
nicht von mir stammten. Hatte mich jemand verfolgt? Ich kam mir
jederzeit unbeobachtet vor. Wer sollte von meinen Vorhaben wissen?
Schnell schweiften meine Gedanken aber wieder in Richtung Processus
ab. Vielleicht könnte mir die Steuerakte einen Hinweis liefern, sie war
neben dem eingezogenem Geld in einem Geldbeutel neben ihm der
einzige Hinweis. Ich rollte die edle Schriftrolle aus und war hocherfreut:
Kein Dunmerisch, gute Schrift eines Kaiserlichen.
Processus hatte die Namen derer, die schon bezahlt hatten angekreuzt,
ich konnte lediglich drei Namen ohne Kreuz finden, mit relativ hohen
Summen:
„Foryn Gilnith – 225 Draken“, „Eldafire – 130 Draken“ und „Fargoth –
111 Draken“.
Lediglich der Name Fargoth war mir bekannt. Im ganzen Dorf galt er als
Betrüger und Schlitzohr, aber für einen Mörder hielt ihn niemand.
Eldafire und Foryn Gilnith kannte ich nicht, mich wunderte lediglich die
hohe Summe an Steuergeldern, die jener zu entledigen hatte, die halbe
Summe dessen, was Arrille für sein Handelshaus und sein Anwesen
zahlen musste. Die für normale Bürger lagen bei ca. 100 Draken.
Im Moment gab es noch keine heiße Spur. Mir blieb lediglich übrig den
Vorfall Sellus Gravius zu melden. Mittlerweile war es schon später
Nachmittag und die ersten Fackeln im Ort wurden angezündet. Lediglich
Fargoth und ein mir unbekannter Altmer waren in den Straßen Seyda
Neens unterwegs. Ich fragte mich, wie Hauptmann Sellus Gravius auf
den Vorfall reagieren würde. Ich klopfte an die Tür des Zensus- und
Steueramtes und der mir wohlbekannte Wachsoldat öffnete mir die Türe.
Sellus saß wie beim letzten Treffen in seinem goldenem Harnisch an
25
seinem Schreibtisch und unterschrieb Formulare: „Seit gegrüßt
Kaiserlicher. Habt ihr etwas herausfinden können?“ Ich zögerte etwas,
musste meine Gedanken noch etwas ordnen:
„So ist es. Ich habe Processus Vitellius an einem Strand bei dem großen,
ausgehöhltem Felsen eine Stunde Fußmarsch nördlich von Seyda Neen
gefunden. Er würde wahrscheinlich ermordet, zumindest deutete ein
Dolch in seinem Bauch darauf hin, bei ihm lagen dieser Beutel mit
Goldstücken und eine Steuerakte“...(ich legte beides auf den
Schreibtisch, der Hauptmann blickte bestürtzt auf die Gegenstände, die
Processus Tod bewiesen, dann schien er sich wieder zu fangen).
„Interessant. Ein Mord in Seyda Neen. Habt ihr einen Verdächtigen?“
„Nicht direkt, aber seht in die Steuerakte. Eldafire, Fargoth und Foryn
Gilnith haben noch nicht bezahlt, und speziell Foryn Gilnith hat sehr
große Schulden bei der Steuerkommission. Könnt ihr mir etwas über die
drei berichten?“
Sellus stützte seinen Arm auf den Schreibtisch und den schwer
gewordenen Kopf darauf. Ich nahm Platz.
„Eldafire ist zur Zeit auf Studienreise in Dagon Fel, seht auf diese Karte,
ganz im Norden Morrowinds. Foryn Gilnith ist ein mittelloser Fischer
und wohnt in einem der Fischerhütten direkt neben der
Zensuskommission, soweit ich weiß, ist er hier.
Fargoth ist in der Ortschaft wohlbekannt. Nur fehlen uns die Beweise
dafür, dass er ein Betrüger ist. Ihr habt gute Arbeit geleistet. Nehmt
diese 500 Draken als Bezahlung. Auf den Mörder von Processus
verhänge ich mit sofortiger Wirkung ein Kopfgeld von weiteren 500
Draken. Wenn ihr ihn findet und er sich nicht stellen will, habt ihr das
Recht ihn zu töten.“
Ich konnte Sellus kaum folgen. In Morrowind waren tatsächlich
Kopfgelder und Hinrichtungen recht. Es musste sie nur jemand
wünschen. Als Henker fühlte ich mich unwohl. Sollte ich das wirklich
tun?
„Vielen Dank. Ich werde sehen, was sich machen lässt. Lebt wohl.“
Mit einem Handzeichen verabschiedete sich Hauptmann Gravius von
mir, ich verlies gedankenverloren das Gebäude. Ohne Gerichtsverfahren
hatte ich das Recht den Mörder des Processus Vitellius hinzurichten. Ich
hielt Fargoth nicht für einen Mörder. Sicher, er ist als Betrüger bekannt,
nicht aber als Mörder. Es passte nicht zu ihm. Also blieb lediglich Foryn
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Gilnith, der mittellose Fischer übrig. Ich konnte ihn nicht hinrichten.
Auch wenn ich mir sicher war, es fehlten Beweise. Meine Mutter warnte
mich immer den Assasinnen gleich zu morden, wie die „Dunkle
Burderschaft“ in Cyrodill oder deren Vertreter in Morrowind, die Morag
Tong. Man hatte mir erzählt, sie betrieben ein öffentliches Gildenhaus in
Balmora, meinem nächsten Ziel, während die Dunkle Bruderschaft im
Untergrund arbeitete. Effizient und tödlich. Ich beschloss Foryn
aufzusuchen, aber zuerst in Arrilles Handelshaus nach zusätzlicher
Ausrüstung zu sehen. Ein Bogen war mein Wunsch, wie in jenem Traum
letzte Nacht. Die Sonne war bereits versunken und auch die Taverne
öffnete ihre Türen. Allerdings wünschte ich im Moment keine
Geselligkeit. Zu viel dachte ich über Foryn Gilnith nach. In Arrilles
Handelshaus führte mir sein Namensgeber drei hiesige Bögen
Morrowinds vor, ein einfaches Exemplar aus Chitin, dem
Insektenpanzer, ein hölzerner Langbogen und ein teureres Exemplar aus
Eisen. Es erinnerte mich stark an die Zeit beim Grauprinzen, der mich
auch in der Benutzung des Bogens unterwies. Ich war kein
Meisterschütze, aber relativ zielsicher. Erst damals merkte ich, dass ich
vor wenigen Jahren meinen Traum lebte, für drei Jahre in Dunkelheit
erwachte und nun wieder in meiner Traumwelt angekommen war.
Aus finanziellen Gründen wählte ich den günstigen Langbogen aus Holz
und einige Pfeile aus Eisen, zum Trainieren. Gleich morgen wollte ich
damit anfangen, durch meinen unverhofften Gewinn musste ich ja noch
nicht arbeiten und Arrille bot mir sein Zimmer für lediglich 10 Draken
pro Woche, allerdings nur für die erste Woche. Länger wollte ich aber
auch nicht in Seyda Neen bleiben. Ich bezahlte insgesamt 210 Draken
und verlies zufrieden den Laden. Draußen war es dunkel geworden, die
Sterne leuchteten am Firmament und im ganzen Dorf waren Fackeln zur
Beleuchtung aufgestellt. Es wurde rasch kühler und der Wind lies mich
frieren. Aber ich hatte ja noch eine Aufgabe. Die Frau des Processus
Vitellius, jemand musste ihr die Nachricht überbringen in ihren
einsamen Leuchtturm. Der Weg dorthin war kurz, aber ich bemerkte,
dass meine Rüstung nicht maßgeschneidert war. Mit Schwert und Bogen
in einer kompletten Jägermontur kam ich mir mächtig vor, obwohl ich
schwach war. Ich kam an den Fischerhütten des Dorfes vorbei, eine
Dunkelelfin saß vor ihrer Bleibe. Sie hatte schöne, schulterlange
schwarze Haare und dunkelblaue Augen. Sie sah jung aus und trug
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einfache Kleidung , man sah ihr an, dass sie lediglich eine arme
Fischerin war.
„Seit gegrüßt Dunkelelfin. Wisst ihr, wo Foryn Gilnith wohnt?“
„Gleich hier links neben meinem Haus. Sagt, habt ihr vielleicht...“
Ein Schrei unterbrach unser Gespräch. Er kam direkt vom Leuchtturm,
keine 50 Meter entfernt von mir. Wachen kamen angestürmt, eine Frau
bettelte, flehte. Ich blickte um die Ecke des Fischerhäuschens und
erblickte Einen Dunkelelfen, der eine Kaiserliche festhielt und mit einer
Waffe bedrohte, es schien ein Dolch zu sein.
Die Wachen zogen ihre Schwerter, bereit zum Kampfe und rannten auf
den Entführer zu, wurden aber vom Dunkelelfen gestoppt:
„Bringt mir diesen Kaiserlichen!!! Wenn ihr mir noch einen Schritt
näher kommt, folgt diese elende Kaiserliche ihrem Mann in die Gruft!!!“
Drohend hielt er den Dolch an den Hals der zitternden und schreienden
Kaiserlichen. Nun begriff ich: Es war Foryn Gilnith. Er hatte die Frau
des Processus Vitellius als Geisel genommen um nach mir zu verlangen.
Er war es wohl, der mir am Strand nachgeschlichen ist. Wie konnte er
von meinen Spionagen erfahren?
Doch hatte ich für derartige Gedanken keine Zeit. Die Kaiserliche war in
Gefahr. Sie weinte, flehte, vergoss bittere Tränen, bettelte um ihre
Freilassung. Ihr Geiselnehmer musste sie immer wieder mit Gewalt zum
Schweigen bringen, schlug der bemitleidenswerten Frau ins Gesicht. Ich
musste etwas unternehmen. Die Wachen hatten ihre Waffen abgelegt,
um die Gemahlin des Processus nicht zu gefährden.
Sie standen gute 20 Meter vor ihm und versuchten auf ihn einzureden,
ihn zur Aufgabe zu bewegen. Eine andere Möglichkeit hatten sie nicht.
Lauthals verlangte Foryn wieder nach meinem Leben. Ich stand unter
Zugzwang. Es hätte keinen Sinn auf ihn zuzurennen oder sich an ihn
heranzuschleichen: Ersteres war zu gefährlich, letzteres dauerte zu lange.
Ich hatte aber ja noch meinen eben gekauften Bogen. Lange war es her,
dass ich das letzte Mal mit dieser eleganten Waffe geschossen hatte. Ich
hatte Angst mein Ziel zu verfehlen. Doch Foryn wurde immer wütender
und nervöser. Fassungslos musste ich ansehen, wie er die Klinge über
den Arm der Kaiserlichen zog und sie verletzte.
Ich nahm meinen Bogen und einen Pfeil. Der erste Schuss musste ein
Treffer sein.
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Würde ich nicht treffen, das Leben der Geisel wäre in Gefahr. Würde ich
das Opfer treffen, wäre ich ein Mörder. Meine Hände zitterten, als ich
den Pfeil vorsichtig einspannte und an der Sehne zog. Das Gefühl für
den Bogen war wieder da.
Mittlerweile war ein Großteil des Dorfes auf den Beinen und schaute
dem Geschehen zu, ohnmächtig Hilfe zu leisten. Ich musste einfach
Treffen.
Ich strecke meinen Arm aus und zielte: Die Entfernung war nicht
sonderlich groß.
Wieder verlangte Foryn nach mir. Drohte ein Blutbad anzurichten. Die
Wachen waren hilflos. Am Büro der Zensuskommission konnte ich
Hauptmann Sellus Gravius sehen. Er stand mir Socicus Ergalla dort,
beide beobachteten ernst das Geschehen.
Ich hatte Glück noch unbekannt im Dorf gewesen zu sein. Die Menge
auf dem Platz hätte mich wohl gezwungen auf die Forderung des
Geiselnehmers einzugehen.
Ich hatte Angst. Angst, ein unschuldiges Opfer zu verwunden. Aber ich
musste etwas unternehmen, ich hatte keine Wahl. Ich lies den Pfeil los.
Die Spannung der Sehne löste sich und katapultierte den Pfeil mit einem
pfeiffendem Geräusch nach vorn, Zentimeter vorbei an Foryn Gilnith
schlug jener mit einem Knall in der Türe zum Leuchtturm ein.
Erschrocken machte dieser einen Schritt zur Seite, blickte sich um, und
in diesem Moment traf ihn ein präzise geschossener Pfeil genau in den
Bauch. Foryn kippte stöhnend um, Processus Gemahlin fiel auf die Knie,
weinte, konnte es nicht fassen wieder frei zu sein. Die Wachen eilten ihr
zur Hilfe.
Wer hatte den Schuss abgegeben? Ich drehte mich um, die Menge
bejubelte Hrisskar, einen dorfbekannten Jäger, kaiserlichem Legionär
und Meisterschützen. Er hatte sich wohl unter die Menge gemischt und
auf einen günstigen Moment gewartet seinen tödlichen Schuss
abzugeben. Meinen Fehler nutze er heldenhaft aus. Ich war erleichtert,
glücklich durch den Fehlschuss nicht das Leben eines unschuldigen
Opfers bedroht zu haben, glücklich nicht die Last mit mir tragen zu
müssen den mittellosen Fischer Foryn Gilnith niedergestreckt zu haben.
Jener wurde von den Wachen mitgenommen. Niemand wusste, was mit
ihm geschehen wird.
29
Später erzählte mir eine Wache ich sollte mich im Amt der
Zensuskommission melden. Es wartete eine Belohnung auf mich.
Und die Belohnung war großzügig. Neben den versprochenen 500
Draken durfte ich Foryn Gilniths Haus bewohnen, Hrisskar unterwies
mich in der korrekten Nutzung eines Bogens und frischte meine
Kenntnisse wieder auf. Jener wurde als Held noch nach Tagen in der
Taverne gefeiert. Ich kannte seine Belohnung nicht. Sie musste groß
gewesen sein.
Ich hatte also eine Bleibe in Seyda Neen, damit eine wirkliche Heimat.
Ich hatte genügend Geld für ein neues Leben.
Das Schicksal bot mir ein Leben, wie ich es mir wünschte. In
Morrowind.
Doch warum war ich hier?
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The Elder Scrolls III
Morrowind
Kapitel 4 – Unheimliche Ereignisse
Ich besaß also nach wenigen Tagen Aufenthalt hier in Morrowind bereits
ein eigenes Haus. Vielleicht kein nobles Anwesen, aber genug, um zu
ruhen und meine Gegenstände aufzubewahren. Die Zensuskommission
von Seyda Neen hatte mich beauftragt Foryn Gilniths Haus von seinem
Besitz zu räumen, da er nun mit schweren, aber nicht lebensbedrohlichen
Wunden eingekerkert wurde und hohe Schulden bei der
Zensuskommission hatte. Ich kannte dieses sture Verhalten auch in
Cyrodill. Kaiserliche wurden schnell zittrig, wenn es um finanzielle
Dinge ging.
Gegen Abend also, nachdem ich noch einen Spaziergang am Strand
unternommen hatte und nach einigen Schlammkrabben jagte, suchte ich
erschöpft, aber zufrieden meine neue Bleibe auf. Rein äußerlich wirkte
das Haus sehr heruntergekommen: Eine kleine Holzhütte ohne Fenster
mit einem Reetdach. Die Fassade war bereits grau geworden, die kleine
Überstand am Dach nurnoch gerade so von zwei Balken gestützt. Die
Tür öffnete sich nur schwer und mit einem Knarren, ein hölzern-bitterer,
muffiger Geruch flog mir aus dem inneren entgegen. Direkt vor mir
befand sich mein Schlafplatz, eine etwas bequemere Variante einer
Matzraze, dadrunter einige Kisten und Tonnen, rechts von mir, in der
Ecke eine kleine Feuerstelle, daneben eine Bank zum Hinsetzen und ein
einfacher Holztisch. Der Fußboden war kühl. Das Feuer brannte nicht
mehr. Auf einigen Stöcken waren Fische aufgespießt, ich konnte nicht
beurteilen wie lange sie schon an diesem Ort in diesem Zustand standen,
aber sie schienen für den beißenden Geruch im inneren der Barracke
verantwortlich zu sein.
Trotz der kleinen Unannehmlichkeiten hatte ich Gefallen an dieser
Bleibe. Ich empfand die Atmosphäre, die die zwei kleinen Kerzen auf
dem Tisch erzeugten sehr erholsam.
Es würde so oder sie nie ein Zuhause für längere Zeit bleiben.
Ich legte Rüstung und Bewaffnung ab und begann mit den
Aufräumarbeiten. In den Tonnen fand ich alte Kleidung, viele Flaschen
Mazte und Greef. Ich wunderte mich schon woher ein armer Fischer das
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Geld für solche nicht günstigen Getränke besaß, als ich ganz unten in
einer alten, vermoderten Tonne einige Flaschen Flin und ein heimisches
Getränk, Cyrodillischen Weinbrand fand. Wenn Foryn kein Dieb war,
musste er noch ein anderes Einkommen besitzt haben.
Die Entdeckungen machten mich neugierig: Hatte er unter Umständen
mit Fargoth zu tun? Waren beide die berüchtigten Trickbetrüger? War
Foryn sein Komplize?
Schon als ich das Haus betreten hatte, fiel mir gleich die große, mit
Eisen verstärkte Truhe unter der Schlafmatraze auf. Sie wurde gut
verschlossen, so sehr ich auch rüttelte und mit dem Schwert hantierte,
sie ließ sich nicht öffnen, ich brauchte die Hilfe eines Spezialisten, der es
verstand Schlösser zu knacken.
Unweigerlich drängte sich mir Fargoth auf: Ich besaß noch seinen Ring.
Da ich Magie nur sehr schlecht beherrschte, war er nutzlos für mich, an
seinem Leuchten konnte ich lediglich erkennen, dass er verzaubert war.
Doch wurde ich zu müde, um weiter darüber nachzudenken.
Ich beschloss also, die Dinge ruhen zu lassen und morgen weiter daran
zu arbeiten. Ich zog ein Schlafgewand an, welches ich bei Arrille
gekauft hatte, löschte die Kerzen und legte mich in die Hängematte, es
war bequem und ich würde sicherlich gut schlafen können.
Nach einiger Zeit war ich auch eingeschlafen, wurde aber mitten in der
Nacht durch ein Klappern an der Türe unsanft geweckt. Ich hielt es
zuerst für den Wind und dachte mir nicht viel weiter dabei, allerdings
vernahm ich, während das Klappern kurz innehielt, dass es draußen
Windstill war und lediglich etwas regnete. Es waren also gewiss keine
Wachen mehr unterwegs. Das Klappern wurde stärker, ging in ein
Zerren über. Die Tür drohte einzubrechen. Was war dort los? Ich hob
mein Schwert auf, welches neben mir an eine Tonne gelehnt war und
schlug mit der flachen Seite auf die Tür. Meine Gefühle überschlugen
sich, als die Geräusche aufhörten und ich stattdessen einen dumpfen,
eingeschüchterten Ruf hörte, einen heruntergefallenen massiven
Gegenstand und Schritte, die sich schnell entfernten und schließlich
verstummten. Ein Höllenhund? Schlammkrabben? Die Geräusche
ergaben keinen wirklichen Sinn, machten mir aber Angst, auch wenn sie
regelrecht „verschwunden“ waren, ich stelle noch zwei schwere Tonnen
vor die Tür, öffnete sie aber vorher erst um nach dem Rechten zu sehen.
Es war finster und regnete, die Fackeln von Seyda Neen waren gelöscht,
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keine Wache patroullierte mehr, aber ein verbrannter Geruch, nach
Lampenöl und Tüchern stieg mir in die Nase. Ich blickte nach unten in
den Schlamm vor der Haustür und sah eine Fackel. Gelöscht, aber noch
leicht glimmend.
Unbewusst ergriff mich die Panik: Die Geräusche kamen nicht von
einem Tier. Es musste ein Einbrecher gewesen sein. Einbrecher, die
Fischerhütten ausraubten waren in meinen Augen aber nicht schlüssig.
Vielleicht war es Fargoth gewesen. Ich dachte an mein Treffen mit ihm,
morgen, oder doch schon heute? Es gab keinen Anhaltspunkt für die
Uhrzeit. Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Aber Hauptmann Sellus
Gravius` Vermutung schien sich zu bestätigen. Das einst idyllische
Dörfchen Seyda Neen war kein sicherer Ort. Ich musste mich vorerst mit
der Vermutung zufriedengeben, dass es Fargoth gewesen sein könnte.
Ich verschloss die Türe wieder und legte die Fackel in eine leere Tonne
in der Hausecke. In der Barracke war es kühl geworden, ein Feuer wollte
ich zu dieser späten Stunde aber nicht mehr entfachen. Ich zog also noch
einige Kleider an und kramte eine alte Decke hervor. Leicht schlotternd
in meiner Schlafhängematte schlief ich schließlich ein.
Die Nacht blieb aber wenig erholsam. Müde wachte ich nach einiger
Zeit wieder auf und zog meine Alltagskleidung an. Es roch nicht mehr
so unangenehm in meiner Hütte, ich begann mich wohl zu fühlen. Zuerst
aß ich noch etwas Brot und Krabbenfleisch, trank etwas Greef. Ich malte
mir aus, wie dieser Fargoth wohl sein könnte, ob er mir überhaupt helfen
würde. Ich hatte aber noch einen Trumpf im Ärmel: Seinen Ring, er
schien alt und wertvoll zu sein. Mit etwas gemischtem Gefühl öffnete
ich die Tür. Die Sonne schien, es war angenehm warm, kurz vor der
Mittagszeit. Auf dem Dorfplatz war viel los, mich wunderte, dass alle
Wachen auf den Beinen waren und sich die Einwohner um ein Haus
versammelten. Ich beschloss nachzusehen, was passiert war. Aus Furcht
durch die Ereignisse der letzten Nacht drehte ich mich aber nochmal um,
wollte die Tür meiner Barracke abschließen und weitete beim Anblick
der Eingangstüre meine Augen: In großen Buchstaben war das
dunmerische Wort für Fremdländer, „Mutsera“ eingeritzt. Ich bekam
weiche Knie. Der nächtliche Besucher schien mich wohl erst noch
einmal warnen zu wollen. Eine Befürchtung überkam mich: War es
Foryn gewesen? Oder Fargoth? Wie konnte ersterer aus dem Gefängnis
33
ausbrechen? Fargoth hingegen wäre geschickt genug die Tür leise zu
öffnen.
Es ergab keinen Sinn mehr. Ich fühlte mich nicht mehr sicher in Seyda
Neen.
Immerhin war es hell, Wachen und Einwohner füllten den Dorfplatz, im
Moment hatte ich nichts zu befürchten. Verträumt bewegte ich mich in
Richtung Dorfplatz, wo die Massen lediglich betroffen dastanden. Es
musste etwas passiert sein. Mein altbekannter Freund Arrille stand
ebenfalls dort. Ein ungewohnter Anblick. Ich gign auf ihn zu und fragte,
ob er etwas wusste.
„Habt ihr es noch nicht mitbekommen? Fargoth wurde ermordet.“
Mein Kopf war plötzlich leer. Ich konnte nicht wirklich glauben, was
geschehen war.
„Wie konnte das passieren? Haben die Wachen bereits etwas
herausgefunden?“
„Nein. Sie sehen sich gerade den Tatort, Fargoth´s Haus an. Man fand
ihn heute morgen vor seiner Haustüre liegend mit einem Dolch im
Bauch. Der zweite Mord innerhalb weniger Tage. Ich weiß nicht, was
ich tun soll.“
Freilich konnte ich Arrilles Sorgen gut nachvollziehen. In der
Vergangenheit war nie etwas in Seyda Neen geschehen, kurz vor meiner
Ankunft aber ein Mord, kurz danach wieder einer. Wer hatte die beiden
auf dem Gewissen. Standen sie in irgendeinem Zusammenhang? Fest
stand nur: Wer auch immer diese Tat vergangene Nacht begangen hatte,
er trachtete auch nach meinem Leben.
Ich verabschiedete mich von Arrille und wusste nichtmehr, was ich
machen sollte. Mein Leben war in Gefahr.
Ich musste herausfinden, was hinter den Geschehnissen der letzten Tage
steckte.
Mir blieb als Kontaktperson lediglich Hauptmann Sellus Gravius. Auch
er beobachtete die letzten Tage mit kritischem und nervösem Blick.
Nachdem ich mir in Arrilles Taverne ein gutes Essen gekauft hatte,
besuchte ich am Nachmittag sein Büro.
Ich wurde nicht wie gewohnt freundlich empfangen. Hauptmann Sellus
schien gestresst gewesen zu sein: „Ah, der Neue. Wollt ihr auch diesen
Mord aufklären?“. Er sagte dies in einem unfreundlichem und
respektlosem Ton. Es ärgerte mich sehr:
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„Ich würde gerne mein bestes tun um das Dorf und die Legion zu
unterstützen. Könnt ihr mir eine Empfehlung für den Beitritt in die
Kaiserliche Legion geben?“
Die Idee kam mir spontan. Ich fühlte mich berufen der Legion zu dienen.
„Ihr in die Legion? Vor wenigen Tagen noch wart ihr Gefangener,
Kaiserlicher. Glaubt ihr, dort bestehen zu können?“
„Sicher. Ich wurde vor meinem Gefängnisaufenthalt im Kampf mit
Schwert und Schild ausgebildet, lernte die Schmiedekunst und das
Tragen schwerer Rüstungen. Ich habe das meiste noch nicht vergessen.“
„Selbst wenn das nicht der Wahrheit entsprechen sollte: Für eure gute
Arbeit im Fall Processus Vitellius habt ihr meine Empfehlung. Ich werde
sie in den nächsten Tagen an die Garnison in Gnisis schicken. Sucht dort
nach dem Garnisonsleiter und Ausbilder General Darius.“
Meine Laune besserte sich, auch Hauptmann Sellus sah zufriedener aus.
Ein gutes Gespräch scheint viel bewegen zu können. Ich fragte mich, ob
ich von dem erzählen sollte, was ich in der Nacht erlebt hatte, und von
der Schnitzerei an meiner Türe. Doch ich entschied es für mich zu
behalten und auf eigene Faust weiter zu suchen. Ich fühlte mich mehr als
stark genug mich im Falle eines Angriffs verteidigen zu können.
„Habt ihr schon irgendwelche Anhaltspunkte im Fall „Fargoth“?“
Hauptmann Sellus schaute verlegen: „Es sieht so aus, als hätte ihn
jemand auf frischer Tat ertappt. Es kursierte schon länger das Gerücht,
dass er für die Diebstähle in Seyda Neen verantwortlich war. Nun
scheint der Gerechtigkeit genüge getan zu sein. Vielleicht war es auch
Selbstmord. Allerdings ist die Zensuskommission nicht sehr motiviert
den Fall weiter zu bearbeiten. Es ist zu offensichtlich.“
Ich runzelte die Stirn. Der Hauptmann der Küstenwache und Mitarbeiter
der Zensuskommission zeigte kein Interesse an der Aufklärung des
Falles. Ich musste irgendwie an Informationen rankommen:
„Wurden in seinem Haus denn gestohlene Gegenstände gefunden?“
„Das gesicherte Diebesgut wurde eingezogen und wird nach einer
Prüfung ausgegeben.“
Sellus wirkte seltsam verschlossen und desinteressiert.
„Gibt es Zugang in das Gebäude?“
„Ihr habt Interesse am Fall? Hab ich das nicht bereits gesagt....Ich
empfehle euch dringend dieses Schreiben mitzunehmen und General
Darius aufzusuchen. Und jetzt lebt wohl, ich muss arbeiten.“
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Hauptmann Sellus stand auf und ging in ein Hinterzimmer. Ein Soldat
bat mich das Büro zu verlassen. Ich war wohl unerwünscht.
Das Gespräch hatte nicht viel genützt, ich wusste jetzt fast noch weniger
als vorher. Die Geschichte kam mir seltsam vor, ich begann an dem, was
ich gesehen hatte zu zweifeln. War Foryn garnicht der Mörder? Und
warum wurde Fargoth umgebracht? Wo war Foryn nun zu finden?
Hauptmann Sellus hatte mir zu diesem Thema jegliche Auskunft
verweigert. Er soll nach Solstheim gebracht worden sein war das
einzige, was er mir sagen wollte.
Mir kam die verschlossene Kiste in meinem, nunja, in Foryns Haus
wieder in den Sinn, wo mir Fargoth helfen sollte sie aufzuschließen.
Ich ging mit langsamem Schritt in Richtung Baracke, mittlerweile war
es früher Abend geworden, der Himmel war wolkenverhangen. Ich
öffnete die Tür und setzte mich auf den einfachen Holzstuhl am Esstisch.
Wie sollte ich an das innere der Kiste herankommen? Ich hatte sie schon
mehrmals gerüttelt, sie war gewiss nicht leer. Ich ärgerte mich sehr über
den Mord an Fargoth.
So hätte er mir noch nützlich sein können und ich hätte ihm seinen Ring
wiedergeben können. Ich nahm ihn aus der Tasche und sah das
Schmuckstück genauer an. Der Bogen war aus Gold, verschiedene
Namen waren eingraviert, ganz am Ende stand „Fargoth“. Es schien ein
Erbstück gewesen zu sein. Der ganze Ring glänzte bläulich und hatte
einen Diamanten aufgesetzt. Sicherlich war er verziert und wertvoll. Ich
brachte es aber nicht übers Herz ihn zu verkaufen. Mein Gewissen
belastete mich: Ich hätte Fargoth vor seinem gewaltsamen Tod den Ring
zurückgeben müssen. Nun war es aber zu spät.
Ich aß noch etwas Krabbenfleisch mit Brot und genoss das Leben,
welches ich führte. Fast vergaß ich die Gefahr, in der ich schwebte und
wie dringend ich Informationen brauchte. Die Kiste, die mythische Kiste
schien zu schreien: „Öffne mich“. Es war wohl meine Neugier. Ich zog
wiederum mein Schwert, hockte mich vor sie hin, nahm das Schloss in
die Hand und wurde blass:
Es war geöffnet worden. Jemand war in mein Haus eingebrochen.
Hatte ich vergessen abzuschließen? Sicherlich war es die Diebesgilde,
von der mir mein Vater ebenfalls erzählte und die ihn nicht selten um
einige Goldstücke erleichtert hatte. Allerdings galt die Diebesgilde
immer als angesehene Truppe, da sie nicht aus Habgier, sondern Mitleid
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stahlen: Sie verteilten ihren Gewinn in Armenvierteln, galten also als
Engel der Armen.
Was ich vor mir fand passte jedoch nicht in das Bild der Diebesgilde.
Ich war gewiss kein reicher Bürger, es wäre sinnvoller, wenn die
Diebesgilde zu mir käme und Geld überreichte.
So weit war es aber noch noch nicht.
Zuerst schaute ich mich genau in meiner Barracke um, durchwühlte alle
Fässer und Schränke. Es fehlte nichts. Sogar mein Geld, immerhin
beinahe 500 Draken stand immernoch fein sortiert auf dem Esstisch.
Ich hatte es heute nicht dabei gehabt und es wurde nicht gestohlen.
Nach einiger Kramerei kam ich zu dem Schluss, dass wirklich nichts
fehlte, alles war an seinem Platz. Jetzt überkam mich die Neugierde:
War noch in der Kiste alles drinnen? Spielte mir jemand einen Streich?
Ich öffnete sie mit Bedacht und wurde enttäuscht: Sie war leer. Jemand
hatte vorausgesorgt, dass sich den Inhalt nicht zu sehen bekomme.
Ich durchwühlte die Kiste und fand dann aber tatsächlich noch einen
versiegelten Brief, auf der Rückseite stand auf Dunmerisch, aber in der
Kaiserlichen Schrift: „Mutsera“.
Fremdländer. Die selbe Aufschrift also, wie ich sie gestern Nacht auf
meiner Haustüre gefunden hatte.
Mit zittrigen Fingern öffnete ich das Kuvert und zog einen Zettel heraus,
sauber gefaltet, auf vergilbtem, altem Papier. Ich klappte ihn auf:
Wir wissen, dass du hier bist, Fremdländer.
Wir wissen, wo du wohnst, Fremdländer.
Wir wissen, dass du sterben wirst, Fremdländer.
Die Prophezeiung wird sich nicht erfüllen.
Fliehe, oder stirb.
Du stehst unter Beobachtung.
Tu, was wir von dir verlangen, oder trage die Konsequenzen.
Morag Tong
Ich hatte die Bedrohung nun Schwarz auf Gelb. Die Morag Tong
beobachtete mich also. Wie lange taten sie das bereits? Angstschweiß
lief mir die Stirn hinunter. Mein Herz raste, ich versuchte krampfhaft
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meine Gedanken zu ordnen. Ich war also in Gefahr. Ich musste Seyda
Neen verlassen. Unerkannt. Ohne zu wissen, ob ich beobachtet wurde.
Ich war verzweifelt, warum bedrohte die Morag Tong mein Leben?
Mir blieb also lediglich die Möglichkeit zu fliehen, oder abzuwarten.
Ich unterdrückte meine Ängste und beschloss zu bleiben, meine Existenz
notfalls mit dem Schwert zu verteidigen.
Ich wollte auf meine Fähigkeiten vertrauen, dachte nur bis in die nächste
Nacht. Ich entschied schnell und ohne viel zu denken mich auf die Lauer
zu legen und abzuwarten, was passierte. Ich konnte nicht außerhalb
meiner Baracke warten, ich musste drinnen bleiben, weil ich den wohl
allgegenwärtigen Spion fürchtete.
Ich wünschte der Grauprinz könnte hier sein und mich unterstützen.
Aber ich war allein.
Ich musste es selber schaffen.
38
The Elder Scrolls III
Morrowind
Kapitel 5 – Das Erbe
Ich zog langsam meine einfache Rüstung an. Ich hatte keine andere
Wahl als ihr zu vertrauen. Mein Schwert lag, bereit zum Kampfe auf
meiner Hängematte. Ich nahm es fest in die rechte Hand, fuhr mit der
anderen über die Klinge. Es war noch mehr als ausreichend scharf. Ein
Schild brauchte ich nicht.
Ich setze mich noch kurz an den Esstisch und nahm einen Schluck Greef
um mir Mut zu machen, löschte die Kerze und setze mich an die Tür.
Draußen war es still. Es regnete und ein stürmischer Wind fegte durch
die Gassen des Dorfes. Es zog gewaltig in meiner undichten Baracke. So
würde ich nie hören, ob sich jemand anschlich.
Ich lauschte gebannt in die unwirtliche Umgebung. Die Zeit verstrich,
meine Augenlieder wurden schwerer und schwerer.
Die Aufregung und Angst alleine reichten nicht, um mich wach zu
halten. Ich kämpfte gegen die immer stärker werdende Müdigkeit, bis sie
schließlich nach einem langen Kampf siegte.
Ich wurde, unwissend wie lange ich geschlafen hatte, durch Geräusche
an der Tür geweckt. Der Regen war stärker geworden, der Wind zum
Sturm angewachsen. Ich hörte, wie Metall auf Metall schlug, wie Holz
knarrte. Ich war plötzlich wieder hellwach. Mein Herz schlug schneller,
mein Atmen wurde unregelmäßiger und intensiver.
Ich musste still bleiben, konnte meine Panik aber nicht mehr bändigen.
Blind vor Angst ergriff ich das Schwert und stieß es mit aller Kraft
durch die Tür:
Zwei Holzbalken barsten, ein lauter, dumpfer Schrei kam mir entgegen,
ich hörte wie der nächtliche Besucher stöhnend zusammen mit einem
metallischem Gegenstand zu Boden fiel.
Meine Klinge schien ihn verletzt zu haben.
Ich stieß mit aller Gewalt die Tür auf und warf mich blind auf die in der
Nacht unsichtbare Gestalt. Eine Fackel brannte noch leicht, drohte im
Regen zu verlöschen. Ich erkannte ein Wesen in schwarzer Kleidung:
Einem schwarzen Gewand, schwarzen Schuhen und einem schwarzen
Tuch um den Kopf gewickelt. Die Gestalt stöhnte und atmete noch leise.
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Ich stand auf, mein Blut kochte, mein Denken wurde wieder etwas
klarer, ich schrie den Angreifer an:
„Was wollt ihr von mir! Warum lässt ihr mich nicht in Frieden!“
„Die Gestalt wendete sich langsam und ächzend auf den Rücken. Ich
erkannte im fahlen Licht der Fackel das Gesicht eines Dunkelelfen:
„Mein Herr wird mich reich belohnen, Mutsera“
Die Antwort reizte mich, ich griff nach meinem Schwert und hielt es
drohend vor das Gesicht des Dunkelelfen. Zorn und Mordlust
überkamen mich.
„Sag was ihr von mir wollt oder sterbt!“
Die Gestalt lächelte schwach. Er schien es nicht mehr lange
durchzuhalten, die Wund im Bauchraum blutete stark. Sollte ich ihn
retten?
„Ich werde leben, ihr werdet sterben. Ihr verfluchten Hunde vom
Kaiservolk werdet Morrowind niemals beherrschen, dafür wird mein
Herr sorgen.“
Zornesröte stieg mir ins Gesicht, ich holte drohend zu einem
Schwerthieb aus, als der Dunkelelfe in seine Tasche griff, eine
Trankflasche herausholte, sie panisch öffnete und gierig
herunterschlang.
Ich fürchtete einen Stärke- oder Heiltrank.
Doch die Gestalt starb mit einem schwachen Ruf und einem
schmerzverzerrtem Gesicht: „Es lebe Dagoth Ur.“
Seine Beine und Hände entspannten sich, die Trankflasche rutschte in
den Schlamm. Auf dem Etikett konnte ich deutlich erkennen, dass es
Gift gewesen war.
Kalter Schweiß lies mich frieren, der salzige Wind und Regen benetzten
mein Gesicht. Angst überkam mich.
Vor mir lag die Leiche eines Dunkelelfen. Ich wusste nicht, was ich tun
sollte, eintausend Gedanken kamen mir in den Kopf: Sollte ich den
Vorfall an Hauptmann Sellus melden? Sollte ich die Leiche im Meer
versenken? Sollte ich sie erst durchsuchen?
Ich entschied mich für letzteres. Notdürftig reparierte ich die Tür mit
einigen Holzleisten und einigen Nägeln. Im Dorf war es ruhig, die
Wachen patroullierten nicht mehr, was mich verwunderte.
Wenn ich Hauptmann Gravius wäre, ich würde Wachen anfordern,
welche die ganze Nacht auf die Einwohner Seyda Neens aufpassten.
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Aber ich war nicht Sellus Gravius, sondern Lucius Mara. Und ich war
nicht Hauptmann der Küstenwache und nicht Mitarbeiter des
Zensusbüros, sondern ich stand hier in meiner Hütte mit der Leiche eines
Meuchelmörders.
Die Fackel war mittlerweile erlöscht, ich verschloss die Tür meiner
Baracke und zündete die Kerzen auf meinem Esstisch mit dem letzten
Glimmen der Fackel an.
Es wurde angenehm hell. Ich konnte das Gesicht sofort identifizieren,
was mich aber mehr beunruhigte als freute:
Es war Jiub, mein Unterdecksgenosse in der gegenüberliegenden Zelle.
Ich konnte den Anblick nicht ertragen. Was suchte er in Seyda Neen?
Warum wollte er hier in das Gebäude einbrechen?
Die Ereignisse überschlugen und verschachtelten sich bedrohlich.
Ich brauchte Informationen, mein Wissenshunger war unerträglich
geworden. Was hatte es vorallem mit einer „Prophezeiung“ im Brief aus
der Truhe zu tun?
Mir blieb nichts Anderes übrig als Jiubs Leiche zu untersuchen und nach
aufklärenden Gegenständen zu suchen.
Unter dem Gewand fand ich einen Dolch, wie ich ihn auch bei Processus
fand und welcher vielleicht auch Fargoth den Tod brachte.
Ich legte ihn zur Seite und durchsuchte die Taschen. Ich erblickte eine
seltsame Statue aus Eisen: Auf ihr war die ungewöhnliche Götze eines
großen Wesens mit einer goldenen Maske abgebildet.
Wie in meinem Traum. Meine Verwunderung stieg noch, als ich einen
Zettel mit Notizen, wahrscheinlich Befehlen, fand.
- Processus Vitellius töten
- Steuerakte fälschen
- Verdacht so auf beliebigen Einwohner lenken
- Sellus Gravius und Socicus Ergalla mit Mord drohen, zur
Zusammenarbeit zwingen
- Mutsera nach Mörder suchen lassen
- Keinen Moment aus den Augen verlieren
- Verräter Fargoth eliminieren
- Verdacht auf Mutsera lenken, durch Zensuskommision einsperren
und exekutieren lassen
- Streit zwischen Besatzern und Kaiser zum Angriff nutzen
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Die Ereignisse der letzten Tage waren also hinterhältig von der Morag
Tong geplant worden. Ich sollte als Schuldiger dastehen.
Ein Rätsel von mehreren Tagen löste sich in wenigen Momenten.
Es stand alles auf diesem Notizzettel.
Jiub war also der Mörder von Processus und Fargoth, hatte Foryn
unschuldig in das Gefängnis gebrachtund legte mir die Fährten aus. Er
war es, der mich verfolgt und die beiden Nächte besucht hatte.
Fargoth schien zu viel gewusst zu haben. Er musste irgendwie an
Informationen gekommen sein.
Jiub war es also auch, der die Mitarbeiter der Zensuskommission
erpresst hatte.
Die Geschichte ergab einen Sinn. Nur der Sinn nicht. Man versuchte
mich wieder in das Gefängnis zu bringen. Die Morag Tong versuchte
es. Ich verstand den Sinn nicht. Wenn man mich loswerden wöllte, hätte
man mich einfach jederzeit ermorden können. Dafür wäre ein Transport
nach Morrowind nicht notwendig, auch wenn die Geschichte so sehr
sauber ausklingen würde.
Doch war da das Problem: Der Kaiser selbst hatte es befohlen mich
freizulassen. Ich bezweifelte stark, dass Uriel Septim von solchen fernen
Mächten beeinflusst worden war. Die Morag Tong plante einen Angriff
auf die Kaiserlichen Besatzern. Doch welche Funktion hatte ich in
diesem gewaltigem Puzzle? Warum schickte der Kaiser einen
Gefangenen, statt einer Armee? Wer sorgte dafür, dass ich trotzdem
noch lebte, dass das Schicksal mir gewogen war?
Es schien eine Macht zu geben, die mich beschützte.
Eine Macht, die mich stark machte.
Ich hörte auf zu denken und suchte weiter Jiubs Gewand nach Indizien
ab. Zu guter letzt fand ich also noch neben anderen Kultgegenständen
ein Buch: „Die Rückkehr“. Ich schlug es auf und musste enttäuscht
feststellen, dass es in einer mir unbekannten Schrift verfasst war.
Der Titel kam mir mystisch, geheimnisvoll vor. War es eine wahre
Geschichte? Eine Prophezeiung? Ein Roman? Ich musste jemanden
finden, der mir dieses Buch übersetzen konnte.
Doch zuerst musste ich mein weiteres Vorgehen überdenken. Schließlich
lag noch Jiubs Leiche hier in meiner Baracke. Ich wollte den ehrlichen
Weg wählen, mich den Wachen stellen. Doch hatte ich nicht genügend
Beweise für meine Unschuld. Vielleicht würde selbst Hauptmann Sellus
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Gravius seinen Erpresser absichtlich nicht mehr erkennen. Doch blieb
mir keine andere Wahl. Ich musste jetzt sofort etwas unternehmen, je
mehr ich aber nachdachte, desto schwerer fiel es mir die Sache dem
Hauptmann vorzutragen. Ich befürchtete selbst in den Kerker gesteckt zu
werden, schließlich wurde hier eine brenzlige Sache totgeschwiegen,
wahrscheinlich hatte man in Fargoth´s Haus Indizien für seine
Nachforschungen auf diesem Gebiet gefunden und vernichtet. Vielleicht
war er kein Trickbetrüger, sondern lediglich ein neugieriger Bürger.
Vielleicht diffamierte ihn die Kommission bewusst als Betrüger.
Ich witterte eine Verschwörung und hatte keine wirkliche
Vertrauensperson. Mir blieb lediglich der Mann, an den ich mich hätte
eigentlich wesentlich früher wenden sollen: Caius Cosades in Balmora.
Mir blieb also nur die eine Möglichkeit. Ich musste zu ihm.
Vielleicht wüsste er, was hier gespielt wurde. Ich begann zu denken wie
ein Meuchelmörder: Ich musste die Leiche irgendwie loswerden, selbst
wenn ich unschuldig war durfte niemand dahinter kommen.
Ich öffnete die Türe, es war noch genauso stürmisch und regnerisch wie
eh und je, und zog die Leiche nach draußen. Der Boden war völlig
durchnässt von den Wassermassen, der Wind behinderte mein
Vorankommen. Stück für Stück zog ich Jiub aus der Baracke und an das
Meer. Auf dem Dorfplatz war immernoch Nachtruhe.
Aus Anstrengung zögerte ich einen Moment und hielt inne.
Da überkam mich ein seltsames Gefühl.
Ich blickte auf die Leiche, sie bewegte und fing an mit einem rötlichem
Licht zu glühen, panisch rannte ich weg und bemerkte lediglich noch
einen grellen, rot-schwarzen Lichtblitz und es war wieder dunkel.
Ich schaute mich um. Der Wind pfiff laut durch die Gassen und der
Regen war kalt, der Leichnam nicht mehr auffindbar. Ich ging zurück an
die Stelle, wo er eben noch lag, fand dort aber nurnoch einen leicht rot
schimmernden Stein. Ich kannte diese Steine aus Cyrodill. Es war ein
Seelenstein. Mit Seele, ich konnte an dem Licht eindeutig erkennen, dass
der Stein geladen war. Mit großen Augen blickte ich ihn an und
wunderte mich: War es das, wovon Jiub gesprochen hatte?
Lebte er dort weiter? Wo aber war sein Körper?
Steckte Dagoth Ur dahinter, jener hochmütiger und dunkler Halbgott?
Ich lies die Ereignisse ruhen und legte mich durchnässt, aber erleichtert
schlafen. Morgen würde ich zu Caius Cosades gehen.
Die Nacht war ruhelos, geplagt von finsteren Alpträumen. Selbst als ich
eigentlich schon aufgewacht war, sah ich seltsame Gestalten und in
meinen Träumen Kreaturen wie auf jener Götze, die Jiub bei sich trug.
Ich erwachte also unausgeschlafen und erschöpft um die Mittagszeit und
beschloss alles an Besitz einzupacken und nach Balmora zu gehen,
allerdings ohne eine kleine Überraschung für Hauptmann Sellus
Gravius: Da es noch früher Morgen war und noch die Nebelschwaden
über dem Boden schwebten, ging ich zu Arrille, der bereits geöffnet
hatte und kaufte ein Gefäß: Dorthinein steckte ich Jiubs Notizzettel, die
Götze und den gestern gefundenen Seelenstein. Ich bat Arrille noch um
Schweigen, wer dieses Gefäß gekauft hatte, aber es war
selbstverständlich, da sein Handel dem Geschäftsgeheimnis unterlag.
In aller Herzlichkeit verabschiedete ich mich von dem einzigen
Einwohner Seyda Neens, der mir sympathisch war und machte mich auf
zur Schlickschreiterplattform um auf eine Reise nach Balmora zu warten
den Arm der Kaiserlichen zog und sie verletzte.
Ich nahm meinen Bogen und einen Pfeil. Der erste Schuss musste ein
Treffer sein.
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Würde ich nicht treffen, das Leben der Geisel wäre in Gefahr. Würde ich
das Opfer treffen, wäre ich ein Mörder. Meine Hände zitterten, als ich
den Pfeil vorsichtig einspannte und an der Sehne zog. Das Gefühl für
den Bogen war wieder da.
Mittlerweile war ein Großteil des Dorfes auf den Beinen und schaute
dem Geschehen zu, ohnmächtig Hilfe zu leisten. Ich musste einfach
Treffen.
Ich strecke meinen Arm aus und zielte: Die Entfernung war nicht
sonderlich groß.
Wieder verlangte Foryn nach mir. Drohte ein Blutbad anzurichten. Die
Wachen waren hilflos. Am Büro der Zensuskommission konnte ich
Hauptmann Sellus Gravius sehen. Er stand mir Socicus Ergalla dort,
beide beobachteten ernst das Geschehen.
Ich hatte Glück noch unbekannt im Dorf gewesen zu sein. Die Menge
auf dem Platz hätte mich wohl gezwungen auf die Forderung des
Geiselnehmers einzugehen.
Ich hatte Angst. Angst, ein unschuldiges Opfer zu verwunden. Aber ich
musste etwas unternehmen, ich hatte keine Wahl. Ich lies den Pfeil los.
Die Spannung der Sehne löste sich und katapultierte den Pfeil mit einem
pfeiffendem Geräusch nach vorn, Zentimeter vorbei an Foryn Gilnith
schlug jener mit einem Knall in der Türe zum Leuchtturm ein.
Erschrocken machte dieser einen Schritt zur Seite, blickte sich um, und
in diesem Moment traf ihn ein präzise geschossener Pfeil genau in den
Bauch. Foryn kippte stöhnend um, Processus Gemahlin fiel auf die Knie,
weinte, konnte es nicht fassen wieder frei zu sein. Die Wachen eilten ihr
zur Hilfe.
Wer hatte den Schuss abgegeben? Ich drehte mich um, die Menge
bejubelte Hrisskar, einen dorfbekannten Jäger, kaiserlichem Legionär
und Meisterschützen. Er hatte sich wohl unter die Menge gemischt und
auf einen günstigen Moment gewartet seinen tödlichen Schuss
abzugeben. Meinen Fehler nutze er heldenhaft aus. Ich war erleichtert,
glücklich durch den Fehlschuss nicht das Leben eines unschuldigen
Opfers bedroht zu haben, glücklich nicht die Last mit mir tragen zu
müssen den mittellosen Fischer Foryn Gilnith niedergestreckt zu haben.
Jener wurde von den Wachen mitgenommen. Niemand wusste, was mit
ihm geschehen wird.
29
Später erzählte mir eine Wache ich sollte mich im Amt der
Zensuskommission melden. Es wartete eine Belohnung auf mich.
Und die Belohnung war großzügig. Neben den versprochenen 500
Draken durfte ich Foryn Gilniths Haus bewohnen, Hrisskar unterwies
mich in der korrekten Nutzung eines Bogens und frischte meine
Kenntnisse wieder auf. Jener wurde als Held noch nach Tagen in der
Taverne gefeiert. Ich kannte seine Belohnung nicht. Sie musste groß
gewesen sein.
Ich hatte also eine Bleibe in Seyda Neen, damit eine wirkliche Heimat.
Ich hatte genügend Geld für ein neues Leben.
Das Schicksal bot mir ein Leben, wie ich es mir wünschte. In
Morrowind.
Doch warum war ich hier?
30
The Elder Scrolls III
Morrowind
Kapitel 4 – Unheimliche Ereignisse
Ich besaß also nach wenigen Tagen Aufenthalt hier in Morrowind bereits
ein eigenes Haus. Vielleicht kein nobles Anwesen, aber genug, um zu
ruhen und meine Gegenstände aufzubewahren. Die Zensuskommission
von Seyda Neen hatte mich beauftragt Foryn Gilniths Haus von seinem
Besitz zu räumen, da er nun mit schweren, aber nicht lebensbedrohlichen
Wunden eingekerkert wurde und hohe Schulden bei der
Zensuskommission hatte. Ich kannte dieses sture Verhalten auch in
Cyrodill. Kaiserliche wurden schnell zittrig, wenn es um finanzielle
Dinge ging.
Gegen Abend also, nachdem ich noch einen Spaziergang am Strand
unternommen hatte und nach einigen Schlammkrabben jagte, suchte ich
erschöpft, aber zufrieden meine neue Bleibe auf. Rein äußerlich wirkte
das Haus sehr heruntergekommen: Eine kleine Holzhütte ohne Fenster
mit einem Reetdach. Die Fassade war bereits grau geworden, die kleine
Überstand am Dach nurnoch gerade so von zwei Balken gestützt. Die
Tür öffnete sich nur schwer und mit einem Knarren, ein hölzern-bitterer,
muffiger Geruch flog mir aus dem inneren entgegen. Direkt vor mir
befand sich mein Schlafplatz, eine etwas bequemere Variante einer
Matzraze, dadrunter einige Kisten und Tonnen, rechts von mir, in der
Ecke eine kleine Feuerstelle, daneben eine Bank zum Hinsetzen und ein
einfacher Holztisch. Der Fußboden war kühl. Das Feuer brannte nicht
mehr. Auf einigen Stöcken waren Fische aufgespießt, ich konnte nicht
beurteilen wie lange sie schon an diesem Ort in diesem Zustand standen,
aber sie schienen für den beißenden Geruch im inneren der Barracke
verantwortlich zu sein.
Trotz der kleinen Unannehmlichkeiten hatte ich Gefallen an dieser
Bleibe. Ich empfand die Atmosphäre, die die zwei kleinen Kerzen auf
dem Tisch erzeugten sehr erholsam.
Es würde so oder sie nie ein Zuhause für längere Zeit bleiben.
Ich legte Rüstung und Bewaffnung ab und begann mit den
Aufräumarbeiten. In den Tonnen fand ich alte Kleidung, viele Flaschen
Mazte und Greef. Ich wunderte mich schon woher ein armer Fischer das
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Geld für solche nicht günstigen Getränke besaß, als ich ganz unten in
einer alten, vermoderten Tonne einige Flaschen Flin und ein heimisches
Getränk, Cyrodillischen Weinbrand fand. Wenn Foryn kein Dieb war,
musste er noch ein anderes Einkommen besitzt haben.
Die Entdeckungen machten mich neugierig: Hatte er unter Umständen
mit Fargoth zu tun? Waren beide die berüchtigten Trickbetrüger? War
Foryn sein Komplize?
Schon als ich das Haus betreten hatte, fiel mir gleich die große, mit
Eisen verstärkte Truhe unter der Schlafmatraze auf. Sie wurde gut
verschlossen, so sehr ich auch rüttelte und mit dem Schwert hantierte,
sie ließ sich nicht öffnen, ich brauchte die Hilfe eines Spezialisten, der es
verstand Schlösser zu knacken.
Unweigerlich drängte sich mir Fargoth auf: Ich besaß noch seinen Ring.
Da ich Magie nur sehr schlecht beherrschte, war er nutzlos für mich, an
seinem Leuchten konnte ich lediglich erkennen, dass er verzaubert war.
Doch wurde ich zu müde, um weiter darüber nachzudenken.
Ich beschloss also, die Dinge ruhen zu lassen und morgen weiter daran
zu arbeiten. Ich zog ein Schlafgewand an, welches ich bei Arrille
gekauft hatte, löschte die Kerzen und legte mich in die Hängematte, es
war bequem und ich würde sicherlich gut schlafen können.
Nach einiger Zeit war ich auch eingeschlafen, wurde aber mitten in der
Nacht durch ein Klappern an der Türe unsanft geweckt. Ich hielt es
zuerst für den Wind und dachte mir nicht viel weiter dabei, allerdings
vernahm ich, während das Klappern kurz innehielt, dass es draußen
Windstill war und lediglich etwas regnete. Es waren also gewiss keine
Wachen mehr unterwegs. Das Klappern wurde stärker, ging in ein
Zerren über. Die Tür drohte einzubrechen. Was war dort los? Ich hob
mein Schwert auf, welches neben mir an eine Tonne gelehnt war und
schlug mit der flachen Seite auf die Tür. Meine Gefühle überschlugen
sich, als die Geräusche aufhörten und ich stattdessen einen dumpfen,
eingeschüchterten Ruf hörte, einen heruntergefallenen massiven
Gegenstand und Schritte, die sich schnell entfernten und schließlich
verstummten. Ein Höllenhund? Schlammkrabben? Die Geräusche
ergaben keinen wirklichen Sinn, machten mir aber Angst, auch wenn sie
regelrecht „verschwunden“ waren, ich stelle noch zwei schwere Tonnen
vor die Tür, öffnete sie aber vorher erst um nach dem Rechten zu sehen.
Es war finster und regnete, die Fackeln von Seyda Neen waren gelöscht,
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keine Wache patroullierte mehr, aber ein verbrannter Geruch, nach
Lampenöl und Tüchern stieg mir in die Nase. Ich blickte nach unten in
den Schlamm vor der Haustür und sah eine Fackel. Gelöscht, aber noch
leicht glimmend.
Unbewusst ergriff mich die Panik: Die Geräusche kamen nicht von
einem Tier. Es musste ein Einbrecher gewesen sein. Einbrecher, die
Fischerhütten ausraubten waren in meinen Augen aber nicht schlüssig.
Vielleicht war es Fargoth gewesen. Ich dachte an mein Treffen mit ihm,
morgen, oder doch schon heute? Es gab keinen Anhaltspunkt für die
Uhrzeit. Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Aber Hauptmann Sellus
Gravius` Vermutung schien sich zu bestätigen. Das einst idyllische
Dörfchen Seyda Neen war kein sicherer Ort. Ich musste mich vorerst mit
der Vermutung zufriedengeben, dass es Fargoth gewesen sein könnte.
Ich verschloss die Türe wieder und legte die Fackel in eine leere Tonne
in der Hausecke. In der Barracke war es kühl geworden, ein Feuer wollte
ich zu dieser späten Stunde aber nicht mehr entfachen. Ich zog also noch
einige Kleider an und kramte eine alte Decke hervor. Leicht schlotternd
in meiner Schlafhängematte schlief ich schließlich ein.
Die Nacht blieb aber wenig erholsam. Müde wachte ich nach einiger
Zeit wieder auf und zog meine Alltagskleidung an. Es roch nicht mehr
so unangenehm in meiner Hütte, ich begann mich wohl zu fühlen. Zuerst
aß ich noch etwas Brot und Krabbenfleisch, trank etwas Greef. Ich malte
mir aus, wie dieser Fargoth wohl sein könnte, ob er mir überhaupt helfen
würde. Ich hatte aber noch einen Trumpf im Ärmel: Seinen Ring, er
schien alt und wertvoll zu sein. Mit etwas gemischtem Gefühl öffnete
ich die Tür. Die Sonne schien, es war angenehm warm, kurz vor der
Mittagszeit. Auf dem Dorfplatz war viel los, mich wunderte, dass alle
Wachen auf den Beinen waren und sich die Einwohner um ein Haus
versammelten. Ich beschloss nachzusehen, was passiert war. Aus Furcht
durch die Ereignisse der letzten Nacht drehte ich mich aber nochmal um,
wollte die Tür meiner Barracke abschließen und weitete beim Anblick
der Eingangstüre meine Augen: In großen Buchstaben war das
dunmerische Wort für Fremdländer, „Mutsera“ eingeritzt. Ich bekam
weiche Knie. Der nächtliche Besucher schien mich wohl erst noch
einmal warnen zu wollen. Eine Befürchtung überkam mich: War es
Foryn gewesen? Oder Fargoth? Wie konnte ersterer aus dem Gefängnis
33
ausbrechen? Fargoth hingegen wäre geschickt genug die Tür leise zu
öffnen.
Es ergab keinen Sinn mehr. Ich fühlte mich nicht mehr sicher in Seyda
Neen.
Immerhin war es hell, Wachen und Einwohner füllten den Dorfplatz, im
Moment hatte ich nichts zu befürchten. Verträumt bewegte ich mich in
Richtung Dorfplatz, wo die Massen lediglich betroffen dastanden. Es
musste etwas passiert sein. Mein altbekannter Freund Arrille stand
ebenfalls dort. Ein ungewohnter Anblick. Ich gign auf ihn zu und fragte,
ob er etwas wusste.
„Habt ihr es noch nicht mitbekommen? Fargoth wurde ermordet.“
Mein Kopf war plötzlich leer. Ich konnte nicht wirklich glauben, was
geschehen war.
„Wie konnte das passieren? Haben die Wachen bereits etwas
herausgefunden?“
„Nein. Sie sehen sich gerade den Tatort, Fargoth´s Haus an. Man fand
ihn heute morgen vor seiner Haustüre liegend mit einem Dolch im
Bauch. Der zweite Mord innerhalb weniger Tage. Ich weiß nicht, was
ich tun soll.“
Freilich konnte ich Arrilles Sorgen gut nachvollziehen. In der
Vergangenheit war nie etwas in Seyda Neen geschehen, kurz vor meiner
Ankunft aber ein Mord, kurz danach wieder einer. Wer hatte die beiden
auf dem Gewissen. Standen sie in irgendeinem Zusammenhang? Fest
stand nur: Wer auch immer diese Tat vergangene Nacht begangen hatte,
er trachtete auch nach meinem Leben.
Ich verabschiedete mich von Arrille und wusste nichtmehr, was ich
machen sollte. Mein Leben war in Gefahr.
Ich musste herausfinden, was hinter den Geschehnissen der letzten Tage
steckte.
Mir blieb als Kontaktperson lediglich Hauptmann Sellus Gravius. Auch
er beobachtete die letzten Tage mit kritischem und nervösem Blick.
Nachdem ich mir in Arrilles Taverne ein gutes Essen gekauft hatte,
besuchte ich am Nachmittag sein Büro.
Ich wurde nicht wie gewohnt freundlich empfangen. Hauptmann Sellus
schien gestresst gewesen zu sein: „Ah, der Neue. Wollt ihr auch diesen
Mord aufklären?“. Er sagte dies in einem unfreundlichem und
respektlosem Ton. Es ärgerte mich sehr:
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„Ich würde gerne mein bestes tun um das Dorf und die Legion zu
unterstützen. Könnt ihr mir eine Empfehlung für den Beitritt in die
Kaiserliche Legion geben?“
Die Idee kam mir spontan. Ich fühlte mich berufen der Legion zu dienen.
„Ihr in die Legion? Vor wenigen Tagen noch wart ihr Gefangener,
Kaiserlicher. Glaubt ihr, dort bestehen zu können?“
„Sicher. Ich wurde vor meinem Gefängnisaufenthalt im Kampf mit
Schwert und Schild ausgebildet, lernte die Schmiedekunst und das
Tragen schwerer Rüstungen. Ich habe das meiste noch nicht vergessen.“
„Selbst wenn das nicht der Wahrheit entsprechen sollte: Für eure gute
Arbeit im Fall Processus Vitellius habt ihr meine Empfehlung. Ich werde
sie in den nächsten Tagen an die Garnison in Gnisis schicken. Sucht dort
nach dem Garnisonsleiter und Ausbilder General Darius.“
Meine Laune besserte sich, auch Hauptmann Sellus sah zufriedener aus.
Ein gutes Gespräch scheint viel bewegen zu können. Ich fragte mich, ob
ich von dem erzählen sollte, was ich in der Nacht erlebt hatte, und von
der Schnitzerei an meiner Türe. Doch ich entschied es für mich zu
behalten und auf eigene Faust weiter zu suchen. Ich fühlte mich mehr als
stark genug mich im Falle eines Angriffs verteidigen zu können.
„Habt ihr schon irgendwelche Anhaltspunkte im Fall „Fargoth“?“
Hauptmann Sellus schaute verlegen: „Es sieht so aus, als hätte ihn
jemand auf frischer Tat ertappt. Es kursierte schon länger das Gerücht,
dass er für die Diebstähle in Seyda Neen verantwortlich war. Nun
scheint der Gerechtigkeit genüge getan zu sein. Vielleicht war es auch
Selbstmord. Allerdings ist die Zensuskommission nicht sehr motiviert
den Fall weiter zu bearbeiten. Es ist zu offensichtlich.“
Ich runzelte die Stirn. Der Hauptmann der Küstenwache und Mitarbeiter
der Zensuskommission zeigte kein Interesse an der Aufklärung des
Falles. Ich musste irgendwie an Informationen rankommen:
„Wurden in seinem Haus denn gestohlene Gegenstände gefunden?“
„Das gesicherte Diebesgut wurde eingezogen und wird nach einer
Prüfung ausgegeben.“
Sellus wirkte seltsam verschlossen und desinteressiert.
„Gibt es Zugang in das Gebäude?“
„Ihr habt Interesse am Fall? Hab ich das nicht bereits gesagt....Ich
empfehle euch dringend dieses Schreiben mitzunehmen und General
Darius aufzusuchen. Und jetzt lebt wohl, ich muss arbeiten.“
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Hauptmann Sellus stand auf und ging in ein Hinterzimmer. Ein Soldat
bat mich das Büro zu verlassen. Ich war wohl unerwünscht.
Das Gespräch hatte nicht viel genützt, ich wusste jetzt fast noch weniger
als vorher. Die Geschichte kam mir seltsam vor, ich begann an dem, was
ich gesehen hatte zu zweifeln. War Foryn garnicht der Mörder? Und
warum wurde Fargoth umgebracht? Wo war Foryn nun zu finden?
Hauptmann Sellus hatte mir zu diesem Thema jegliche Auskunft
verweigert. Er soll nach Solstheim gebracht worden sein war das
einzige, was er mir sagen wollte.
Mir kam die verschlossene Kiste in meinem, nunja, in Foryns Haus
wieder in den Sinn, wo mir Fargoth helfen sollte sie aufzuschließen.
Ich ging mit langsamem Schritt in Richtung Baracke, mittlerweile war
es früher Abend geworden, der Himmel war wolkenverhangen. Ich
öffnete die Tür und setzte mich auf den einfachen Holzstuhl am Esstisch.
Wie sollte ich an das innere der Kiste herankommen? Ich hatte sie schon
mehrmals gerüttelt, sie war gewiss nicht leer. Ich ärgerte mich sehr über
den Mord an Fargoth.
So hätte er mir noch nützlich sein können und ich hätte ihm seinen Ring
wiedergeben können. Ich nahm ihn aus der Tasche und sah das
Schmuckstück genauer an. Der Bogen war aus Gold, verschiedene
Namen waren eingraviert, ganz am Ende stand „Fargoth“. Es schien ein
Erbstück gewesen zu sein. Der ganze Ring glänzte bläulich und hatte
einen Diamanten aufgesetzt. Sicherlich war er verziert und wertvoll. Ich
brachte es aber nicht übers Herz ihn zu verkaufen. Mein Gewissen
belastete mich: Ich hätte Fargoth vor seinem gewaltsamen Tod den Ring
zurückgeben müssen. Nun war es aber zu spät.
Ich aß noch etwas Krabbenfleisch mit Brot und genoss das Leben,
welches ich führte. Fast vergaß ich die Gefahr, in der ich schwebte und
wie dringend ich Informationen brauchte. Die Kiste, die mythische Kiste
schien zu schreien: „Öffne mich“. Es war wohl meine Neugier. Ich zog
wiederum mein Schwert, hockte mich vor sie hin, nahm das Schloss in
die Hand und wurde blass:
Es war geöffnet worden. Jemand war in mein Haus eingebrochen.
Hatte ich vergessen abzuschließen? Sicherlich war es die Diebesgilde,
von der mir mein Vater ebenfalls erzählte und die ihn nicht selten um
einige Goldstücke erleichtert hatte. Allerdings galt die Diebesgilde
immer als angesehene Truppe, da sie nicht aus Habgier, sondern Mitleid
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stahlen: Sie verteilten ihren Gewinn in Armenvierteln, galten also als
Engel der Armen.
Was ich vor mir fand passte jedoch nicht in das Bild der Diebesgilde.
Ich war gewiss kein reicher Bürger, es wäre sinnvoller, wenn die
Diebesgilde zu mir käme und Geld überreichte.
So weit war es aber noch noch nicht.
Zuerst schaute ich mich genau in meiner Barracke um, durchwühlte alle
Fässer und Schränke. Es fehlte nichts. Sogar mein Geld, immerhin
beinahe 500 Draken stand immernoch fein sortiert auf dem Esstisch.
Ich hatte es heute nicht dabei gehabt und es wurde nicht gestohlen.
Nach einiger Kramerei kam ich zu dem Schluss, dass wirklich nichts
fehlte, alles war an seinem Platz. Jetzt überkam mich die Neugierde:
War noch in der Kiste alles drinnen? Spielte mir jemand einen Streich?
Ich öffnete sie mit Bedacht und wurde enttäuscht: Sie war leer. Jemand
hatte vorausgesorgt, dass sich den Inhalt nicht zu sehen bekomme.
Ich durchwühlte die Kiste und fand dann aber tatsächlich noch einen
versiegelten Brief, auf der Rückseite stand auf Dunmerisch, aber in der
Kaiserlichen Schrift: „Mutsera“.
Fremdländer. Die selbe Aufschrift also, wie ich sie gestern Nacht auf
meiner Haustüre gefunden hatte.
Mit zittrigen Fingern öffnete ich das Kuvert und zog einen Zettel heraus,
sauber gefaltet, auf vergilbtem, altem Papier. Ich klappte ihn auf:
Wir wissen, dass du hier bist, Fremdländer.
Wir wissen, wo du wohnst, Fremdländer.
Wir wissen, dass du sterben wirst, Fremdländer.
Die Prophezeiung wird sich nicht erfüllen.
Fliehe, oder stirb.
Du stehst unter Beobachtung.
Tu, was wir von dir verlangen, oder trage die Konsequenzen.
Morag Tong
Ich hatte die Bedrohung nun Schwarz auf Gelb. Die Morag Tong
beobachtete mich also. Wie lange taten sie das bereits? Angstschweiß
lief mir die Stirn hinunter. Mein Herz raste, ich versuchte krampfhaft
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meine Gedanken zu ordnen. Ich war also in Gefahr. Ich musste Seyda
Neen verlassen. Unerkannt. Ohne zu wissen, ob ich beobachtet wurde.
Ich war verzweifelt, warum bedrohte die Morag Tong mein Leben?
Mir blieb also lediglich die Möglichkeit zu fliehen, oder abzuwarten.
Ich unterdrückte meine Ängste und beschloss zu bleiben, meine Existenz
notfalls mit dem Schwert zu verteidigen.
Ich wollte auf meine Fähigkeiten vertrauen, dachte nur bis in die nächste
Nacht. Ich entschied schnell und ohne viel zu denken mich auf die Lauer
zu legen und abzuwarten, was passierte. Ich konnte nicht außerhalb
meiner Baracke warten, ich musste drinnen bleiben, weil ich den wohl
allgegenwärtigen Spion fürchtete.
Ich wünschte der Grauprinz könnte hier sein und mich unterstützen.
Aber ich war allein.
Ich musste es selber schaffen.
38
The Elder Scrolls III
Morrowind
Kapitel 5 – Das Erbe
Ich zog langsam meine einfache Rüstung an. Ich hatte keine andere
Wahl als ihr zu vertrauen. Mein Schwert lag, bereit zum Kampfe auf
meiner Hängematte. Ich nahm es fest in die rechte Hand, fuhr mit der
anderen über die Klinge. Es war noch mehr als ausreichend scharf. Ein
Schild brauchte ich nicht.
Ich setze mich noch kurz an den Esstisch und nahm einen Schluck Greef
um mir Mut zu machen, löschte die Kerze und setze mich an die Tür.
Draußen war es still. Es regnete und ein stürmischer Wind fegte durch
die Gassen des Dorfes. Es zog gewaltig in meiner undichten Baracke. So
würde ich nie hören, ob sich jemand anschlich.
Ich lauschte gebannt in die unwirtliche Umgebung. Die Zeit verstrich,
meine Augenlieder wurden schwerer und schwerer.
Die Aufregung und Angst alleine reichten nicht, um mich wach zu
halten. Ich kämpfte gegen die immer stärker werdende Müdigkeit, bis sie
schließlich nach einem langen Kampf siegte.
Ich wurde, unwissend wie lange ich geschlafen hatte, durch Geräusche
an der Tür geweckt. Der Regen war stärker geworden, der Wind zum
Sturm angewachsen. Ich hörte, wie Metall auf Metall schlug, wie Holz
knarrte. Ich war plötzlich wieder hellwach. Mein Herz schlug schneller,
mein Atmen wurde unregelmäßiger und intensiver.
Ich musste still bleiben, konnte meine Panik aber nicht mehr bändigen.
Blind vor Angst ergriff ich das Schwert und stieß es mit aller Kraft
durch die Tür:
Zwei Holzbalken barsten, ein lauter, dumpfer Schrei kam mir entgegen,
ich hörte wie der nächtliche Besucher stöhnend zusammen mit einem
metallischem Gegenstand zu Boden fiel.
Meine Klinge schien ihn verletzt zu haben.
Ich stieß mit aller Gewalt die Tür auf und warf mich blind auf die in der
Nacht unsichtbare Gestalt. Eine Fackel brannte noch leicht, drohte im
Regen zu verlöschen. Ich erkannte ein Wesen in schwarzer Kleidung:
Einem schwarzen Gewand, schwarzen Schuhen und einem schwarzen
Tuch um den Kopf gewickelt. Die Gestalt stöhnte und atmete noch leise.
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Ich stand auf, mein Blut kochte, mein Denken wurde wieder etwas
klarer, ich schrie den Angreifer an:
„Was wollt ihr von mir! Warum lässt ihr mich nicht in Frieden!“
„Die Gestalt wendete sich langsam und ächzend auf den Rücken. Ich
erkannte im fahlen Licht der Fackel das Gesicht eines Dunkelelfen:
„Mein Herr wird mich reich belohnen, Mutsera“
Die Antwort reizte mich, ich griff nach meinem Schwert und hielt es
drohend vor das Gesicht des Dunkelelfen. Zorn und Mordlust
überkamen mich.
„Sag was ihr von mir wollt oder sterbt!“
Die Gestalt lächelte schwach. Er schien es nicht mehr lange
durchzuhalten, die Wund im Bauchraum blutete stark. Sollte ich ihn
retten?
„Ich werde leben, ihr werdet sterben. Ihr verfluchten Hunde vom
Kaiservolk werdet Morrowind niemals beherrschen, dafür wird mein
Herr sorgen.“
Zornesröte stieg mir ins Gesicht, ich holte drohend zu einem
Schwerthieb aus, als der Dunkelelfe in seine Tasche griff, eine
Trankflasche herausholte, sie panisch öffnete und gierig
herunterschlang.
Ich fürchtete einen Stärke- oder Heiltrank.
Doch die Gestalt starb mit einem schwachen Ruf und einem
schmerzverzerrtem Gesicht: „Es lebe Dagoth Ur.“
Seine Beine und Hände entspannten sich, die Trankflasche rutschte in
den Schlamm. Auf dem Etikett konnte ich deutlich erkennen, dass es
Gift gewesen war.
Kalter Schweiß lies mich frieren, der salzige Wind und Regen benetzten
mein Gesicht. Angst überkam mich.
Vor mir lag die Leiche eines Dunkelelfen. Ich wusste nicht, was ich tun
sollte, eintausend Gedanken kamen mir in den Kopf: Sollte ich den
Vorfall an Hauptmann Sellus melden? Sollte ich die Leiche im Meer
versenken? Sollte ich sie erst durchsuchen?
Ich entschied mich für letzteres. Notdürftig reparierte ich die Tür mit
einigen Holzleisten und einigen Nägeln. Im Dorf war es ruhig, die
Wachen patroullierten nicht mehr, was mich verwunderte.
Wenn ich Hauptmann Gravius wäre, ich würde Wachen anfordern,
welche die ganze Nacht auf die Einwohner Seyda Neens aufpassten.
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Aber ich war nicht Sellus Gravius, sondern Lucius Mara. Und ich war
nicht Hauptmann der Küstenwache und nicht Mitarbeiter des
Zensusbüros, sondern ich stand hier in meiner Hütte mit der Leiche eines
Meuchelmörders.
Die Fackel war mittlerweile erlöscht, ich verschloss die Tür meiner
Baracke und zündete die Kerzen auf meinem Esstisch mit dem letzten
Glimmen der Fackel an.
Es wurde angenehm hell. Ich konnte das Gesicht sofort identifizieren,
was mich aber mehr beunruhigte als freute:
Es war Jiub, mein Unterdecksgenosse in der gegenüberliegenden Zelle.
Ich konnte den Anblick nicht ertragen. Was suchte er in Seyda Neen?
Warum wollte er hier in das Gebäude einbrechen?
Die Ereignisse überschlugen und verschachtelten sich bedrohlich.
Ich brauchte Informationen, mein Wissenshunger war unerträglich
geworden. Was hatte es vorallem mit einer „Prophezeiung“ im Brief aus
der Truhe zu tun?
Mir blieb nichts Anderes übrig als Jiubs Leiche zu untersuchen und nach
aufklärenden Gegenständen zu suchen.
Unter dem Gewand fand ich einen Dolch, wie ich ihn auch bei Processus
fand und welcher vielleicht auch Fargoth den Tod brachte.
Ich legte ihn zur Seite und durchsuchte die Taschen. Ich erblickte eine
seltsame Statue aus Eisen: Auf ihr war die ungewöhnliche Götze eines
großen Wesens mit einer goldenen Maske abgebildet.
Wie in meinem Traum. Meine Verwunderung stieg noch, als ich einen
Zettel mit Notizen, wahrscheinlich Befehlen, fand.
- Processus Vitellius töten
- Steuerakte fälschen
- Verdacht so auf beliebigen Einwohner lenken
- Sellus Gravius und Socicus Ergalla mit Mord drohen, zur
Zusammenarbeit zwingen
- Mutsera nach Mörder suchen lassen
- Keinen Moment aus den Augen verlieren
- Verräter Fargoth eliminieren
- Verdacht auf Mutsera lenken, durch Zensuskommision einsperren
und exekutieren lassen
- Streit zwischen Besatzern und Kaiser zum Angriff nutzen
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Die Ereignisse der letzten Tage waren also hinterhältig von der Morag
Tong geplant worden. Ich sollte als Schuldiger dastehen.
Ein Rätsel von mehreren Tagen löste sich in wenigen Momenten.
Es stand alles auf diesem Notizzettel.
Jiub war also der Mörder von Processus und Fargoth, hatte Foryn
unschuldig in das Gefängnis gebrachtund legte mir die Fährten aus. Er
war es, der mich verfolgt und die beiden Nächte besucht hatte.
Fargoth schien zu viel gewusst zu haben. Er musste irgendwie an
Informationen gekommen sein.
Jiub war es also auch, der die Mitarbeiter der Zensuskommission
erpresst hatte.
Die Geschichte ergab einen Sinn. Nur der Sinn nicht. Man versuchte
mich wieder in das Gefängnis zu bringen. Die Morag Tong versuchte
es. Ich verstand den Sinn nicht. Wenn man mich loswerden wöllte, hätte
man mich einfach jederzeit ermorden können. Dafür wäre ein Transport
nach Morrowind nicht notwendig, auch wenn die Geschichte so sehr
sauber ausklingen würde.
Doch war da das Problem: Der Kaiser selbst hatte es befohlen mich
freizulassen. Ich bezweifelte stark, dass Uriel Septim von solchen fernen
Mächten beeinflusst worden war. Die Morag Tong plante einen Angriff
auf die Kaiserlichen Besatzern. Doch welche Funktion hatte ich in
diesem gewaltigem Puzzle? Warum schickte der Kaiser einen
Gefangenen, statt einer Armee? Wer sorgte dafür, dass ich trotzdem
noch lebte, dass das Schicksal mir gewogen war?
Es schien eine Macht zu geben, die mich beschützte.
Eine Macht, die mich stark machte.
Ich hörte auf zu denken und suchte weiter Jiubs Gewand nach Indizien
ab. Zu guter letzt fand ich also noch neben anderen Kultgegenständen
ein Buch: „Die Rückkehr“. Ich schlug es auf und musste enttäuscht
feststellen, dass es in einer mir unbekannten Schrift verfasst war.
Der Titel kam mir mystisch, geheimnisvoll vor. War es eine wahre
Geschichte? Eine Prophezeiung? Ein Roman? Ich musste jemanden
finden, der mir dieses Buch übersetzen konnte.
Doch zuerst musste ich mein weiteres Vorgehen überdenken. Schließlich
lag noch Jiubs Leiche hier in meiner Baracke. Ich wollte den ehrlichen
Weg wählen, mich den Wachen stellen. Doch hatte ich nicht genügend
Beweise für meine Unschuld. Vielleicht würde selbst Hauptmann Sellus
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Gravius seinen Erpresser absichtlich nicht mehr erkennen. Doch blieb
mir keine andere Wahl. Ich musste jetzt sofort etwas unternehmen, je
mehr ich aber nachdachte, desto schwerer fiel es mir die Sache dem
Hauptmann vorzutragen. Ich befürchtete selbst in den Kerker gesteckt zu
werden, schließlich wurde hier eine brenzlige Sache totgeschwiegen,
wahrscheinlich hatte man in Fargoth´s Haus Indizien für seine
Nachforschungen auf diesem Gebiet gefunden und vernichtet. Vielleicht
war er kein Trickbetrüger, sondern lediglich ein neugieriger Bürger.
Vielleicht diffamierte ihn die Kommission bewusst als Betrüger.
Ich witterte eine Verschwörung und hatte keine wirkliche
Vertrauensperson. Mir blieb lediglich der Mann, an den ich mich hätte
eigentlich wesentlich früher wenden sollen: Caius Cosades in Balmora.
Mir blieb also nur die eine Möglichkeit. Ich musste zu ihm.
Vielleicht wüsste er, was hier gespielt wurde. Ich begann zu denken wie
ein Meuchelmörder: Ich musste die Leiche irgendwie loswerden, selbst
wenn ich unschuldig war durfte niemand dahinter kommen.
Ich öffnete die Türe, es war noch genauso stürmisch und regnerisch wie
eh und je, und zog die Leiche nach draußen. Der Boden war völlig
durchnässt von den Wassermassen, der Wind behinderte mein
Vorankommen. Stück für Stück zog ich Jiub aus der Baracke und an das
Meer. Auf dem Dorfplatz war immernoch Nachtruhe.
Aus Anstrengung zögerte ich einen Moment und hielt inne.
Da überkam mich ein seltsames Gefühl.
Ich blickte auf die Leiche, sie bewegte und fing an mit einem rötlichem
Licht zu glühen, panisch rannte ich weg und bemerkte lediglich noch
einen grellen, rot-schwarzen Lichtblitz und es war wieder dunkel.
Ich schaute mich um. Der Wind pfiff laut durch die Gassen und der
Regen war kalt, der Leichnam nicht mehr auffindbar. Ich ging zurück an
die Stelle, wo er eben noch lag, fand dort aber nurnoch einen leicht rot
schimmernden Stein. Ich kannte diese Steine aus Cyrodill. Es war ein
Seelenstein. Mit Seele, ich konnte an dem Licht eindeutig erkennen, dass
der Stein geladen war. Mit großen Augen blickte ich ihn an und
wunderte mich: War es das, wovon Jiub gesprochen hatte?
Lebte er dort weiter? Wo aber war sein Körper?
Steckte Dagoth Ur dahinter, jener hochmütiger und dunkler Halbgott?
Ich lies die Ereignisse ruhen und legte mich durchnässt, aber erleichtert
schlafen. Morgen würde ich zu Caius Cosades gehen.
Die Nacht war ruhelos, geplagt von finsteren Alpträumen. Selbst als ich
eigentlich schon aufgewacht war, sah ich seltsame Gestalten und in
meinen Träumen Kreaturen wie auf jener Götze, die Jiub bei sich trug.
Ich erwachte also unausgeschlafen und erschöpft um die Mittagszeit und
beschloss alles an Besitz einzupacken und nach Balmora zu gehen,
allerdings ohne eine kleine Überraschung für Hauptmann Sellus
Gravius: Da es noch früher Morgen war und noch die Nebelschwaden
über dem Boden schwebten, ging ich zu Arrille, der bereits geöffnet
hatte und kaufte ein Gefäß: Dorthinein steckte ich Jiubs Notizzettel, die
Götze und den gestern gefundenen Seelenstein. Ich bat Arrille noch um
Schweigen, wer dieses Gefäß gekauft hatte, aber es war
selbstverständlich, da sein Handel dem Geschäftsgeheimnis unterlag.
In aller Herzlichkeit verabschiedete ich mich von dem einzigen
Einwohner Seyda Neens, der mir sympathisch war und machte mich auf
zur Schlickschreiterplattform um auf eine Reise nach Balmora zu warten
Ich schreib selber gerne Geschichten und lese zwar ungern die Geschichten anderer, aber was ich so gelesen hab, hat mir sehr gefallen.
Freut mich dass es noch Leute gibt, die Gefallen an MOrrowind finden. Du hast eigentlich auch ziemlich genau den Beginn des Spiels beschreiben.
Da du anscheinend doch ziemlich viel Freizeit zu haben scheinst, würde ich fast sagen mal an eine Veröffentlichung zu denken^^
Freut mich dass es noch Leute gibt, die Gefallen an MOrrowind finden. Du hast eigentlich auch ziemlich genau den Beginn des Spiels beschreiben.
Da du anscheinend doch ziemlich viel Freizeit zu haben scheinst, würde ich fast sagen mal an eine Veröffentlichung zu denken^^
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