[Story] Rabenschrei (* Gothic 1+2)

[Story] Rabenschrei (* Gothic 1+2)

Fluchend stapfte Manuel durch den Wald. Laut genug fluchend, um allerlei Getier zu verjagen, doch nicht laut genug, seinen stetig knurrenden Magen zu übertönen. Seit Tagen schon, so schien es ihm, war er ohne Nahrung. Kein Gold in den Taschen, um welche zu kaufen. Keine Kraft mir in den Armen, um sich Essen zu verdienen. Zu zerlumpt, um zu den Bettlern zu gehören, bei denen die Stadtwächter zu Khorinis noch ein Auge zudrückten und sie beim Zugang zur Stadt übersahen.
Selbst auf den Höfen wies man ihn ab. Man habe selbst nicht genug, erklärte man ihm, wünschte ihm noch viel Glück und Innos’ Segen, und warf ihn dann vom Gelände.
”Bei allen Göttern, ist den Hilfsbereitschaft heute gar nichts mehr wert? Innos, Herr des Lebens, ich flehe Euch an! Zeigt mir einen Weg zu Nahrung und Trank!”
Prompt ertönte ein Krächzen, unweit des Weges, dem der Landstreicher seit einiger Zeit folgte, ohne wirklich ein Ziel zu haben. Manuel blieb stehen und lauschte. Erneut ertönte der Rabenschrei. Kein Zweifel, irgendwo abseits des Pfades musste ein Rabe sitzen. Manuel, ansonsten ohne Hoffnung, nahm den Schrei als der ersehnte Zeichen des Feuergottes wahr und verließ den Weg, um dem Ursprung des Lautes entgegenzustreben.
Zweige barsten, Laub knisterte, als der Habenichts sich seinen Weg durch das Unterholz bahnte. Bald schon bemerkte er ein Glänzen, ein schwacher Widerschein des Sonnenlichtes, irgendwo am Boden zwischen den Bäumen.
Entsetzten stand Manuel ins Gesicht geschrieben, als er sah, was da glänzte. Ein schlichter Dolch, zweckmäßig gefertigt, ohne jegliche unnütze Verzierung. Der Besitz eines einfachen Mannes, nahm der Landstreicher an. Was ihm jedoch einen Schauder über den Rücken fahren ließ war die Tatsache, dass der Dolch beinahe bis zum Heft in den Rücken eines Mannes getrieben worden war, der reglos auf dem Waldboden lag. Vorsichtig trat der Bettler näher.
”Herr? Herr, hört Ihr mich? Kann ich Euch helfen?”
Selbst der stetige Hunger konnte die Hilfsbereitschaft, die den Landstreicher auszeichnete, nicht verbergen. Doch es war sinnlos. Der Mann war tot. Erstochen, hinterrücks niedergemacht und im Unterholz verborgen. Es gab nichts mehr, was man für ihn hätte tun können.
Manuel begann, über die Lage zu sinnieren. Der Fremde war durch unbekannte Hand erdolcht worden. Und wie durch ein göttliches Zeichen, wie der Landstricher noch immer annahm, war er, Manuel, zu dem Toten geführt worden. Ob er die Gunst der Stunde ergreifen sollte?
Erneut schrie der Rabe. Manuel sah zu, wie das Tier auf der Leiche landete und begann, Fleischbrocken herauszupicken. Kurzerhand verjagte der Bettler das Tier und begann seinerseits, den leblosen Körper zu untersuchen. Er fand einen goldenen Ring am Finger des Opfers, sowie ein Amulett an einer Kette um den Hals. Beides nahm er an sich. Damit sollte er die Torwachen überzeugen können, ihn in die Hafenstadt einzulassen.
”Innos sei gedankt!” sprach der Habenichts. Ohne weiter an das Opfer zu denken, wollte er sich aufmachen, doch wiederum schrie der Rabe. Manuel überlegte. Sollte er den Mann, der ihn vor dem Hungertod bewahrte, den Vögeln zum Fraß überlassen? Nein, das wäre undankbar. Also begann der Landstreicher, den Toten im Waldboden zu verscharren.
Der Rabe sah ihn vorwurfsvoll an, während ihm sein Mahl genommen wurde. Doch Manuel hatte kein Interesse mehr an diesem Vogel.

”Ich habe dir schon einmal gesagt, dass ich dich hier nicht einlassen, du Nichtsnutz! Einen Tagedieb wie dich können wir in unserer Stadt nicht gebrauchen, und das weißt du!”
“Herr, wenn Ihr mich vielleicht einfach ... nun ja, übersehen würdet?”
“Da müsste ich schon sehr von dir abgelenkt sein.”
“Nehmt dies, und lasst mich eintreten, ich bitte Euch!”

Der Torwächter nahm den Ring entgegen, den die von Erde und Staub verschmierten Finger des Landstreichers ihm entgegenhielt. Prüfend betrachtete er das Schmuckstück, nahm es von allen Seiten in Augenschein. Er schien zufrieden.
In dem Moment jedoch, in dem Manuel geduckt an ihm vorbeihasten wollte, traf ihn die um den Ring geballte Faust des Wachmannes und ließ ihn stöhnend zu Boden gehen.
Zorn stand dem Schläger ins Gesicht geschrieben, als er seinem Opfer den Ring vor die Nase hielt. Dei freie Hand deutete auf einige verschnörkelte Zeichen, die in den Ring graviert waren. Gerbrand stand dort, was Manuel, der des Lesens nicht mächtig war, nicht erkannte.
”Woher hast du diesen Ring, du Lump? Woher?”
“Herr, ich ... ich fand ihn ...”
“Lüg mich nicht an! Du musst es gewesen sein, der Herrn Gerbrand bei seinem Spaziergang vor der Stadt überfallen hat. Warum sonst wäre er seit nunmehr drei Tagen nicht gesehen worden? Ich bin sicher, du hast ihn getötet!”

Der Wachmann packte Manuel am Kragen und zerrte den armen Landstreicher hinter sich her, quer über den Marktplatz, hin zur Kaserne. Einem anderen Soldaten, der dort ein Buch studierte, wurde er unsanft vor die Füße gestoßen.
”Wulfgar, dieser Taugenichts hier behaupte, er habe einen Ring gefunden. Er hat ihn mir gezeigt, er muss Gerbrand gehören. Sicher ist dieser Lump hier ein Räuber!”
“Lass mich sehen”
forderte Wulfgar, wandte sich von seinem buch ab und streckte die Hand nach dem Ring aus. Wie schon sein Waffenbruder vor ihm unterzog er das Schmuckstück mit seinen Blicken einer strengen Prüfung, bis er schließlich nickte.
”Du hast Recht. Ich erkenne den Ring, er gehört tatsächlich Herrn Gerbrand.”
Manuel dachte, es könne kaum schlimmer kommen, als man ihn in eine der Zellen in der Kaserne sperrte. Zwischen feuchten Wänden, auf modrigem, kaltem Stroh hockend, harrte er der Dinge, die da kommen mochten. Und sie kamen. Schlimmer, als er es erwartet hätte.
Ein Jäger hatte die Kaserne betreten und redete halblaut auf Wulfgar ein. Dieser nickte mehrmals, und deutete schließlich genau auf die Zelle, in der Manuel saß. Der Jäger nickte. Wulfgar entließ ihn, um sich dann dem Gefangenen zuzuwenden.
”Dieser Herr hat dich im Wald beobachtet, wie du Gerbrands Leiche geplündert und verscharrt hast.”
Der Blick des Soldaten fiel auf die mit Erde verdreckten Hände des Landstreichers, und er schüttelte den Kopf.
”Betrachte dich als des Mordes angeklagt und überführt. Ich werde mit dem Richter darüber sprechen.”
“Aber ... ich habe Gerbrand nicht getötet! Herr, so glaubt mir doch!”

Doch Wulfgar hörte nicht mehr zu. Er befand sich bereits auf dem Weg zum von ihm erwähnten Richter.

”Im Namen Innos’ und des Königs ergeht folgendes Urteil!
Wegen kaltblütigen Raubmordes, der Lüge gegenüber einem Soldaten der Stadtwache und versuchter Bestechung wird der hier anwesende Landstreicher, der sich Manuel nennt, zum Tode durch den Strick verurteilt.
Bis zum Ende weigerte er sich, seine Tat zu gestehen, weshalb wir kein milderes Urteil fällen wollten.
Man vollstrecke das Urteil!”

Tränen standen dem Landstreicher in den Augen, als der Scharfrichter ihn, gefesselt an den Händen und mit schweren, klirrenden Eisenketten an den Füßen, über den Galgenplatz hin zu dem Aufbau führte, an dem man ihn aufknüpfen wollte.
Manuel wurde auf die Plattform gehoben, eine Schlinge wurde ihm um den Hals gelegt und festgezogen. Der Bettler schluchzte laut auf. Wieder und wieder beteuerte er seine Unschuld, doch fand er kein Gehör.
Ein Rabe schrie. Das Tier flog über der Menge der Zuschauer hinweg und landete auf dem obersten Balken des Galgens, von dem aus er auf den Verurteilten hinab äugte. Manuel erkannte das Tier. Jener Rabe war es, dessen Mahl er verscharrt hatte!
Knarrend öffnete sich die Falltür unter den Füßen des Landstreichers, und er fiel. Er fiel, bis ein Ruck seinen Körper durchfuhr, das Seil straff gezogen war und sein Genick brach. Reglos hing er da, den Schmerz und die Trauer noch ins Gesicht geschrieben.
Nachdem die gaffenden Bewohner sich abgewandt und der Richter sich zurückgezogen hatte, flatterte der Rabe auf die Leihe Manuels hinab und begann, Fleischbrocken aus dem Körper zu picken.
Triumphierend krächzte das Tier, hatte es sein Mahl nun doch bekommen.

Ende



Das Produkt einer spontanen Idee.
Nette Story.
Wieso müssen sie immer sterben? Schreib mal ne positive Geschichte, es würde mich sehr überraschen xD
Jedenfalls extrem goil, habs richtig packend gelesen. Mehr!!
Warum die sterben müssen? Das is das einzige Ende, das da passt, damit die Story so ist, wie ich sie haben will. ^^

Naja, aber ich sollte doch mal drüber nachdenken, warum man mich in nem anderen Forum als "Protagonistenmörder" bezeichnet ... ^^
Das...ist ja richtig gut. =P
Tolle geschichte.(so wie sonst auch)*neidisch sei*
So langsam kann man die Enden deiner Geschichte aber voraussehen :P
Der Dreckskerl hats immer noch drauf ;)

-=Nicht böse gemeint=- .P
Ach, Sartrox lebt auch noch. ^^
Was denn, Sartrox gibt's auch noch? Lange nichts von dir gelesen. ^^

Ja, in den Kurzgeschichten sind die Enden wohl recht leicht vorauszusehen, ist eben meine Eigenart. ;-)
Bei den längeren Geschichten sollte das allerdings weniger der Fall sein.

Danke für die positiven Reaktionen. Und den 'Dreckskerl' nehm ich dir nicht übel. ;-)
Das ist unserer Cyco :D
Logge dich ein um einen Beitrag zu schreiben.