Hier wird in Episoden die neue Geschichte von mir und meinem Co-Autor mce veröffentlicht.
Diesmal ist es eine richtige Horrorgeschichte.
Endstation
Jürgen Schöbel sah es zum Ersten Mal, als er die Bank am Marktplatz verließ, um sich in einem nahe gelegenen Café etwas zu trinken zu bestellen.
Es war ein heißer Julitag, was ihn veranlasste, die Erscheinung als Hitzeflimmern abzutun.
Doch es verschwand nicht, auch als er seinen Blickwinkel änderte.
Noch einmal fixierte er die seltsame, flimmernde Stelle in der Luft. Eindeutig, es war keine Illusion gewesen.
Auf dem Marktplatz gab es ein Denkmal, das einen regional sehr bekannten Schriftsteller zeigte. Es wurde von hohen Eisengeländern gesäumt, die nicht einfach aus Stäben sondern aus aufwändigen Metallornamenten bestanden.
Und genau vor einem dieser Ornamente konnte Jürgen eine flimmernde Stelle in der Luft ausmachen. Wobei „flimmern“ nicht unbedingt das richtige Wort war. Es war keine schnelle Bewegung, sondern vielmehr ein langsames Wabern, wie von einer sich plastisch verändernden Oberfläche. Es war eindeutig da und nicht zu verleugnen.
Jürgen kniff die Augen zusammen. Irgendwas an dieser Stelle machte ihn stutzig.
„Das ist kein Hitzeflimmern.“, sagte er sich. „Es muss sich um eine optische Täuschung handeln!“ Es war eine Art durchsichtiger Fleck in der Luft, der „da nicht hin gehörte“, wie Jürgen spontan einfiel. Dieser Fleck hatte den ungefähren Durchmesser eines Fußballs.
Jürgen konnte seine Augen nicht abwenden und ging zielstrebig auf das Geländer des Denkmals zu. Er schloss die Augen, und öffnete sie wieder.
Es verschwand nicht. Immer noch waberte an dieser Stelle die Luft, wodurch die dahinter liegenden Ornamente zu grotesken Formen verzogen wurden. Es war, als würde man durch eine Glasplatte mit stark strukturierter, unregelmäßiger Oberfläche schauen.
Wie gebannt blickte Jürgen auf das für ihn völlig unbekannte Phänomen. Neben ihm saß eine Frau auf einer Holzbank und fütterte einige Tauben. Jetzt hatte sie jedoch ihren Blick von den Vögeln abgewendet und schaute verwundert auf Jürgen.
Diesem wurde mit einem Mal klar, dass er einen peinlichen Anblick bieten musste. Aber sahen andere Leute nicht auch diese seltsame Stelle in der Luft? Die Frau auf der Bank saß nur einen handbreit von der Verzerrung entfernt.
Jürgen fegte diese Gedanken aus seinem Kopf und beschloss, nicht mehr weiter über diesen Vorfall nachzudenken.
Er schaute auf die Uhr. Kurz nach Vier.
Es war noch früh, normalerweise hätte er um diese Zeit noch arbeiten müssen. Er hatte eine Anstellung in einem nahe gelegnen Kaufhaus. Dort war er in einem „Zeitschriftenfachhandel“ tätig, wie er es nannte. Dieser Handel gehört nicht direkt zur Kaufhauskette, sondern war nur im Kaufhaus Untermieter. Besonders mochte er diese Stelle nicht, aber es gab momentan keine Alternativen für ihn. Zumal er nicht schlecht bezahlt wurde. Es handelte sich um einen großen Vertrieb für Druckerzeugnisse aller Art, der sogar mehrere Filialen deutschlandweit hatte. Er war froh, dass er in der hiesigen Filiale eine Stelle gefunden hatte, und nicht noch umziehen musste.
Heute war es ihm gestattet früher zu gehen, da eine Inventur durchgeführt wurde. Dies war ein lästiger Prozess, bei dem die Mitarbeiter in abwechselnder Reihenfolge mithelfen mussten.
Glücklicherweise war Jürgen diesmal nicht dran gewesen.
Nachdem er das Kaufhaus verlassen hatte, war in die Bank gegangen und hatte seine Kontoauszüge ausgedruckt. Es war immer gut zu wissen, wie viel Geld einem zur Verfügung stand, so sein Motto.
Und danach hatte er es gesehen.
Diese… Diese Störung in der Luft. Dieser Begriff fiel ihm spontan ein, und er schien auch zu passen.
Obwohl es ihn doch faszinierte und stutzig machte, wollte und musste er sich nun mit etwas anderem beschäftigen. Er hatte einige geschäftliche Briefe zu schreiben. Diese pflegte er, in Rohfassung, während der Heimfahrt mit Bus und Bahn auszuformulieren. Mit einer Aktentasche, in welcher ein Block und einige Unterlagen untergebracht waren, in der rechten und einem Kugelschreiber in der linken Hand bewaffnet, begab er sich zur Straßenbahnhaltestelle, welche direkt am Marktplatz lag.
Derzeit wartete die Straßenbahnlinie 4 auf Mitreisende, Linie 3 und 4B waren im Anmarsch. Doch von Linie 1, in welche Jürgen einsteigen musste, fehlte bisher jede Spur, obwohl der elektronische Fahrplan die Abfahrtszeit der 1 eigentlich mit „jetzt“ benannte. Nervös blickte Jürgen wieder auf die Uhr, musterte die Mitwartenden, musterte den Wochenmarkt, blickte erneut auf die Uhr. Das „jetzt“ verschwand und die nächste 1 wurde für 16:20 Uhr angekündigt. „Ganz groß! Na immerhin sind’s nur 10 Minuten..“, Jürgen murrte leise auf.
Wieder musste er an die Störung denken, doch war diese nun verdeckt durch den Wochenmarkt. Und auf die Idee, die nächste Bahn wegen einer „Sinnestäuschung“, wie er es nun doch abfällig nannte, womöglich doch zu verpassen, würde er sicher nicht kommen.
Nervös tippte er auf seinen Kugelschreiber. Mine rein, Mine raus, Mine rein, Mine raus, Mine rein, Mine raus, Mine rein, Mine raus. Erst als eine, durch das klappern aufmerksam gewordene, ältere Dame mit verzogenem Gesicht zu Jürgen sah, stoppte er.
Gerade wollte er sich auf eine Bank setzen, um wenigstens in Gedanken einen Brief auszuformulieren, da fuhr die erwartete Linie 1, ganze 5 Minuten früher als erwartet, zur Haltestelle.
Für Jürgen würde nun eine einstündige Fahrt beginnen, eine Fahrt, die er jeden Morgen und jeden Abend hinter sich bringen musste, da er recht weit außerhalb der Stadt, beinahe außerhalb des Landkreises, wohnte. Doch wusste er das engmaschige Liniennetz der Verkehrsgesellschaft zu schätzen, er war sich sicher, dass er in anderen Städten bzw. Regionen sicherlich bis zu 3 Stunden zu fahren hätte.
So begab er sich in den Wagen. Sein Lieblings- und Stammplatz, links hinter dem Bahnfahrer, war glücklicherweise frei. Diesen Sitzplatz belegte er schon seit vielen Jahren nach Möglichkeit immer, denn dort hatte man meistens seine Ruhe vor Mitfahrenden. Einzig kamen immer wieder eine Fahrgäste nach vorne um sich beim Fahrer für die verpasste Aussteigestelle zu bedanken oder um Anschlusslinien zu erfragen, doch dies hatte natürlich oftmals einen eher belustigenden, als nervenden Effekt für Jürgen.
Jürgen packte seinen Block aus, legte ihn auf das kleine Ablagetischchen vor ihm – ein weiterer Grund, warum er so gerne an diesem Platz saß – und begann zu schreiben
Sehr geehrte Damen und Herren, aus meinem Schreiben vom 22.06... Jürgen brach ab. Erstens dachte er darüber nach, ob dieses Datum wirklich stimmte, zweitens musste er an seinen Kurzurlaub denken, welcher unmittelbar davor stattgefunden hatte. Nun, inzwischen war es Ende Juli; der Wetterbericht versprach Regenschauer und ein rapides Absinken der Temperatur – Jürgen wäre im liebsten wieder in Urlaub gefahren.
...aus meinem Schreiben vom 22.06. ging eindeutig hervor, dass der Arndorf-Verlag seit Mitte des Jahres nicht mehr in der Lage ist, weiterhin Exemplare seiner Fachzeitschriften...
Jürgen musste einen sehr unbequemen Briefwechsel mit einem seiner Geschäftspartner führen und spätestens heute Abend musste eben dieser Brief, natürlich fehlerfrei auf dem PC zu Hause ins Reine geschrieben, im Postkasten gelandet sein.
Doch konzentrieren konnte Jürgen sich beim besten Willen nicht. So legte er sein Schreibzeug zur Seite und sah zum Fenster hinaus. Er sah Geschäfte an sich vorüber ziehen, die selben, die er jeden Tag sah.
„Radio Reinmann“. Dieser Laden hatte früher seinem Großvater mütterlicherseits, Heinz Reinmann, gehört und schon damals waren einige eingeschaltete Fernsehgeräte zu Präsentationszwecken im Schaufenster gestanden. Halbinteressiert stierte er auf die Fernsehschirme, musste dabei aber natürlich immer weiter entgegen der Fahrtrichtung drehen. Doch plötzlich wurden die Bildschirme schwarz und 1 Sekunde später kam auch die Straßenbahn zum stehen. „Stromausfall! Na wunderbar!“
Seit Jahren fuhr er nun diese Strecke und hatte noch nie erlebt, dass die Fernsehgeräte im Schaufenster von „Radio Riebmann“ aus gingen, geschweige denn, dass die Straßenbahn anhielt.
Inzwischen war es schon dämmrig geworden, sodass in der Straßenbahn nur noch diffuses Licht herrschte. Jürgen wusste nicht warum, aber irgendwie beunruhigte ihn sein eigener Schatten an der gegenüberliegenden Wand der Straßenbahn. Es war wie ein schwarzer Umriss, umgeben vom blutroten, schwachen Licht der Abendsonne.
Lieber wäre er jetzt in einem besetzen Abteil gesessen, anstatt alleine auf seinem Stammplatz hinter der Fahrerkabine.
Aber ja! Der Fahrer!
„Ich werde jetzt einfach an die Fahrertür klopfen, und fragen, was los ist.“
Mit spitzen Fingen tippte Jürgen gegen die schmale Tür zur Fahrerkabine.
„Hallo! Können sie mir vielleicht sagen…“
Jürgen zog es vor, zu warten, bis der Fahrer sein Abteil verließ, bevor er weiterredete.
Eine Minute verging.
„Hallo? Können sie bitte die Tür öffnen?“
Immer noch zeigte sich keine Reaktion, kein Lebenszeichen drang aus der Kabine.
Hektisch sah sich Jürgen in der Bahn um.
„Was.. Was..“, stammelte er.
Die Bahn war absolut leer. Wie ein langer dunkler Tunnel erstreckten sich zahllose Sitzbankreihen nach hinten, aber auf keiner saß ein Passagier. Es war zwar schon recht dunkel, aber der dämmrige Schein des Abends reichte aus, um das eindeutig festzustellen.
„Das kann doch nicht…“ Jürgen überlegte, ob vielleicht schon alle ausgestiegen sein könnten. Dies war allerdings äußerst abwegig, denn er konnte sich noch genau erinnern, dass mit ihm einige andere Leute eingestiegen waren. Und die Bahn hatte nicht einmal gehalten, bis jetzt!
In der Tat, es war ausgeschlossen, dass schon alle gegangen waren.
Er blickte zum Fenster hinaus. Draußen hatte sich ein Tuch aus sterbendem Licht über die Landschaft gelegt. Es war eine weite freie Fläche. Jürgen konnte nicht genau erkennen, ob es sich um Acker- oder Grasfläche handelte.
Auf einmal wurde Jürgen klar, dass etwas nicht stimmte. Er war doch ganz sicher an dem Radiogeschäft vorbeigefahren! Ja, er konnte sich genau erinnern. Wo war das Geschäft? Soweit er auch seinen Hals verrenkte und die Nase an der Schieb platt drückte, er konnte „Radio Reinmann“ nicht mehr entdecken. Dann entschied er allerdings, dass es nun doch wichtiger sei, herauszufinden, warum die Bahn stillstand.
Der Fahrer…
Noch einmal klopfte Jürgen gegen die Tür der Kabine.
Dann fiel ihm etwas auf. An der Fahrerkabine war ein Durchgabeschacht angebracht, der den Zweck hatte, Wechselgeld zwischen Fahrer und Passagier auszutauschen. Schließlich konnte man die Fahrkarten auch direkt in der Bahn erwerben. Der Schacht war hoch genug, um hindurch zu sehen.
Jürgen ging in die Hocke, aber zögerte noch. Eine seltsame Spannung lag in der Luft.
Er kniff das linke Auge zu und schaute mit dem anderen in die Fahrerkabine.
Was er sah, ließ in an seinem Verstand zweifeln.
Die Kabine war leer. Keiner saß auf dem breiten Sessel.
„Das gibt es doch nicht… Das kann einfach nicht…“
Jürgen schlug die Hände vor den Kopf und lief rückwärts von der Kabine weg, als ging von ihr ein Ekel erregender Geruch aus.
Dabei übersah er eine leichte Schwelle, die am Boden der Bahn angebracht war. Sie war zwar mit schwarz-gelbem Warnklebeband gekennzeichnet, aber auch dieser Hinweis kam zu spät. Jürgen setzte den einen Fuß nur halb auf und rutsche ab. Er bekam Übergewicht und fiel zu Boden. Noch im Fall prallte er mit dem Kopf gegen eine Haltestange. Schon bevor er aufschlug war er bewusstlos.
Klingeln. Die Bahn fuhr wieder. „Ich bin eingeschlafen!“, fast etwas zu laut stellte er fest, dass er über seinem Briefkonzept eingeschlafen war. „Was zur Hölle war das für ein Traum? Wie lange habe ich geschlafen?“ Jürgen sah sich um. Einige, maximal 10 Minuten mussten es gewesen sein. Die ihm vertraute Stephanskirche und der danebengelegene kleine Park rauschten an ihm vorbei. Die Bilder des Traums ebenso, nur eben vor seinem geistigen Auge.
„Wahrscheinlich hätte ich meine Pillen nicht absetzen dürfen“, versuchte Jürgen sich die Sache lustig zu reden. Doch so einfach war es nicht, der Traum nahm ihn ziemlich mit.
Zunächst versuchte er sich mit fortführen des Briefes zu beschäftigen, doch das wollte partout nicht klappen. Dann versuchte er sich die Zeit mit Verfolgen des Sekundenzeigers seiner Uhr zu vertreiben, doch auch das machte ihm höchstens noch mehr Sorgen. „Bekomme ich eine Anschlussbahn?“. Wäre die Linie 1 nicht zu spät gekommen, hätte er einen direkten Anschluss zu seiner Regionalbahn gehabt, das hatte er sich bereits heute morgen errechnet, doch nun würde es knapp werden. „Bei meinem Glück fährt die Bahn gerade ab und ich kann 30 Minuten warten. Dreck!“
Plötzlich überkam Jürgen wieder ein bestimmter Gedanke, ein bestimmtes Gefühl. Das Gefühl „Na und?“.
Zu hause würde niemanden auf ihn warten, keine Familie, keine Frau, keine Kinder. „Also, ich komme wahrscheinlich später. Na und?“
Manchmal, wenn er dieses Gefühl hatte, genoss er die Trambahn-Fahrten sogar richtig. Dann nämlich wenn er mit netten Personen, welche meist auch e i g e n t l i c h ihre Ruhe suchten, ins Gespräch kam. Manchmal waren es Senioren, manchmal Studenten, manchmal auch Arbeits- oder Obdachlose. Zu hause, in seinem Dorf, hatte er, abgesehen von Nachbarschafts- oder Stammkneipenbesuchen, keine Gesprächspartner.
Doch heute genoss er die Fahrt ganz und gar nicht. Genervt, unkonzentriert und vor allem – durch den, seines Erachtens, sehr seltsamen Traum – verunsichert. So schnell wie möglich wollte er ins Eigenheim.
Die Zeit dehnte sich. Unzählige neue Versuche den Brief weiter zu schreiben, unzählige weitere Blicke auf die Uhr folgten.
Doch schließlich erreicht er endlich den kleinen Bahnhof, von welchem aus er in die Regionalstraßenbahn, die Linie 22, umsteigen würde. Dieser Zug fuhr immer zur halben und vollen Stunde los, derzeit war es 17:13 Uhr!
„15 Minuten warten...“. Nüchtern stellte Jürgen seine Diagnose und verließ langsamen Schrittes das Transportmittel.
Mit dem eigentlichen Ziel sich am Kiosk einen Kaffee, um bloß nicht noch mal einzuschlafen, zu kaufen, lief er auf die andere Seite des Bahnhofs. Doch stand dort tatsächliche eine 22 an Gleis 3. Weder die elektronische Anzeigetafel, noch der ausgehängte Papierplan, noch Jürgens Wissen wussten von diesem Zug, doch Schöbel konnte es recht sein. Von neuen Kräften belebt, bestieg er flugs den – zwar wie immer alten, aber heute besonders vergammelt wirkenden – Wagen.
Das innere der Trambahn roch… Jürgen konnte nicht genau sagen, wie; es roch ungewohnt. Er kannte den leicht muffigen Geruch nach Menschen und Putzmittel, der sonst im inneren der Straßenbahnen herrschte, und dieser Geruch war eindeutig anders.
Doch Jürgen ließ sich davon nicht abhalten. Flugs ging er in den vorderen Bereich und suchte sich seinen gewohnten Stammplatz hinter der Fahrerkabine.
Nur unterbewusst fiel ihm auf, dass sonst kein Passagier in der Straßenbahn saß.
Er war froh, diesen offenbar außerplanmäßigen Zug erwischt zu haben. Schnell öffnete er seine Tasche und holte erneut sein noch unfertiges Schreiben hervor. Mit dem Kugelschreiber in der Hand, las er noch einmal durch das bereits Verfasste.
Ein Satz schien ihm schlecht ausformuliert, sodass er ihn laut wiederholte:
„…dass der Arndorf-Verlag seit Mitte des Jahres nicht mehr in der Lage ist, weiterhin Exemplare seiner Fachzeitschriften, insbesondere und vor allem Exemplare des Effektenspiegels zu liefern.“
Irgendwas störte ihn an diesem Satz, er wusste nur nicht genau, was.
Dann auf einmal, vollkommen unerwartet, wurde es stockdunkel. Es war keine leichte Düsternis, es war absolute, pechschwarze Dunkelheit.
„Was zum Teufel...“
Jürgen, starr vor Angst, hielt immer noch den Kugelschreiber umklammert und lauschte auf das Sirren der Trambahn.
„Was ist jetzt los? Warum ist es auf einmal so…“
Dann wurde ihm alles klar. Der Tunnel! Natürlich!
Die Bahn durchfuhr gerade einen Tunnel, was normalerweise kaum auffiel, da die Beleuchtung anging. Diese schien aus undefinierbaren Gründen defekt zu sein. Immer noch herrschte Dunkelheit, was Jürgen überaus beunruhigte.
„Du hast doch keine Angst im Dunkeln! Reiß dich zusammen!“, sagte er sich.
Immer noch Dunkelheit. Nur das sirrende Geräusch, verriet Jürgen, dass er sich in der Trambahn befand.
Doch so langsam wurde er stutzig. Er hatte diesen Tunnel gar nicht so lange in Erinnerung gehabt. „Vielleicht fällt es mir erst jetzt auf, weil kein Licht an ist.“, dachte er.
Weitere Minuten vergingen und Jürgen wurde immer unbehaglicher.
„Wir müssten doch schon längst wieder aus dem Tunnel draußen sein! Naja, lange kann es nicht mehr dauern.“
Und dann geschah das, was Jürgen am wenigsten erwartet hätte und was ihn am meisten erschreckte. Die Bahn wurde langsamer!
„Nein! Sie wird doch nicht in der Dunkelheit anhalten! Was wohl die anderen Passagiere machen?“
Erst jetzt wurde Jürgen bewusst, dass er alleine war. „Wenn jemand außer mir in der Bahn wäre, hätte man doch schon längst etwas gehört!“ Und in diesem Moment, als er das dachte, hörte er Schritte. Höchstens wenige Meter von ihm entfernt.
„Hallo?!“, hauchte er mit, verängstigter, brüchiger Stimme.
Keine Antwort.
„Wer ist da? Wissen sie vielleicht…?“
Dann, mit einem Ruck wurde die Bahn wieder schneller. Die Beschleunigung hatte Jürgen noch nie so in dieser Art erlebt. Er wurde regelrecht in den Sitz gepresst. Ihm war schleierhaft, wie eine Trambahn so etwas zu Stande brachte.
Mit einem Schlag wurde es hell um ihn. Er kniff die Augen zusammen, so sehr waren seine an die Dunkelheit gewöhnten Augen geblendet.
„Endlich sind wir draußen!“, jubilierte er.
Dann drehte er sich um, um zu sehen, wer eben die Schrittgeräusche verursacht hatte. Dieser Jemand musste schließlich direkt hinter ihm sein.
Jürgen wirbelte auf seinem Sitz herum. Niemand!
„Das.. Das kann doch nicht sein!!“, dachte er verstört.
„Eben waren eindeutig Schritte zu hören!“
In seinem Erstaunen bemerkte er überhaupt nicht, welche seltsamen, zerstörten Häuserruinen am Fenster vorbeizogen.
Diesmal ist es eine richtige Horrorgeschichte.
Endstation
Jürgen Schöbel sah es zum Ersten Mal, als er die Bank am Marktplatz verließ, um sich in einem nahe gelegenen Café etwas zu trinken zu bestellen.
Es war ein heißer Julitag, was ihn veranlasste, die Erscheinung als Hitzeflimmern abzutun.
Doch es verschwand nicht, auch als er seinen Blickwinkel änderte.
Noch einmal fixierte er die seltsame, flimmernde Stelle in der Luft. Eindeutig, es war keine Illusion gewesen.
Auf dem Marktplatz gab es ein Denkmal, das einen regional sehr bekannten Schriftsteller zeigte. Es wurde von hohen Eisengeländern gesäumt, die nicht einfach aus Stäben sondern aus aufwändigen Metallornamenten bestanden.
Und genau vor einem dieser Ornamente konnte Jürgen eine flimmernde Stelle in der Luft ausmachen. Wobei „flimmern“ nicht unbedingt das richtige Wort war. Es war keine schnelle Bewegung, sondern vielmehr ein langsames Wabern, wie von einer sich plastisch verändernden Oberfläche. Es war eindeutig da und nicht zu verleugnen.
Jürgen kniff die Augen zusammen. Irgendwas an dieser Stelle machte ihn stutzig.
„Das ist kein Hitzeflimmern.“, sagte er sich. „Es muss sich um eine optische Täuschung handeln!“ Es war eine Art durchsichtiger Fleck in der Luft, der „da nicht hin gehörte“, wie Jürgen spontan einfiel. Dieser Fleck hatte den ungefähren Durchmesser eines Fußballs.
Jürgen konnte seine Augen nicht abwenden und ging zielstrebig auf das Geländer des Denkmals zu. Er schloss die Augen, und öffnete sie wieder.
Es verschwand nicht. Immer noch waberte an dieser Stelle die Luft, wodurch die dahinter liegenden Ornamente zu grotesken Formen verzogen wurden. Es war, als würde man durch eine Glasplatte mit stark strukturierter, unregelmäßiger Oberfläche schauen.
Wie gebannt blickte Jürgen auf das für ihn völlig unbekannte Phänomen. Neben ihm saß eine Frau auf einer Holzbank und fütterte einige Tauben. Jetzt hatte sie jedoch ihren Blick von den Vögeln abgewendet und schaute verwundert auf Jürgen.
Diesem wurde mit einem Mal klar, dass er einen peinlichen Anblick bieten musste. Aber sahen andere Leute nicht auch diese seltsame Stelle in der Luft? Die Frau auf der Bank saß nur einen handbreit von der Verzerrung entfernt.
Jürgen fegte diese Gedanken aus seinem Kopf und beschloss, nicht mehr weiter über diesen Vorfall nachzudenken.
Er schaute auf die Uhr. Kurz nach Vier.
Es war noch früh, normalerweise hätte er um diese Zeit noch arbeiten müssen. Er hatte eine Anstellung in einem nahe gelegnen Kaufhaus. Dort war er in einem „Zeitschriftenfachhandel“ tätig, wie er es nannte. Dieser Handel gehört nicht direkt zur Kaufhauskette, sondern war nur im Kaufhaus Untermieter. Besonders mochte er diese Stelle nicht, aber es gab momentan keine Alternativen für ihn. Zumal er nicht schlecht bezahlt wurde. Es handelte sich um einen großen Vertrieb für Druckerzeugnisse aller Art, der sogar mehrere Filialen deutschlandweit hatte. Er war froh, dass er in der hiesigen Filiale eine Stelle gefunden hatte, und nicht noch umziehen musste.
Heute war es ihm gestattet früher zu gehen, da eine Inventur durchgeführt wurde. Dies war ein lästiger Prozess, bei dem die Mitarbeiter in abwechselnder Reihenfolge mithelfen mussten.
Glücklicherweise war Jürgen diesmal nicht dran gewesen.
Nachdem er das Kaufhaus verlassen hatte, war in die Bank gegangen und hatte seine Kontoauszüge ausgedruckt. Es war immer gut zu wissen, wie viel Geld einem zur Verfügung stand, so sein Motto.
Und danach hatte er es gesehen.
Diese… Diese Störung in der Luft. Dieser Begriff fiel ihm spontan ein, und er schien auch zu passen.
Obwohl es ihn doch faszinierte und stutzig machte, wollte und musste er sich nun mit etwas anderem beschäftigen. Er hatte einige geschäftliche Briefe zu schreiben. Diese pflegte er, in Rohfassung, während der Heimfahrt mit Bus und Bahn auszuformulieren. Mit einer Aktentasche, in welcher ein Block und einige Unterlagen untergebracht waren, in der rechten und einem Kugelschreiber in der linken Hand bewaffnet, begab er sich zur Straßenbahnhaltestelle, welche direkt am Marktplatz lag.
Derzeit wartete die Straßenbahnlinie 4 auf Mitreisende, Linie 3 und 4B waren im Anmarsch. Doch von Linie 1, in welche Jürgen einsteigen musste, fehlte bisher jede Spur, obwohl der elektronische Fahrplan die Abfahrtszeit der 1 eigentlich mit „jetzt“ benannte. Nervös blickte Jürgen wieder auf die Uhr, musterte die Mitwartenden, musterte den Wochenmarkt, blickte erneut auf die Uhr. Das „jetzt“ verschwand und die nächste 1 wurde für 16:20 Uhr angekündigt. „Ganz groß! Na immerhin sind’s nur 10 Minuten..“, Jürgen murrte leise auf.
Wieder musste er an die Störung denken, doch war diese nun verdeckt durch den Wochenmarkt. Und auf die Idee, die nächste Bahn wegen einer „Sinnestäuschung“, wie er es nun doch abfällig nannte, womöglich doch zu verpassen, würde er sicher nicht kommen.
Nervös tippte er auf seinen Kugelschreiber. Mine rein, Mine raus, Mine rein, Mine raus, Mine rein, Mine raus, Mine rein, Mine raus. Erst als eine, durch das klappern aufmerksam gewordene, ältere Dame mit verzogenem Gesicht zu Jürgen sah, stoppte er.
Gerade wollte er sich auf eine Bank setzen, um wenigstens in Gedanken einen Brief auszuformulieren, da fuhr die erwartete Linie 1, ganze 5 Minuten früher als erwartet, zur Haltestelle.
Für Jürgen würde nun eine einstündige Fahrt beginnen, eine Fahrt, die er jeden Morgen und jeden Abend hinter sich bringen musste, da er recht weit außerhalb der Stadt, beinahe außerhalb des Landkreises, wohnte. Doch wusste er das engmaschige Liniennetz der Verkehrsgesellschaft zu schätzen, er war sich sicher, dass er in anderen Städten bzw. Regionen sicherlich bis zu 3 Stunden zu fahren hätte.
So begab er sich in den Wagen. Sein Lieblings- und Stammplatz, links hinter dem Bahnfahrer, war glücklicherweise frei. Diesen Sitzplatz belegte er schon seit vielen Jahren nach Möglichkeit immer, denn dort hatte man meistens seine Ruhe vor Mitfahrenden. Einzig kamen immer wieder eine Fahrgäste nach vorne um sich beim Fahrer für die verpasste Aussteigestelle zu bedanken oder um Anschlusslinien zu erfragen, doch dies hatte natürlich oftmals einen eher belustigenden, als nervenden Effekt für Jürgen.
Jürgen packte seinen Block aus, legte ihn auf das kleine Ablagetischchen vor ihm – ein weiterer Grund, warum er so gerne an diesem Platz saß – und begann zu schreiben
Sehr geehrte Damen und Herren, aus meinem Schreiben vom 22.06... Jürgen brach ab. Erstens dachte er darüber nach, ob dieses Datum wirklich stimmte, zweitens musste er an seinen Kurzurlaub denken, welcher unmittelbar davor stattgefunden hatte. Nun, inzwischen war es Ende Juli; der Wetterbericht versprach Regenschauer und ein rapides Absinken der Temperatur – Jürgen wäre im liebsten wieder in Urlaub gefahren.
...aus meinem Schreiben vom 22.06. ging eindeutig hervor, dass der Arndorf-Verlag seit Mitte des Jahres nicht mehr in der Lage ist, weiterhin Exemplare seiner Fachzeitschriften...
Jürgen musste einen sehr unbequemen Briefwechsel mit einem seiner Geschäftspartner führen und spätestens heute Abend musste eben dieser Brief, natürlich fehlerfrei auf dem PC zu Hause ins Reine geschrieben, im Postkasten gelandet sein.
Doch konzentrieren konnte Jürgen sich beim besten Willen nicht. So legte er sein Schreibzeug zur Seite und sah zum Fenster hinaus. Er sah Geschäfte an sich vorüber ziehen, die selben, die er jeden Tag sah.
„Radio Reinmann“. Dieser Laden hatte früher seinem Großvater mütterlicherseits, Heinz Reinmann, gehört und schon damals waren einige eingeschaltete Fernsehgeräte zu Präsentationszwecken im Schaufenster gestanden. Halbinteressiert stierte er auf die Fernsehschirme, musste dabei aber natürlich immer weiter entgegen der Fahrtrichtung drehen. Doch plötzlich wurden die Bildschirme schwarz und 1 Sekunde später kam auch die Straßenbahn zum stehen. „Stromausfall! Na wunderbar!“
Seit Jahren fuhr er nun diese Strecke und hatte noch nie erlebt, dass die Fernsehgeräte im Schaufenster von „Radio Riebmann“ aus gingen, geschweige denn, dass die Straßenbahn anhielt.
Inzwischen war es schon dämmrig geworden, sodass in der Straßenbahn nur noch diffuses Licht herrschte. Jürgen wusste nicht warum, aber irgendwie beunruhigte ihn sein eigener Schatten an der gegenüberliegenden Wand der Straßenbahn. Es war wie ein schwarzer Umriss, umgeben vom blutroten, schwachen Licht der Abendsonne.
Lieber wäre er jetzt in einem besetzen Abteil gesessen, anstatt alleine auf seinem Stammplatz hinter der Fahrerkabine.
Aber ja! Der Fahrer!
„Ich werde jetzt einfach an die Fahrertür klopfen, und fragen, was los ist.“
Mit spitzen Fingen tippte Jürgen gegen die schmale Tür zur Fahrerkabine.
„Hallo! Können sie mir vielleicht sagen…“
Jürgen zog es vor, zu warten, bis der Fahrer sein Abteil verließ, bevor er weiterredete.
Eine Minute verging.
„Hallo? Können sie bitte die Tür öffnen?“
Immer noch zeigte sich keine Reaktion, kein Lebenszeichen drang aus der Kabine.
Hektisch sah sich Jürgen in der Bahn um.
„Was.. Was..“, stammelte er.
Die Bahn war absolut leer. Wie ein langer dunkler Tunnel erstreckten sich zahllose Sitzbankreihen nach hinten, aber auf keiner saß ein Passagier. Es war zwar schon recht dunkel, aber der dämmrige Schein des Abends reichte aus, um das eindeutig festzustellen.
„Das kann doch nicht…“ Jürgen überlegte, ob vielleicht schon alle ausgestiegen sein könnten. Dies war allerdings äußerst abwegig, denn er konnte sich noch genau erinnern, dass mit ihm einige andere Leute eingestiegen waren. Und die Bahn hatte nicht einmal gehalten, bis jetzt!
In der Tat, es war ausgeschlossen, dass schon alle gegangen waren.
Er blickte zum Fenster hinaus. Draußen hatte sich ein Tuch aus sterbendem Licht über die Landschaft gelegt. Es war eine weite freie Fläche. Jürgen konnte nicht genau erkennen, ob es sich um Acker- oder Grasfläche handelte.
Auf einmal wurde Jürgen klar, dass etwas nicht stimmte. Er war doch ganz sicher an dem Radiogeschäft vorbeigefahren! Ja, er konnte sich genau erinnern. Wo war das Geschäft? Soweit er auch seinen Hals verrenkte und die Nase an der Schieb platt drückte, er konnte „Radio Reinmann“ nicht mehr entdecken. Dann entschied er allerdings, dass es nun doch wichtiger sei, herauszufinden, warum die Bahn stillstand.
Der Fahrer…
Noch einmal klopfte Jürgen gegen die Tür der Kabine.
Dann fiel ihm etwas auf. An der Fahrerkabine war ein Durchgabeschacht angebracht, der den Zweck hatte, Wechselgeld zwischen Fahrer und Passagier auszutauschen. Schließlich konnte man die Fahrkarten auch direkt in der Bahn erwerben. Der Schacht war hoch genug, um hindurch zu sehen.
Jürgen ging in die Hocke, aber zögerte noch. Eine seltsame Spannung lag in der Luft.
Er kniff das linke Auge zu und schaute mit dem anderen in die Fahrerkabine.
Was er sah, ließ in an seinem Verstand zweifeln.
Die Kabine war leer. Keiner saß auf dem breiten Sessel.
„Das gibt es doch nicht… Das kann einfach nicht…“
Jürgen schlug die Hände vor den Kopf und lief rückwärts von der Kabine weg, als ging von ihr ein Ekel erregender Geruch aus.
Dabei übersah er eine leichte Schwelle, die am Boden der Bahn angebracht war. Sie war zwar mit schwarz-gelbem Warnklebeband gekennzeichnet, aber auch dieser Hinweis kam zu spät. Jürgen setzte den einen Fuß nur halb auf und rutsche ab. Er bekam Übergewicht und fiel zu Boden. Noch im Fall prallte er mit dem Kopf gegen eine Haltestange. Schon bevor er aufschlug war er bewusstlos.
Klingeln. Die Bahn fuhr wieder. „Ich bin eingeschlafen!“, fast etwas zu laut stellte er fest, dass er über seinem Briefkonzept eingeschlafen war. „Was zur Hölle war das für ein Traum? Wie lange habe ich geschlafen?“ Jürgen sah sich um. Einige, maximal 10 Minuten mussten es gewesen sein. Die ihm vertraute Stephanskirche und der danebengelegene kleine Park rauschten an ihm vorbei. Die Bilder des Traums ebenso, nur eben vor seinem geistigen Auge.
„Wahrscheinlich hätte ich meine Pillen nicht absetzen dürfen“, versuchte Jürgen sich die Sache lustig zu reden. Doch so einfach war es nicht, der Traum nahm ihn ziemlich mit.
Zunächst versuchte er sich mit fortführen des Briefes zu beschäftigen, doch das wollte partout nicht klappen. Dann versuchte er sich die Zeit mit Verfolgen des Sekundenzeigers seiner Uhr zu vertreiben, doch auch das machte ihm höchstens noch mehr Sorgen. „Bekomme ich eine Anschlussbahn?“. Wäre die Linie 1 nicht zu spät gekommen, hätte er einen direkten Anschluss zu seiner Regionalbahn gehabt, das hatte er sich bereits heute morgen errechnet, doch nun würde es knapp werden. „Bei meinem Glück fährt die Bahn gerade ab und ich kann 30 Minuten warten. Dreck!“
Plötzlich überkam Jürgen wieder ein bestimmter Gedanke, ein bestimmtes Gefühl. Das Gefühl „Na und?“.
Zu hause würde niemanden auf ihn warten, keine Familie, keine Frau, keine Kinder. „Also, ich komme wahrscheinlich später. Na und?“
Manchmal, wenn er dieses Gefühl hatte, genoss er die Trambahn-Fahrten sogar richtig. Dann nämlich wenn er mit netten Personen, welche meist auch e i g e n t l i c h ihre Ruhe suchten, ins Gespräch kam. Manchmal waren es Senioren, manchmal Studenten, manchmal auch Arbeits- oder Obdachlose. Zu hause, in seinem Dorf, hatte er, abgesehen von Nachbarschafts- oder Stammkneipenbesuchen, keine Gesprächspartner.
Doch heute genoss er die Fahrt ganz und gar nicht. Genervt, unkonzentriert und vor allem – durch den, seines Erachtens, sehr seltsamen Traum – verunsichert. So schnell wie möglich wollte er ins Eigenheim.
Die Zeit dehnte sich. Unzählige neue Versuche den Brief weiter zu schreiben, unzählige weitere Blicke auf die Uhr folgten.
Doch schließlich erreicht er endlich den kleinen Bahnhof, von welchem aus er in die Regionalstraßenbahn, die Linie 22, umsteigen würde. Dieser Zug fuhr immer zur halben und vollen Stunde los, derzeit war es 17:13 Uhr!
„15 Minuten warten...“. Nüchtern stellte Jürgen seine Diagnose und verließ langsamen Schrittes das Transportmittel.
Mit dem eigentlichen Ziel sich am Kiosk einen Kaffee, um bloß nicht noch mal einzuschlafen, zu kaufen, lief er auf die andere Seite des Bahnhofs. Doch stand dort tatsächliche eine 22 an Gleis 3. Weder die elektronische Anzeigetafel, noch der ausgehängte Papierplan, noch Jürgens Wissen wussten von diesem Zug, doch Schöbel konnte es recht sein. Von neuen Kräften belebt, bestieg er flugs den – zwar wie immer alten, aber heute besonders vergammelt wirkenden – Wagen.
Das innere der Trambahn roch… Jürgen konnte nicht genau sagen, wie; es roch ungewohnt. Er kannte den leicht muffigen Geruch nach Menschen und Putzmittel, der sonst im inneren der Straßenbahnen herrschte, und dieser Geruch war eindeutig anders.
Doch Jürgen ließ sich davon nicht abhalten. Flugs ging er in den vorderen Bereich und suchte sich seinen gewohnten Stammplatz hinter der Fahrerkabine.
Nur unterbewusst fiel ihm auf, dass sonst kein Passagier in der Straßenbahn saß.
Er war froh, diesen offenbar außerplanmäßigen Zug erwischt zu haben. Schnell öffnete er seine Tasche und holte erneut sein noch unfertiges Schreiben hervor. Mit dem Kugelschreiber in der Hand, las er noch einmal durch das bereits Verfasste.
Ein Satz schien ihm schlecht ausformuliert, sodass er ihn laut wiederholte:
„…dass der Arndorf-Verlag seit Mitte des Jahres nicht mehr in der Lage ist, weiterhin Exemplare seiner Fachzeitschriften, insbesondere und vor allem Exemplare des Effektenspiegels zu liefern.“
Irgendwas störte ihn an diesem Satz, er wusste nur nicht genau, was.
Dann auf einmal, vollkommen unerwartet, wurde es stockdunkel. Es war keine leichte Düsternis, es war absolute, pechschwarze Dunkelheit.
„Was zum Teufel...“
Jürgen, starr vor Angst, hielt immer noch den Kugelschreiber umklammert und lauschte auf das Sirren der Trambahn.
„Was ist jetzt los? Warum ist es auf einmal so…“
Dann wurde ihm alles klar. Der Tunnel! Natürlich!
Die Bahn durchfuhr gerade einen Tunnel, was normalerweise kaum auffiel, da die Beleuchtung anging. Diese schien aus undefinierbaren Gründen defekt zu sein. Immer noch herrschte Dunkelheit, was Jürgen überaus beunruhigte.
„Du hast doch keine Angst im Dunkeln! Reiß dich zusammen!“, sagte er sich.
Immer noch Dunkelheit. Nur das sirrende Geräusch, verriet Jürgen, dass er sich in der Trambahn befand.
Doch so langsam wurde er stutzig. Er hatte diesen Tunnel gar nicht so lange in Erinnerung gehabt. „Vielleicht fällt es mir erst jetzt auf, weil kein Licht an ist.“, dachte er.
Weitere Minuten vergingen und Jürgen wurde immer unbehaglicher.
„Wir müssten doch schon längst wieder aus dem Tunnel draußen sein! Naja, lange kann es nicht mehr dauern.“
Und dann geschah das, was Jürgen am wenigsten erwartet hätte und was ihn am meisten erschreckte. Die Bahn wurde langsamer!
„Nein! Sie wird doch nicht in der Dunkelheit anhalten! Was wohl die anderen Passagiere machen?“
Erst jetzt wurde Jürgen bewusst, dass er alleine war. „Wenn jemand außer mir in der Bahn wäre, hätte man doch schon längst etwas gehört!“ Und in diesem Moment, als er das dachte, hörte er Schritte. Höchstens wenige Meter von ihm entfernt.
„Hallo?!“, hauchte er mit, verängstigter, brüchiger Stimme.
Keine Antwort.
„Wer ist da? Wissen sie vielleicht…?“
Dann, mit einem Ruck wurde die Bahn wieder schneller. Die Beschleunigung hatte Jürgen noch nie so in dieser Art erlebt. Er wurde regelrecht in den Sitz gepresst. Ihm war schleierhaft, wie eine Trambahn so etwas zu Stande brachte.
Mit einem Schlag wurde es hell um ihn. Er kniff die Augen zusammen, so sehr waren seine an die Dunkelheit gewöhnten Augen geblendet.
„Endlich sind wir draußen!“, jubilierte er.
Dann drehte er sich um, um zu sehen, wer eben die Schrittgeräusche verursacht hatte. Dieser Jemand musste schließlich direkt hinter ihm sein.
Jürgen wirbelte auf seinem Sitz herum. Niemand!
„Das.. Das kann doch nicht sein!!“, dachte er verstört.
„Eben waren eindeutig Schritte zu hören!“
In seinem Erstaunen bemerkte er überhaupt nicht, welche seltsamen, zerstörten Häuserruinen am Fenster vorbeizogen.
Möchte denn keiner lesen?? Nur weil es nicht der übliche Fantasykram mit DRACHENZWERGENELFEN ist...
o.O
o.O
hmmm. ich habe den ersten absatz gelesen. habe recht wenig zeit, und werde es stück für stück lesen.
Vielen Dank für erste Reaktionen. ^^
Hier geht es weiter, allerdings nochmal mit einer kleinen Änderung: Es gibt jetzt Kapitelnahmen. Der Inhalt des bisher Geposteten bleibt jedoch unangetastet.
1 - Störung
Jürgen Schöbel sah es zum Ersten Mal, als er die Bank am Marktplatz verließ, um sich in einem nahe gelegenen Café etwas zu trinken zu bestellen.
Es war ein heißer Julitag, was ihn veranlasste, die Erscheinung als Hitzeflimmern abzutun.
Doch es verschwand nicht, auch als er seinen Blickwinkel änderte.
Noch einmal fixierte er die seltsame, flimmernde Stelle in der Luft. Eindeutig, es war keine Illusion gewesen.
Auf dem Marktplatz gab es ein Denkmal, das einen regional sehr bekannten Schriftsteller zeigte. Es wurde von hohen Eisengeländern gesäumt, die nicht einfach aus Stäben sondern aus aufwändigen Metallornamenten bestanden.
Und genau vor einem dieser Ornamente konnte Jürgen eine flimmernde Stelle in der Luft ausmachen. Wobei „flimmern“ nicht unbedingt das richtige Wort war. Es war keine schnelle Bewegung, sondern vielmehr ein langsames Wabern, wie von einer sich plastisch verändernden Oberfläche. Es war eindeutig da und nicht zu verleugnen.
Jürgen kniff die Augen zusammen. Irgendwas an dieser Stelle machte ihn stutzig.
„Das ist kein Hitzeflimmern.“, sagte er sich. „Es muss sich um eine optische Täuschung handeln!“ Es war eine Art durchsichtiger Fleck in der Luft, der „da nicht hin gehörte“, wie Jürgen spontan einfiel. Dieser Fleck hatte den ungefähren Durchmesser eines Fußballs.
Jürgen konnte seine Augen nicht abwenden und ging zielstrebig auf das Geländer des Denkmals zu. Er schloss die Augen, und öffnete sie wieder.
Es verschwand nicht. Immer noch waberte an dieser Stelle die Luft, wodurch die dahinter liegenden Ornamente zu grotesken Formen verzogen wurden. Es war, als würde man durch eine Glasplatte mit stark strukturierter, unregelmäßiger Oberfläche schauen.
Wie gebannt blickte Jürgen auf das für ihn völlig unbekannte Phänomen. Neben ihm saß eine Frau auf einer Holzbank und fütterte einige Tauben. Jetzt hatte sie jedoch ihren Blick von den Vögeln abgewendet und schaute verwundert auf Jürgen.
Diesem wurde mit einem Mal klar, dass er einen peinlichen Anblick bieten musste. Aber sahen andere Leute nicht auch diese seltsame Stelle in der Luft? Die Frau auf der Bank saß nur einen handbreit von der Verzerrung entfernt.
Jürgen fegte diese Gedanken aus seinem Kopf und beschloss, nicht mehr weiter über diesen Vorfall nachzudenken.
Er schaute auf die Uhr. Kurz nach Vier.
Es war noch früh, normalerweise hätte er um diese Zeit noch arbeiten müssen. Er hatte eine Anstellung in einem nahe gelegnen Kaufhaus. Dort war er in einem „Zeitschriftenfachhandel“ tätig, wie er es nannte. Dieser Handel gehört nicht direkt zur Kaufhauskette, sondern war nur im Kaufhaus Untermieter. Besonders mochte er diese Stelle nicht, aber es gab momentan keine Alternativen für ihn. Zumal er nicht schlecht bezahlt wurde. Es handelte sich um einen großen Vertrieb für Druckerzeugnisse aller Art, der sogar mehrere Filialen deutschlandweit hatte. Er war froh, dass er in der hiesigen Filiale eine Stelle gefunden hatte, und nicht noch umziehen musste.
Heute war es ihm gestattet früher zu gehen, da eine Inventur durchgeführt wurde. Dies war ein lästiger Prozess, bei dem die Mitarbeiter in abwechselnder Reihenfolge mithelfen mussten.
Glücklicherweise war Jürgen diesmal nicht dran gewesen.
Nachdem er das Kaufhaus verlassen hatte, war in die Bank gegangen und hatte seine Kontoauszüge ausgedruckt. Es war immer gut zu wissen, wie viel Geld einem zur Verfügung stand, so sein Motto.
Und danach hatte er es gesehen.
Diese… Diese Störung in der Luft. Dieser Begriff fiel ihm spontan ein, und er schien auch zu passen.
Obwohl es ihn doch faszinierte und stutzig machte, wollte und musste er sich nun mit etwas anderem beschäftigen. Er hatte einige geschäftliche Briefe zu schreiben. Diese pflegte er, in Rohfassung, während der Heimfahrt mit Bus und Bahn auszuformulieren. Mit einer Aktentasche, in welcher ein Block und einige Unterlagen untergebracht waren, in der rechten und einem Kugelschreiber in der linken Hand bewaffnet, begab er sich zur Straßenbahnhaltestelle, welche direkt am Marktplatz lag.
Derzeit wartete die Straßenbahnlinie 4 auf Mitreisende, Linie 3 und 4B waren im Anmarsch. Doch von Linie 1, in welche Jürgen einsteigen musste, fehlte bisher jede Spur, obwohl der elektronische Fahrplan die Abfahrtszeit der 1 eigentlich mit „jetzt“ benannte. Nervös blickte Jürgen wieder auf die Uhr, musterte die Mitwartenden, musterte den Wochenmarkt, blickte erneut auf die Uhr. Das „jetzt“ verschwand und die nächste 1 wurde für 16:20 Uhr angekündigt. „Ganz groß! Na immerhin sind’s nur 10 Minuten..“, Jürgen murrte leise auf.
Wieder musste er an die Störung denken, doch war diese nun verdeckt durch den Wochenmarkt. Und auf die Idee, die nächste Bahn wegen einer „Sinnestäuschung“, wie er es nun doch abfällig nannte, womöglich doch zu verpassen, würde er sicher nicht kommen.
Nervös tippte er auf seinen Kugelschreiber. Mine rein, Mine raus, Mine rein, Mine raus, Mine rein, Mine raus, Mine rein, Mine raus. Erst als eine, durch das klappern aufmerksam gewordene, ältere Dame mit verzogenem Gesicht zu Jürgen sah, stoppte er.
Gerade wollte er sich auf eine Bank setzen, um wenigstens in Gedanken einen Brief auszuformulieren, da fuhr die erwartete Linie 1, ganze 5 Minuten früher als erwartet, zur Haltestelle.
Für Jürgen würde nun eine einstündige Fahrt beginnen, eine Fahrt, die er jeden Morgen und jeden Abend hinter sich bringen musste, da er recht weit außerhalb der Stadt, beinahe außerhalb des Landkreises, wohnte. Doch wusste er das engmaschige Liniennetz der Verkehrsgesellschaft zu schätzen, er war sich sicher, dass er in anderen Städten bzw. Regionen sicherlich bis zu 3 Stunden zu fahren hätte.
So begab er sich in den Wagen. Sein Lieblings- und Stammplatz, links hinter dem Bahnfahrer, war glücklicherweise frei. Diesen Sitzplatz belegte er schon seit vielen Jahren nach Möglichkeit immer, denn dort hatte man meistens seine Ruhe vor Mitfahrenden. Einzig kamen immer wieder eine Fahrgäste nach vorne um sich beim Fahrer für die verpasste Aussteigestelle zu bedanken oder um Anschlusslinien zu erfragen, doch dies hatte natürlich oftmals einen eher belustigenden, als nervenden Effekt für Jürgen.
Jürgen packte seinen Block aus, legte ihn auf das kleine Ablagetischchen vor ihm – ein weiterer Grund, warum er so gerne an diesem Platz saß – und begann zu schreiben
Sehr geehrte Damen und Herren, aus meinem Schreiben vom 22.06... Jürgen brach ab. Erstens dachte er darüber nach, ob dieses Datum wirklich stimmte, zweitens musste er an seinen Kurzurlaub denken, welcher unmittelbar davor stattgefunden hatte. Nun, inzwischen war es Ende Juli; der Wetterbericht versprach Regenschauer und ein rapides Absinken der Temperatur – Jürgen wäre im liebsten wieder in Urlaub gefahren.
...aus meinem Schreiben vom 22.06. ging eindeutig hervor, dass der Arndorf-Verlag seit Mitte des Jahres nicht mehr in der Lage ist, weiterhin Exemplare seiner Fachzeitschriften...
Jürgen musste einen sehr unbequemen Briefwechsel mit einem seiner Geschäftspartner führen und spätestens heute Abend musste eben dieser Brief, natürlich fehlerfrei auf dem PC zu Hause ins Reine geschrieben, im Postkasten gelandet sein.
Doch konzentrieren konnte Jürgen sich beim besten Willen nicht. So legte er sein Schreibzeug zur Seite und sah zum Fenster hinaus. Er sah Geschäfte an sich vorüber ziehen, dieselben, die er jeden Tag sah.
„Radio Reinmann“. Dieser Laden hatte früher seinem Großvater mütterlicherseits, Heinz Reinmann, gehört und schon damals waren einige eingeschaltete Fernsehgeräte zu Präsentationszwecken im Schaufenster gestanden. Halbinteressiert stierte er auf die Fernsehschirme, musste dabei aber natürlich immer weiter entgegen der Fahrtrichtung drehen. Doch plötzlich wurden die Bildschirme schwarz und 1 Sekunde später kam auch die Straßenbahn zum stehen. „Stromausfall! Na wunderbar!“
Seit Jahren fuhr er nun diese Strecke und hatte noch nie erlebt, dass die Fernsehgeräte im Schaufenster von „Radio Riebmann“ aus gingen, geschweige denn, dass die Straßenbahn anhielt.
2 – Überschneidung
Inzwischen war es schon dämmrig geworden, sodass in der Straßenbahn nur noch diffuses Licht herrschte. Jürgen wusste nicht warum, aber irgendwie beunruhigte ihn sein eigener Schatten an der gegenüberliegenden Wand der Straßenbahn. Es war wie ein schwarzer Umriss, umgeben vom blutroten, schwachen Licht der Abendsonne.
Lieber wäre er jetzt in einem besetzen Abteil gesessen, anstatt alleine auf seinem Stammplatz hinter der Fahrerkabine.
Aber ja! Der Fahrer!
„Ich werde jetzt einfach an die Fahrertür klopfen, und fragen, was los ist.“
Mit spitzen Fingen tippte Jürgen gegen die schmale Tür zur Fahrerkabine.
„Hallo! Können sie mir vielleicht sagen…“
Jürgen zog es vor, zu warten, bis der Fahrer sein Abteil verließ, bevor er weiterredete.
Eine Minute verging.
„Hallo? Können sie bitte die Tür öffnen?“
Immer noch zeigte sich keine Reaktion, kein Lebenszeichen drang aus der Kabine.
Hektisch sah sich Jürgen in der Bahn um.
„Was.. Was..“, stammelte er.
Die Bahn war absolut leer. Wie ein langer dunkler Tunnel erstreckten sich zahllose Sitzbankreihen nach hinten, aber auf keiner saß ein Passagier. Es war zwar schon recht dunkel, aber der dämmrige Schein des Abends reichte aus, um das eindeutig festzustellen.
„Das kann doch nicht…“ Jürgen überlegte, ob vielleicht schon alle ausgestiegen sein könnten. Dies war allerdings äußerst abwegig, denn er konnte sich noch genau erinnern, dass mit ihm einige andere Leute eingestiegen waren. Und die Bahn hatte nicht einmal gehalten, bis jetzt!
In der Tat, es war ausgeschlossen, dass schon alle gegangen waren.
Er blickte zum Fenster hinaus. Draußen hatte sich ein Tuch aus sterbendem Licht über die Landschaft gelegt. Es war eine weite freie Fläche. Jürgen konnte nicht genau erkennen, ob es sich um Acker- oder Grasfläche handelte.
Auf einmal wurde Jürgen klar, dass etwas nicht stimmte. Er war doch ganz sicher an dem Radiogeschäft vorbeigefahren! Ja, er konnte sich genau erinnern. Wo war das Geschäft? Soweit er auch seinen Hals verrenkte und die Nase an der Schieb platt drückte, er konnte „Radio Reinmann“ nicht mehr entdecken. Dann entschied er allerdings, dass es nun doch wichtiger sei, herauszufinden, warum die Bahn stillstand.
Der Fahrer…
Noch einmal klopfte Jürgen gegen die Tür der Kabine.
Dann fiel ihm etwas auf. An der Fahrerkabine war ein Durchgabeschacht angebracht, der den Zweck hatte, Wechselgeld zwischen Fahrer und Passagier auszutauschen. Schließlich konnte man die Fahrkarten auch direkt in der Bahn erwerben. Der Schacht war hoch genug, um hindurch zu sehen.
Jürgen ging in die Hocke, aber zögerte noch. Eine seltsame Spannung lag in der Luft.
Er kniff das linke Auge zu und schaute mit dem anderen in die Fahrerkabine.
Was er sah, ließ in an seinem Verstand zweifeln.
Die Kabine war leer. Keiner saß auf dem breiten Sessel.
„Das gibt es doch nicht… Das kann einfach nicht…“
Jürgen schlug die Hände vor den Kopf und lief rückwärts von der Kabine weg, als ging von ihr ein Ekel erregender Geruch aus.
Dabei übersah er eine leichte Schwelle, die am Boden der Bahn angebracht war. Sie war zwar mit schwarz-gelbem Warnklebeband gekennzeichnet, aber auch dieser Hinweis kam zu spät. Jürgen setzte den einen Fuß nur halb auf und rutsche ab. Er bekam Übergewicht und fiel zu Boden. Noch im Fall prallte er mit dem Kopf gegen eine Haltestange. Schon bevor er aufschlug war er bewusstlos.
Klingeln. Die Bahn fuhr wieder. „Ich bin eingeschlafen!“, fast etwas zu laut stellte er fest, dass er über seinem Briefkonzept eingeschlafen war. „Was zur Hölle war das für ein Traum? Wie lange habe ich geschlafen?“ Jürgen sah sich um. Einige, maximal 10 Minuten mussten es gewesen sein. Die ihm vertraute Stephanskirche und der danebengelegene kleine Park rauschten an ihm vorbei. Die Bilder des Traums ebenso, nur eben vor seinem geistigen Auge.
„Wahrscheinlich hätte ich meine Pillen nicht absetzen dürfen“, versuchte Jürgen sich die Sache lustig zu reden. Doch so einfach war es nicht, der Traum nahm ihn ziemlich mit.
Zunächst versuchte er sich mit fortführen des Briefes zu beschäftigen, doch das wollte partout nicht klappen. Dann versuchte er sich die Zeit mit Verfolgen des Sekundenzeigers seiner Uhr zu vertreiben, doch auch das machte ihm höchstens noch mehr Sorgen. „Bekomme ich eine Anschlussbahn?“. Wäre die Linie 1 nicht zu spät gekommen, hätte er einen direkten Anschluss zu seiner Regionalbahn gehabt, das hatte er sich bereits heute morgen errechnet, doch nun würde es knapp werden. „Bei meinem Glück fährt die Bahn gerade ab und ich kann 30 Minuten warten. Dreck!“
Plötzlich überkam Jürgen wieder ein bestimmter Gedanke, ein bestimmtes Gefühl. Das Gefühl „Na und?“.
Zu hause würde niemanden auf ihn warten, keine Familie, keine Frau, keine Kinder. „Also, ich komme wahrscheinlich später. Na und?“
Manchmal, wenn er dieses Gefühl hatte, genoss er die Trambahn-Fahrten sogar richtig. Dann nämlich wenn er mit netten Personen, welche meist auch e i g e n t l i c h ihre Ruhe suchten, ins Gespräch kam. Manchmal waren es Senioren, manchmal Studenten, manchmal auch Arbeits- oder Obdachlose. Zu hause, in seinem Dorf, hatte er, abgesehen von Nachbarschafts- oder Stammkneipenbesuchen, keine Gesprächspartner.
Doch heute genoss er die Fahrt ganz und gar nicht. Genervt, unkonzentriert und vor allem – durch den, seines Erachtens, sehr seltsamen Traum – verunsichert. So schnell wie möglich wollte er ins Eigenheim.
Die Zeit dehnte sich. Unzählige neue Versuche den Brief weiter zu schreiben, unzählige weitere Blicke auf die Uhr folgten.
Doch schließlich erreicht er endlich den kleinen Bahnhof, von welchem aus er in die Regionalstraßenbahn, die Linie 22, umsteigen würde. Dieser Zug fuhr immer zur halben und vollen Stunde los, derzeit war es 17:13 Uhr!
„15 Minuten warten...“. Nüchtern stellte Jürgen seine Diagnose und verließ langsamen Schrittes das Transportmittel.
Mit dem eigentlichen Ziel sich am Kiosk einen Kaffee, um bloß nicht noch mal einzuschlafen, zu kaufen, lief er auf die andere Seite des Bahnhofs. Doch stand dort tatsächliche eine 22 an Gleis 3. Weder die elektronische Anzeigetafel, noch der ausgehängte Papierplan, noch Jürgens Wissen wussten von diesem Zug, doch Schöbel konnte es recht sein. Von neuen Kräften belebt, bestieg er flugs den – zwar wie immer alten, aber heute besonders vergammelt wirkenden – Wagen.
Das innere der Trambahn roch… Jürgen konnte nicht genau sagen, wie; es roch ungewohnt. Er kannte den leicht muffigen Geruch nach Menschen und Putzmittel, der sonst im inneren der Straßenbahnen herrschte, und dieser Geruch war eindeutig anders.
Doch Jürgen ließ sich davon nicht abhalten. Flugs ging er in den vorderen Bereich und suchte sich seinen gewohnten Stammplatz hinter der Fahrerkabine.
Nur unterbewusst fiel ihm auf, dass sonst kein Passagier in der Straßenbahn saß.
Er war froh, diesen offenbar außerplanmäßigen Zug erwischt zu haben. Schnell öffnete er seine Tasche und holte erneut sein noch unfertiges Schreiben hervor. Mit dem Kugelschreiber in der Hand, las er noch einmal durch das bereits Verfasste.
Ein Satz schien ihm schlecht ausformuliert, sodass er ihn laut wiederholte:
„…dass der Arndorf-Verlag seit Mitte des Jahres nicht mehr in der Lage ist, weiterhin Exemplare seiner Fachzeitschriften, insbesondere und vor allem Exemplare des Effektenspiegels zu liefern.“
Irgendwas störte ihn an diesem Satz, er wusste nur nicht genau, was.
Dann auf einmal, vollkommen unerwartet, wurde es stockdunkel. Es war keine leichte Düsternis, es war absolute, pechschwarze Dunkelheit.
„Was zum Teufel...“
Jürgen, starr vor Angst, hielt immer noch den Kugelschreiber umklammert und lauschte auf das Sirren der Trambahn.
„Was ist jetzt los? Warum ist es auf einmal so…“
Dann wurde ihm alles klar. Der Tunnel! Natürlich!
Die Bahn durchfuhr gerade einen Tunnel, was normalerweise kaum auffiel, da die Beleuchtung anging. Diese schien aus undefinierbaren Gründen defekt zu sein. Immer noch herrschte Dunkelheit, was Jürgen überaus beunruhigte.
„Du hast doch keine Angst im Dunkeln! Reiß dich zusammen!“, sagte er sich.
Immer noch Dunkelheit. Nur das sirrende Geräusch, verriet Jürgen, dass er sich in der Trambahn befand.
Doch so langsam wurde er stutzig. Er hatte diesen Tunnel gar nicht so lange in Erinnerung gehabt. „Vielleicht fällt es mir erst jetzt auf, weil kein Licht an ist.“, dachte er.
Weitere Minuten vergingen und Jürgen wurde immer unbehaglicher.
„Wir müssten doch schon längst wieder aus dem Tunnel draußen sein! Naja, lange kann es nicht mehr dauern.“
Und dann geschah das, was Jürgen am wenigsten erwartet hätte und was ihn am meisten erschreckte. Die Bahn wurde langsamer!
„Nein! Sie wird doch nicht in der Dunkelheit anhalten! Was wohl die anderen Passagiere machen?“
Erst jetzt wurde Jürgen bewusst, dass er alleine war. „Wenn jemand außer mir in der Bahn wäre, hätte man doch schon längst etwas gehört!“ Und in diesem Moment, als er das dachte, hörte er Schritte. Höchstens wenige Meter von ihm entfernt.
„Hallo?!“, hauchte er mit, verängstigter, brüchiger Stimme.
Keine Antwort.
„Wer ist da? Wissen sie vielleicht…?“
Dann, mit einem Ruck wurde die Bahn wieder schneller. Die Beschleunigung hatte Jürgen noch nie so in dieser Art erlebt. Er wurde regelrecht in den Sitz gepresst. Ihm war schleierhaft, wie eine Trambahn so etwas zu Stande brachte.
Mit einem Schlag wurde es hell um ihn. Er kniff die Augen zusammen, so sehr waren seine an die Dunkelheit gewöhnten Augen geblendet.
„Endlich sind wir draußen!“, jubilierte er.
Dann drehte er sich um, um zu sehen, wer eben die Schrittgeräusche verursacht hatte. Dieser Jemand musste schließlich direkt hinter ihm sein.
Jürgen wirbelte auf seinem Sitz herum. Niemand!
„Das.. Das kann doch nicht sein!!“, dachte er verstört.
„Eben waren eindeutig Schritte zu hören!“
In seinem Erstaunen bemerkte er überhaupt nicht, welche seltsamen, zerstörten Häuserruinen am Fenster vorbeizogen.
3 – Transformation
„Moooment, ist das jetzt wieder ein Traum, oder was?“, Jürgen hob seine Stimme deutlich an, doch die Frage beantwortete sich eigentlich selbst. Natürlich war das kein Traum! Obwohl es sich schon um eine ziemlich surreale Situation handelte. Ganz klar, diesmal war es kein Traum!
Hastig sprang Jürgen auf und marschierte, seine Stirn in kaltem Schweiß getränkt, mehrmals durch den komplett Zug. Dabei stürzte er mehrfach aufgrund der hohen Fahrgeschwindigkeit und der engen Kurven zu Boden, doch die Schmerzen waren ihm zu diesem Zeitpunkt relativ egal.
Absolut leer! Niemand war zu finden! Nicht mal der Fahrer war in seiner Kabine, wie er mit einem Blick durch den Wechselgeldschacht sehen konnte.
Einige Male spielte ihm die, offenbar innerhalb von Minuten, stark vorangeschrittene Dämmerung einen Streich und wollte ihn glauben machen, dass sich unter den Sitzen eine Person verstecke, doch handelte es sich nur um einige düstere Schatten.
„Ruhig bleiben. Logisch denken.“, Jürgen ermahnte sich selbst.
„Also, abgesehen davon, dass ich von einer ähnlichen Situation vorhin geträumt habe, dass dies GANZ OFFENSICHTLICH kein Traum ist und dass der Fahrer nicht einfach abgesprungen sein kann...Achsoooo, warum eigentlich nicht?“. Er überlegte, dass es sicherlich möglich wäre, Trambahnen führerlos zu betreiben.
„Ich reg’ mich hier auf und die Erklärung ist so einfach. Klaaar! Computertechnik! Da is’ ja heutzutage alles möglich.“, mit einem verzweifelten Lachen in der Stimme, versuchte er sich die Situation schön zu reden, „Klar, die Lampen haben ’se halt vergessen einzuschalten. Und am nächsten Bahnhof hält der Zug dann automatisch. Klaar!“
Doch Jürgen wusste selbstverständlich, dass dies keine Erklärung war. Gänzlich abwegig war die Überlegung einer fern- oder automatisch gesteuerten Bahn natürlich nicht, aber wäre dies doch sicher durch die Presse gegangen und man hätte nicht gerade den ältesten Schrottwagen mit solch einer Funktion ausgestattet.
Mit verrückt-verzweifeltem Lachen klatschte er sich immer wieder gegen die Stirn, wie er sich nur derart hatte aufregen können. Doch was er durch das Fenster sah, sprach eine andere Sprache und steigerte seine Bedenken ins schier Unermessliche.
Karge Gras-, Wald- und Feld-Landschaften. Kein einziges Lebenszeichen. Nichts kam ihm vertraut vor.
Sicherlich war es ihm schon oft passiert, dass er während einer Bahnfahrt aus dem Fenster sah und sich sicher war, ein bestimmtes Objekt, ein bestimmtes Motiv noch nie gesehen zu haben, doch dies hier kam ihm vollständig fremd vor.
„Wann kommt denn endlich dieser Bahnhof? Sulzach oder wie der heißt.“ Jürgen war sich sicher, dort auszusteigen, sich am Bahnhofskiosk oder in der Bahnhofskneipe, sofern es etwas derartiges gäbe – Jürgen war nie dort ausgestiegen, mindest 1 „Beruhigungsbier“ zu genehmigen und anschließend die höchst vorstellbare Taxirechnung in Kauf zu nehmen. Auf keinen Fall aber, würde er weiter in dieser Bahn fahren.
Bahnhof Sulzach wird nicht kommen. Und auch kein Taxi. Eine innere Stimme machte ihm Angst.
Schon längst müsste der Bahnhof da sein, vermutlich hätte er auch schon zu Hause sein müssen.
Jürgen wollte auf die Uhr sehen, krempelte den Jackenärmel zurück... „SCHEI*E! Die Uhr ist weg!“, entsetzt tastete er seinen Arm ab, „Vielleicht hab ich die ja in meinen Akten...“
Aktenkoffer, Block, Stift – alles war von seinem Platz verschwunden. Immer mehr wurde von Panik ergreifen, biss sich zum Stressabbau mehrfach – leicht – in die Zunge, schlug auf das Polster seines Sitzes ein. „Schei*e! Schei*e! Schei*e! Was ist hier los??“
Verzweifelt blickte er aus dem Fenster.
Da! Das Schild kannte er! SLZ BH. Ein altes, rostiges Metallschild, welches etwa einen Kilometer vor dem Sulzacher Bahnhof stand. Genau konnte er es nicht erkennen und so war er sich nicht sicher, ob tatsächlich die Abkürzung zu lesen war oder ob das Schild am Ende unbeschriftet war und er es nur am verbogenen Ständer identifiziert hatte. Doch egal, das war es!
Gebannt blickte er weiter zur rechten Fensterseite hinaus, in freudiger Erwartung, womöglich doch gleich im kleinen Dörfchen Sulzach aussteigen zu können. Die Zeit zog sich und obwohl der Zug ja relativ schnell vor, schien ihm der Kilometer ewig zu dauern.
„Naja, vielleicht war es auch mehr als der eine Kilometer... Früher habe ich da ja nie drauf geachtet.“
Ein Bahnhof näherte sich.
Jürgen klappte den Mund sperrangelweit auf, ihm wurde eiskalt.
Der kleine Bahnhof – im stark dämmrigen Licht - in Schutt und Asche, rundherum nichts. Nichts! Gras und Felder!
Und Jürgen schrie! Er schrie so laut, wie er nur konnte! Er schrie so laut, wie er noch nie geschrieen hatte!
Der Bahn fuhr mit unverminderter Schelle weiter, ließ den Bahnhof in kürzester Zeit weit hinter sich, doch das Bild hatte er sich in Jürgens Kopf eingebrannt.
Der Sulzacher Bahnhof in Schutt und Asche und dahinter Nichts!
Jürgen war bis jetzt ein recht glücklicher, zufriedener Mensch gewesen. Er hatte alles was man brauchte. Eine Arbeit, ein Dach über dem Kopf, ein Konto, eine Versicherung, ein Fernsehgerät – all das was einen Durchschnittsmenschen ausmachte.
Und vor allem eines hatte er: Ordnung in seinem Leben.
Er war immer stolz gewesen, ganz und gar normal zu sein. Und genau das war ihm jetzt genommen worden. Irgendetwas hatte ihn plötzlich aus seinem normalen Leben herausgerissen.
„Warum muss das ausgerechnet mir passieren? Was ist das alles überhaupt!“, flehte Jürgen. „Es MUSS doch eine Erklärung für all das hier geben.“
Aber sosehr er sich auch das Hirn zermarterte, ihm fiel keine hinreichende Erklärung für seine aktuelle Situation ein. Er fand keine Begründung, warum die Haltestelle Sulzach zerstört sein sollte oder warum sich kein Führer in der Bahn befand. Das alles trieb ihn fast zum Wahnsinn.
Er setzte sich auf einen Bahnsitz und dachte nach.
„Was könnte ich tun? Ich könnte warten, bis der Zug anhält. Irgendwann MUSS er ja halten…“ Aber nach den Geschehnissen der letzten 2 Stunden war er sich dessen nicht mehr so sicher.
„Ich könnte notfalls versuchen, die Bahn zum stehen zu bringen. Abspringen ist nicht, dafür ist sie zu schnell.“
Dann kam ihm eine Idee. Er erinnerte sich, des Öfteren in den Fahrerkabinen der Trambahnen Sprechfunkanlagen gesehen zu haben. Da er meistens auch hinter diesen Kabinen saß, konnte er auch oftmals den Fahrer Sprechen hören.
Das war die Lösung!
„Ich werde jetzt versuchen, in die Kabine einzudringen und das Funkgerät zu benutzen!“, dachte er.
Am Türgriff rütteln brachte allerdings nichts, wie er sogleich feststellen musste. Die Tür war verschlossen.
„Ich werde sie aufbrechen müssen.“
Mehrmals trat er gegen die Tür, was aber nicht viel brachte. Sie gab zwar minimal nach, aber das Schloss zerbrach nicht, geschweige denn, dass die Tür brach.
Doch Jürgen sah seine einzige Hoffnung in dem Funkgerät.
„ICH MUSS DA REEEIN!!!“, brüllte er, wie ein kleines, wütendes Kind.
In einer regelrechten Raserei trat er immer und immer wieder gegen die Tür und bearbeitete sie mit den Fäusten. Er nahm Anlauf und ließ sich mit seinem ganzen Körpergewicht dagegen fallen. Doch nichts half.
Das Randalieren erschöpfte ihn sehr und eine bleierne Müdigkeit ergriff von ihm Besitzt.
Er nahm sich vor, nur eine kleine Pause einzulegen und ließ sich in einen der zahlreich vorhanden Sitze plumpsen.
Nach wenigen Minuten schlief er ein.
Hier geht es weiter, allerdings nochmal mit einer kleinen Änderung: Es gibt jetzt Kapitelnahmen. Der Inhalt des bisher Geposteten bleibt jedoch unangetastet.
1 - Störung
Jürgen Schöbel sah es zum Ersten Mal, als er die Bank am Marktplatz verließ, um sich in einem nahe gelegenen Café etwas zu trinken zu bestellen.
Es war ein heißer Julitag, was ihn veranlasste, die Erscheinung als Hitzeflimmern abzutun.
Doch es verschwand nicht, auch als er seinen Blickwinkel änderte.
Noch einmal fixierte er die seltsame, flimmernde Stelle in der Luft. Eindeutig, es war keine Illusion gewesen.
Auf dem Marktplatz gab es ein Denkmal, das einen regional sehr bekannten Schriftsteller zeigte. Es wurde von hohen Eisengeländern gesäumt, die nicht einfach aus Stäben sondern aus aufwändigen Metallornamenten bestanden.
Und genau vor einem dieser Ornamente konnte Jürgen eine flimmernde Stelle in der Luft ausmachen. Wobei „flimmern“ nicht unbedingt das richtige Wort war. Es war keine schnelle Bewegung, sondern vielmehr ein langsames Wabern, wie von einer sich plastisch verändernden Oberfläche. Es war eindeutig da und nicht zu verleugnen.
Jürgen kniff die Augen zusammen. Irgendwas an dieser Stelle machte ihn stutzig.
„Das ist kein Hitzeflimmern.“, sagte er sich. „Es muss sich um eine optische Täuschung handeln!“ Es war eine Art durchsichtiger Fleck in der Luft, der „da nicht hin gehörte“, wie Jürgen spontan einfiel. Dieser Fleck hatte den ungefähren Durchmesser eines Fußballs.
Jürgen konnte seine Augen nicht abwenden und ging zielstrebig auf das Geländer des Denkmals zu. Er schloss die Augen, und öffnete sie wieder.
Es verschwand nicht. Immer noch waberte an dieser Stelle die Luft, wodurch die dahinter liegenden Ornamente zu grotesken Formen verzogen wurden. Es war, als würde man durch eine Glasplatte mit stark strukturierter, unregelmäßiger Oberfläche schauen.
Wie gebannt blickte Jürgen auf das für ihn völlig unbekannte Phänomen. Neben ihm saß eine Frau auf einer Holzbank und fütterte einige Tauben. Jetzt hatte sie jedoch ihren Blick von den Vögeln abgewendet und schaute verwundert auf Jürgen.
Diesem wurde mit einem Mal klar, dass er einen peinlichen Anblick bieten musste. Aber sahen andere Leute nicht auch diese seltsame Stelle in der Luft? Die Frau auf der Bank saß nur einen handbreit von der Verzerrung entfernt.
Jürgen fegte diese Gedanken aus seinem Kopf und beschloss, nicht mehr weiter über diesen Vorfall nachzudenken.
Er schaute auf die Uhr. Kurz nach Vier.
Es war noch früh, normalerweise hätte er um diese Zeit noch arbeiten müssen. Er hatte eine Anstellung in einem nahe gelegnen Kaufhaus. Dort war er in einem „Zeitschriftenfachhandel“ tätig, wie er es nannte. Dieser Handel gehört nicht direkt zur Kaufhauskette, sondern war nur im Kaufhaus Untermieter. Besonders mochte er diese Stelle nicht, aber es gab momentan keine Alternativen für ihn. Zumal er nicht schlecht bezahlt wurde. Es handelte sich um einen großen Vertrieb für Druckerzeugnisse aller Art, der sogar mehrere Filialen deutschlandweit hatte. Er war froh, dass er in der hiesigen Filiale eine Stelle gefunden hatte, und nicht noch umziehen musste.
Heute war es ihm gestattet früher zu gehen, da eine Inventur durchgeführt wurde. Dies war ein lästiger Prozess, bei dem die Mitarbeiter in abwechselnder Reihenfolge mithelfen mussten.
Glücklicherweise war Jürgen diesmal nicht dran gewesen.
Nachdem er das Kaufhaus verlassen hatte, war in die Bank gegangen und hatte seine Kontoauszüge ausgedruckt. Es war immer gut zu wissen, wie viel Geld einem zur Verfügung stand, so sein Motto.
Und danach hatte er es gesehen.
Diese… Diese Störung in der Luft. Dieser Begriff fiel ihm spontan ein, und er schien auch zu passen.
Obwohl es ihn doch faszinierte und stutzig machte, wollte und musste er sich nun mit etwas anderem beschäftigen. Er hatte einige geschäftliche Briefe zu schreiben. Diese pflegte er, in Rohfassung, während der Heimfahrt mit Bus und Bahn auszuformulieren. Mit einer Aktentasche, in welcher ein Block und einige Unterlagen untergebracht waren, in der rechten und einem Kugelschreiber in der linken Hand bewaffnet, begab er sich zur Straßenbahnhaltestelle, welche direkt am Marktplatz lag.
Derzeit wartete die Straßenbahnlinie 4 auf Mitreisende, Linie 3 und 4B waren im Anmarsch. Doch von Linie 1, in welche Jürgen einsteigen musste, fehlte bisher jede Spur, obwohl der elektronische Fahrplan die Abfahrtszeit der 1 eigentlich mit „jetzt“ benannte. Nervös blickte Jürgen wieder auf die Uhr, musterte die Mitwartenden, musterte den Wochenmarkt, blickte erneut auf die Uhr. Das „jetzt“ verschwand und die nächste 1 wurde für 16:20 Uhr angekündigt. „Ganz groß! Na immerhin sind’s nur 10 Minuten..“, Jürgen murrte leise auf.
Wieder musste er an die Störung denken, doch war diese nun verdeckt durch den Wochenmarkt. Und auf die Idee, die nächste Bahn wegen einer „Sinnestäuschung“, wie er es nun doch abfällig nannte, womöglich doch zu verpassen, würde er sicher nicht kommen.
Nervös tippte er auf seinen Kugelschreiber. Mine rein, Mine raus, Mine rein, Mine raus, Mine rein, Mine raus, Mine rein, Mine raus. Erst als eine, durch das klappern aufmerksam gewordene, ältere Dame mit verzogenem Gesicht zu Jürgen sah, stoppte er.
Gerade wollte er sich auf eine Bank setzen, um wenigstens in Gedanken einen Brief auszuformulieren, da fuhr die erwartete Linie 1, ganze 5 Minuten früher als erwartet, zur Haltestelle.
Für Jürgen würde nun eine einstündige Fahrt beginnen, eine Fahrt, die er jeden Morgen und jeden Abend hinter sich bringen musste, da er recht weit außerhalb der Stadt, beinahe außerhalb des Landkreises, wohnte. Doch wusste er das engmaschige Liniennetz der Verkehrsgesellschaft zu schätzen, er war sich sicher, dass er in anderen Städten bzw. Regionen sicherlich bis zu 3 Stunden zu fahren hätte.
So begab er sich in den Wagen. Sein Lieblings- und Stammplatz, links hinter dem Bahnfahrer, war glücklicherweise frei. Diesen Sitzplatz belegte er schon seit vielen Jahren nach Möglichkeit immer, denn dort hatte man meistens seine Ruhe vor Mitfahrenden. Einzig kamen immer wieder eine Fahrgäste nach vorne um sich beim Fahrer für die verpasste Aussteigestelle zu bedanken oder um Anschlusslinien zu erfragen, doch dies hatte natürlich oftmals einen eher belustigenden, als nervenden Effekt für Jürgen.
Jürgen packte seinen Block aus, legte ihn auf das kleine Ablagetischchen vor ihm – ein weiterer Grund, warum er so gerne an diesem Platz saß – und begann zu schreiben
Sehr geehrte Damen und Herren, aus meinem Schreiben vom 22.06... Jürgen brach ab. Erstens dachte er darüber nach, ob dieses Datum wirklich stimmte, zweitens musste er an seinen Kurzurlaub denken, welcher unmittelbar davor stattgefunden hatte. Nun, inzwischen war es Ende Juli; der Wetterbericht versprach Regenschauer und ein rapides Absinken der Temperatur – Jürgen wäre im liebsten wieder in Urlaub gefahren.
...aus meinem Schreiben vom 22.06. ging eindeutig hervor, dass der Arndorf-Verlag seit Mitte des Jahres nicht mehr in der Lage ist, weiterhin Exemplare seiner Fachzeitschriften...
Jürgen musste einen sehr unbequemen Briefwechsel mit einem seiner Geschäftspartner führen und spätestens heute Abend musste eben dieser Brief, natürlich fehlerfrei auf dem PC zu Hause ins Reine geschrieben, im Postkasten gelandet sein.
Doch konzentrieren konnte Jürgen sich beim besten Willen nicht. So legte er sein Schreibzeug zur Seite und sah zum Fenster hinaus. Er sah Geschäfte an sich vorüber ziehen, dieselben, die er jeden Tag sah.
„Radio Reinmann“. Dieser Laden hatte früher seinem Großvater mütterlicherseits, Heinz Reinmann, gehört und schon damals waren einige eingeschaltete Fernsehgeräte zu Präsentationszwecken im Schaufenster gestanden. Halbinteressiert stierte er auf die Fernsehschirme, musste dabei aber natürlich immer weiter entgegen der Fahrtrichtung drehen. Doch plötzlich wurden die Bildschirme schwarz und 1 Sekunde später kam auch die Straßenbahn zum stehen. „Stromausfall! Na wunderbar!“
Seit Jahren fuhr er nun diese Strecke und hatte noch nie erlebt, dass die Fernsehgeräte im Schaufenster von „Radio Riebmann“ aus gingen, geschweige denn, dass die Straßenbahn anhielt.
2 – Überschneidung
Inzwischen war es schon dämmrig geworden, sodass in der Straßenbahn nur noch diffuses Licht herrschte. Jürgen wusste nicht warum, aber irgendwie beunruhigte ihn sein eigener Schatten an der gegenüberliegenden Wand der Straßenbahn. Es war wie ein schwarzer Umriss, umgeben vom blutroten, schwachen Licht der Abendsonne.
Lieber wäre er jetzt in einem besetzen Abteil gesessen, anstatt alleine auf seinem Stammplatz hinter der Fahrerkabine.
Aber ja! Der Fahrer!
„Ich werde jetzt einfach an die Fahrertür klopfen, und fragen, was los ist.“
Mit spitzen Fingen tippte Jürgen gegen die schmale Tür zur Fahrerkabine.
„Hallo! Können sie mir vielleicht sagen…“
Jürgen zog es vor, zu warten, bis der Fahrer sein Abteil verließ, bevor er weiterredete.
Eine Minute verging.
„Hallo? Können sie bitte die Tür öffnen?“
Immer noch zeigte sich keine Reaktion, kein Lebenszeichen drang aus der Kabine.
Hektisch sah sich Jürgen in der Bahn um.
„Was.. Was..“, stammelte er.
Die Bahn war absolut leer. Wie ein langer dunkler Tunnel erstreckten sich zahllose Sitzbankreihen nach hinten, aber auf keiner saß ein Passagier. Es war zwar schon recht dunkel, aber der dämmrige Schein des Abends reichte aus, um das eindeutig festzustellen.
„Das kann doch nicht…“ Jürgen überlegte, ob vielleicht schon alle ausgestiegen sein könnten. Dies war allerdings äußerst abwegig, denn er konnte sich noch genau erinnern, dass mit ihm einige andere Leute eingestiegen waren. Und die Bahn hatte nicht einmal gehalten, bis jetzt!
In der Tat, es war ausgeschlossen, dass schon alle gegangen waren.
Er blickte zum Fenster hinaus. Draußen hatte sich ein Tuch aus sterbendem Licht über die Landschaft gelegt. Es war eine weite freie Fläche. Jürgen konnte nicht genau erkennen, ob es sich um Acker- oder Grasfläche handelte.
Auf einmal wurde Jürgen klar, dass etwas nicht stimmte. Er war doch ganz sicher an dem Radiogeschäft vorbeigefahren! Ja, er konnte sich genau erinnern. Wo war das Geschäft? Soweit er auch seinen Hals verrenkte und die Nase an der Schieb platt drückte, er konnte „Radio Reinmann“ nicht mehr entdecken. Dann entschied er allerdings, dass es nun doch wichtiger sei, herauszufinden, warum die Bahn stillstand.
Der Fahrer…
Noch einmal klopfte Jürgen gegen die Tür der Kabine.
Dann fiel ihm etwas auf. An der Fahrerkabine war ein Durchgabeschacht angebracht, der den Zweck hatte, Wechselgeld zwischen Fahrer und Passagier auszutauschen. Schließlich konnte man die Fahrkarten auch direkt in der Bahn erwerben. Der Schacht war hoch genug, um hindurch zu sehen.
Jürgen ging in die Hocke, aber zögerte noch. Eine seltsame Spannung lag in der Luft.
Er kniff das linke Auge zu und schaute mit dem anderen in die Fahrerkabine.
Was er sah, ließ in an seinem Verstand zweifeln.
Die Kabine war leer. Keiner saß auf dem breiten Sessel.
„Das gibt es doch nicht… Das kann einfach nicht…“
Jürgen schlug die Hände vor den Kopf und lief rückwärts von der Kabine weg, als ging von ihr ein Ekel erregender Geruch aus.
Dabei übersah er eine leichte Schwelle, die am Boden der Bahn angebracht war. Sie war zwar mit schwarz-gelbem Warnklebeband gekennzeichnet, aber auch dieser Hinweis kam zu spät. Jürgen setzte den einen Fuß nur halb auf und rutsche ab. Er bekam Übergewicht und fiel zu Boden. Noch im Fall prallte er mit dem Kopf gegen eine Haltestange. Schon bevor er aufschlug war er bewusstlos.
Klingeln. Die Bahn fuhr wieder. „Ich bin eingeschlafen!“, fast etwas zu laut stellte er fest, dass er über seinem Briefkonzept eingeschlafen war. „Was zur Hölle war das für ein Traum? Wie lange habe ich geschlafen?“ Jürgen sah sich um. Einige, maximal 10 Minuten mussten es gewesen sein. Die ihm vertraute Stephanskirche und der danebengelegene kleine Park rauschten an ihm vorbei. Die Bilder des Traums ebenso, nur eben vor seinem geistigen Auge.
„Wahrscheinlich hätte ich meine Pillen nicht absetzen dürfen“, versuchte Jürgen sich die Sache lustig zu reden. Doch so einfach war es nicht, der Traum nahm ihn ziemlich mit.
Zunächst versuchte er sich mit fortführen des Briefes zu beschäftigen, doch das wollte partout nicht klappen. Dann versuchte er sich die Zeit mit Verfolgen des Sekundenzeigers seiner Uhr zu vertreiben, doch auch das machte ihm höchstens noch mehr Sorgen. „Bekomme ich eine Anschlussbahn?“. Wäre die Linie 1 nicht zu spät gekommen, hätte er einen direkten Anschluss zu seiner Regionalbahn gehabt, das hatte er sich bereits heute morgen errechnet, doch nun würde es knapp werden. „Bei meinem Glück fährt die Bahn gerade ab und ich kann 30 Minuten warten. Dreck!“
Plötzlich überkam Jürgen wieder ein bestimmter Gedanke, ein bestimmtes Gefühl. Das Gefühl „Na und?“.
Zu hause würde niemanden auf ihn warten, keine Familie, keine Frau, keine Kinder. „Also, ich komme wahrscheinlich später. Na und?“
Manchmal, wenn er dieses Gefühl hatte, genoss er die Trambahn-Fahrten sogar richtig. Dann nämlich wenn er mit netten Personen, welche meist auch e i g e n t l i c h ihre Ruhe suchten, ins Gespräch kam. Manchmal waren es Senioren, manchmal Studenten, manchmal auch Arbeits- oder Obdachlose. Zu hause, in seinem Dorf, hatte er, abgesehen von Nachbarschafts- oder Stammkneipenbesuchen, keine Gesprächspartner.
Doch heute genoss er die Fahrt ganz und gar nicht. Genervt, unkonzentriert und vor allem – durch den, seines Erachtens, sehr seltsamen Traum – verunsichert. So schnell wie möglich wollte er ins Eigenheim.
Die Zeit dehnte sich. Unzählige neue Versuche den Brief weiter zu schreiben, unzählige weitere Blicke auf die Uhr folgten.
Doch schließlich erreicht er endlich den kleinen Bahnhof, von welchem aus er in die Regionalstraßenbahn, die Linie 22, umsteigen würde. Dieser Zug fuhr immer zur halben und vollen Stunde los, derzeit war es 17:13 Uhr!
„15 Minuten warten...“. Nüchtern stellte Jürgen seine Diagnose und verließ langsamen Schrittes das Transportmittel.
Mit dem eigentlichen Ziel sich am Kiosk einen Kaffee, um bloß nicht noch mal einzuschlafen, zu kaufen, lief er auf die andere Seite des Bahnhofs. Doch stand dort tatsächliche eine 22 an Gleis 3. Weder die elektronische Anzeigetafel, noch der ausgehängte Papierplan, noch Jürgens Wissen wussten von diesem Zug, doch Schöbel konnte es recht sein. Von neuen Kräften belebt, bestieg er flugs den – zwar wie immer alten, aber heute besonders vergammelt wirkenden – Wagen.
Das innere der Trambahn roch… Jürgen konnte nicht genau sagen, wie; es roch ungewohnt. Er kannte den leicht muffigen Geruch nach Menschen und Putzmittel, der sonst im inneren der Straßenbahnen herrschte, und dieser Geruch war eindeutig anders.
Doch Jürgen ließ sich davon nicht abhalten. Flugs ging er in den vorderen Bereich und suchte sich seinen gewohnten Stammplatz hinter der Fahrerkabine.
Nur unterbewusst fiel ihm auf, dass sonst kein Passagier in der Straßenbahn saß.
Er war froh, diesen offenbar außerplanmäßigen Zug erwischt zu haben. Schnell öffnete er seine Tasche und holte erneut sein noch unfertiges Schreiben hervor. Mit dem Kugelschreiber in der Hand, las er noch einmal durch das bereits Verfasste.
Ein Satz schien ihm schlecht ausformuliert, sodass er ihn laut wiederholte:
„…dass der Arndorf-Verlag seit Mitte des Jahres nicht mehr in der Lage ist, weiterhin Exemplare seiner Fachzeitschriften, insbesondere und vor allem Exemplare des Effektenspiegels zu liefern.“
Irgendwas störte ihn an diesem Satz, er wusste nur nicht genau, was.
Dann auf einmal, vollkommen unerwartet, wurde es stockdunkel. Es war keine leichte Düsternis, es war absolute, pechschwarze Dunkelheit.
„Was zum Teufel...“
Jürgen, starr vor Angst, hielt immer noch den Kugelschreiber umklammert und lauschte auf das Sirren der Trambahn.
„Was ist jetzt los? Warum ist es auf einmal so…“
Dann wurde ihm alles klar. Der Tunnel! Natürlich!
Die Bahn durchfuhr gerade einen Tunnel, was normalerweise kaum auffiel, da die Beleuchtung anging. Diese schien aus undefinierbaren Gründen defekt zu sein. Immer noch herrschte Dunkelheit, was Jürgen überaus beunruhigte.
„Du hast doch keine Angst im Dunkeln! Reiß dich zusammen!“, sagte er sich.
Immer noch Dunkelheit. Nur das sirrende Geräusch, verriet Jürgen, dass er sich in der Trambahn befand.
Doch so langsam wurde er stutzig. Er hatte diesen Tunnel gar nicht so lange in Erinnerung gehabt. „Vielleicht fällt es mir erst jetzt auf, weil kein Licht an ist.“, dachte er.
Weitere Minuten vergingen und Jürgen wurde immer unbehaglicher.
„Wir müssten doch schon längst wieder aus dem Tunnel draußen sein! Naja, lange kann es nicht mehr dauern.“
Und dann geschah das, was Jürgen am wenigsten erwartet hätte und was ihn am meisten erschreckte. Die Bahn wurde langsamer!
„Nein! Sie wird doch nicht in der Dunkelheit anhalten! Was wohl die anderen Passagiere machen?“
Erst jetzt wurde Jürgen bewusst, dass er alleine war. „Wenn jemand außer mir in der Bahn wäre, hätte man doch schon längst etwas gehört!“ Und in diesem Moment, als er das dachte, hörte er Schritte. Höchstens wenige Meter von ihm entfernt.
„Hallo?!“, hauchte er mit, verängstigter, brüchiger Stimme.
Keine Antwort.
„Wer ist da? Wissen sie vielleicht…?“
Dann, mit einem Ruck wurde die Bahn wieder schneller. Die Beschleunigung hatte Jürgen noch nie so in dieser Art erlebt. Er wurde regelrecht in den Sitz gepresst. Ihm war schleierhaft, wie eine Trambahn so etwas zu Stande brachte.
Mit einem Schlag wurde es hell um ihn. Er kniff die Augen zusammen, so sehr waren seine an die Dunkelheit gewöhnten Augen geblendet.
„Endlich sind wir draußen!“, jubilierte er.
Dann drehte er sich um, um zu sehen, wer eben die Schrittgeräusche verursacht hatte. Dieser Jemand musste schließlich direkt hinter ihm sein.
Jürgen wirbelte auf seinem Sitz herum. Niemand!
„Das.. Das kann doch nicht sein!!“, dachte er verstört.
„Eben waren eindeutig Schritte zu hören!“
In seinem Erstaunen bemerkte er überhaupt nicht, welche seltsamen, zerstörten Häuserruinen am Fenster vorbeizogen.
3 – Transformation
„Moooment, ist das jetzt wieder ein Traum, oder was?“, Jürgen hob seine Stimme deutlich an, doch die Frage beantwortete sich eigentlich selbst. Natürlich war das kein Traum! Obwohl es sich schon um eine ziemlich surreale Situation handelte. Ganz klar, diesmal war es kein Traum!
Hastig sprang Jürgen auf und marschierte, seine Stirn in kaltem Schweiß getränkt, mehrmals durch den komplett Zug. Dabei stürzte er mehrfach aufgrund der hohen Fahrgeschwindigkeit und der engen Kurven zu Boden, doch die Schmerzen waren ihm zu diesem Zeitpunkt relativ egal.
Absolut leer! Niemand war zu finden! Nicht mal der Fahrer war in seiner Kabine, wie er mit einem Blick durch den Wechselgeldschacht sehen konnte.
Einige Male spielte ihm die, offenbar innerhalb von Minuten, stark vorangeschrittene Dämmerung einen Streich und wollte ihn glauben machen, dass sich unter den Sitzen eine Person verstecke, doch handelte es sich nur um einige düstere Schatten.
„Ruhig bleiben. Logisch denken.“, Jürgen ermahnte sich selbst.
„Also, abgesehen davon, dass ich von einer ähnlichen Situation vorhin geträumt habe, dass dies GANZ OFFENSICHTLICH kein Traum ist und dass der Fahrer nicht einfach abgesprungen sein kann...Achsoooo, warum eigentlich nicht?“. Er überlegte, dass es sicherlich möglich wäre, Trambahnen führerlos zu betreiben.
„Ich reg’ mich hier auf und die Erklärung ist so einfach. Klaaar! Computertechnik! Da is’ ja heutzutage alles möglich.“, mit einem verzweifelten Lachen in der Stimme, versuchte er sich die Situation schön zu reden, „Klar, die Lampen haben ’se halt vergessen einzuschalten. Und am nächsten Bahnhof hält der Zug dann automatisch. Klaar!“
Doch Jürgen wusste selbstverständlich, dass dies keine Erklärung war. Gänzlich abwegig war die Überlegung einer fern- oder automatisch gesteuerten Bahn natürlich nicht, aber wäre dies doch sicher durch die Presse gegangen und man hätte nicht gerade den ältesten Schrottwagen mit solch einer Funktion ausgestattet.
Mit verrückt-verzweifeltem Lachen klatschte er sich immer wieder gegen die Stirn, wie er sich nur derart hatte aufregen können. Doch was er durch das Fenster sah, sprach eine andere Sprache und steigerte seine Bedenken ins schier Unermessliche.
Karge Gras-, Wald- und Feld-Landschaften. Kein einziges Lebenszeichen. Nichts kam ihm vertraut vor.
Sicherlich war es ihm schon oft passiert, dass er während einer Bahnfahrt aus dem Fenster sah und sich sicher war, ein bestimmtes Objekt, ein bestimmtes Motiv noch nie gesehen zu haben, doch dies hier kam ihm vollständig fremd vor.
„Wann kommt denn endlich dieser Bahnhof? Sulzach oder wie der heißt.“ Jürgen war sich sicher, dort auszusteigen, sich am Bahnhofskiosk oder in der Bahnhofskneipe, sofern es etwas derartiges gäbe – Jürgen war nie dort ausgestiegen, mindest 1 „Beruhigungsbier“ zu genehmigen und anschließend die höchst vorstellbare Taxirechnung in Kauf zu nehmen. Auf keinen Fall aber, würde er weiter in dieser Bahn fahren.
Bahnhof Sulzach wird nicht kommen. Und auch kein Taxi. Eine innere Stimme machte ihm Angst.
Schon längst müsste der Bahnhof da sein, vermutlich hätte er auch schon zu Hause sein müssen.
Jürgen wollte auf die Uhr sehen, krempelte den Jackenärmel zurück... „SCHEI*E! Die Uhr ist weg!“, entsetzt tastete er seinen Arm ab, „Vielleicht hab ich die ja in meinen Akten...“
Aktenkoffer, Block, Stift – alles war von seinem Platz verschwunden. Immer mehr wurde von Panik ergreifen, biss sich zum Stressabbau mehrfach – leicht – in die Zunge, schlug auf das Polster seines Sitzes ein. „Schei*e! Schei*e! Schei*e! Was ist hier los??“
Verzweifelt blickte er aus dem Fenster.
Da! Das Schild kannte er! SLZ BH. Ein altes, rostiges Metallschild, welches etwa einen Kilometer vor dem Sulzacher Bahnhof stand. Genau konnte er es nicht erkennen und so war er sich nicht sicher, ob tatsächlich die Abkürzung zu lesen war oder ob das Schild am Ende unbeschriftet war und er es nur am verbogenen Ständer identifiziert hatte. Doch egal, das war es!
Gebannt blickte er weiter zur rechten Fensterseite hinaus, in freudiger Erwartung, womöglich doch gleich im kleinen Dörfchen Sulzach aussteigen zu können. Die Zeit zog sich und obwohl der Zug ja relativ schnell vor, schien ihm der Kilometer ewig zu dauern.
„Naja, vielleicht war es auch mehr als der eine Kilometer... Früher habe ich da ja nie drauf geachtet.“
Ein Bahnhof näherte sich.
Jürgen klappte den Mund sperrangelweit auf, ihm wurde eiskalt.
Der kleine Bahnhof – im stark dämmrigen Licht - in Schutt und Asche, rundherum nichts. Nichts! Gras und Felder!
Und Jürgen schrie! Er schrie so laut, wie er nur konnte! Er schrie so laut, wie er noch nie geschrieen hatte!
Der Bahn fuhr mit unverminderter Schelle weiter, ließ den Bahnhof in kürzester Zeit weit hinter sich, doch das Bild hatte er sich in Jürgens Kopf eingebrannt.
Der Sulzacher Bahnhof in Schutt und Asche und dahinter Nichts!
Jürgen war bis jetzt ein recht glücklicher, zufriedener Mensch gewesen. Er hatte alles was man brauchte. Eine Arbeit, ein Dach über dem Kopf, ein Konto, eine Versicherung, ein Fernsehgerät – all das was einen Durchschnittsmenschen ausmachte.
Und vor allem eines hatte er: Ordnung in seinem Leben.
Er war immer stolz gewesen, ganz und gar normal zu sein. Und genau das war ihm jetzt genommen worden. Irgendetwas hatte ihn plötzlich aus seinem normalen Leben herausgerissen.
„Warum muss das ausgerechnet mir passieren? Was ist das alles überhaupt!“, flehte Jürgen. „Es MUSS doch eine Erklärung für all das hier geben.“
Aber sosehr er sich auch das Hirn zermarterte, ihm fiel keine hinreichende Erklärung für seine aktuelle Situation ein. Er fand keine Begründung, warum die Haltestelle Sulzach zerstört sein sollte oder warum sich kein Führer in der Bahn befand. Das alles trieb ihn fast zum Wahnsinn.
Er setzte sich auf einen Bahnsitz und dachte nach.
„Was könnte ich tun? Ich könnte warten, bis der Zug anhält. Irgendwann MUSS er ja halten…“ Aber nach den Geschehnissen der letzten 2 Stunden war er sich dessen nicht mehr so sicher.
„Ich könnte notfalls versuchen, die Bahn zum stehen zu bringen. Abspringen ist nicht, dafür ist sie zu schnell.“
Dann kam ihm eine Idee. Er erinnerte sich, des Öfteren in den Fahrerkabinen der Trambahnen Sprechfunkanlagen gesehen zu haben. Da er meistens auch hinter diesen Kabinen saß, konnte er auch oftmals den Fahrer Sprechen hören.
Das war die Lösung!
„Ich werde jetzt versuchen, in die Kabine einzudringen und das Funkgerät zu benutzen!“, dachte er.
Am Türgriff rütteln brachte allerdings nichts, wie er sogleich feststellen musste. Die Tür war verschlossen.
„Ich werde sie aufbrechen müssen.“
Mehrmals trat er gegen die Tür, was aber nicht viel brachte. Sie gab zwar minimal nach, aber das Schloss zerbrach nicht, geschweige denn, dass die Tür brach.
Doch Jürgen sah seine einzige Hoffnung in dem Funkgerät.
„ICH MUSS DA REEEIN!!!“, brüllte er, wie ein kleines, wütendes Kind.
In einer regelrechten Raserei trat er immer und immer wieder gegen die Tür und bearbeitete sie mit den Fäusten. Er nahm Anlauf und ließ sich mit seinem ganzen Körpergewicht dagegen fallen. Doch nichts half.
Das Randalieren erschöpfte ihn sehr und eine bleierne Müdigkeit ergriff von ihm Besitzt.
Er nahm sich vor, nur eine kleine Pause einzulegen und ließ sich in einen der zahlreich vorhanden Sitze plumpsen.
Nach wenigen Minuten schlief er ein.
Spekulation eines Lesers:
entweder wacht er jetzt wieder wo anders auf, oder er sitzt in einer geisterbahn, hatt entweder eine riese in die zukunft oder eine reise in eine andere welt gemacht. in diesem fall gibt es wieder zwei möglichkeiten: entweder bleibt er jetzt die ganze geschichte da drinn sitzen oder es gelingt ihm irgendwie herauszukommen und es beginnt sein abenteuer in einer fremden umgebung. Wahrscheinlich ist die sinnesstörung am ende noch das tor zur realität und er muss da durch. oder die geschichte geht schlecht aus und er stirbt oder bleibt da stecken. aber wahrscheinlich wacht er gleich wieder wo anders auf. vielleicht wechselt er auch immer wieder durch diese "schlafteleportation" zwischen realtiät und bahn. oder er steigt zwischendurch auch mal ein oder aus.
aber am allerwahrscheinlichsten ist es das ich wieder einmal total daneben liege. hoffentlich führt er bald auch mal einen dialog mit einer anderen person und nicht nur selbstgespräche.
das ist ziemlich dramatisch und spannend. bitte mach weiter.
entweder wacht er jetzt wieder wo anders auf, oder er sitzt in einer geisterbahn, hatt entweder eine riese in die zukunft oder eine reise in eine andere welt gemacht. in diesem fall gibt es wieder zwei möglichkeiten: entweder bleibt er jetzt die ganze geschichte da drinn sitzen oder es gelingt ihm irgendwie herauszukommen und es beginnt sein abenteuer in einer fremden umgebung. Wahrscheinlich ist die sinnesstörung am ende noch das tor zur realität und er muss da durch. oder die geschichte geht schlecht aus und er stirbt oder bleibt da stecken. aber wahrscheinlich wacht er gleich wieder wo anders auf. vielleicht wechselt er auch immer wieder durch diese "schlafteleportation" zwischen realtiät und bahn. oder er steigt zwischendurch auch mal ein oder aus.
aber am allerwahrscheinlichsten ist es das ich wieder einmal total daneben liege. hoffentlich führt er bald auch mal einen dialog mit einer anderen person und nicht nur selbstgespräche.
das ist ziemlich dramatisch und spannend. bitte mach weiter.
@Hattu: All deine Spekulationen sind gut angelegt. Diese Geschichte soll allerdings nicht etwas völlig Neues sein, sondern harten, brutalen Horror präsentieren. Das wird noch kommen. ^^
Noch heute Abend wird es weitergehen.
mein Co-Autor ist grade an einem weiteren Kapitel dran.
Noch heute Abend wird es weitergehen.
mein Co-Autor ist grade an einem weiteren Kapitel dran.
Horror?!
In wie fern?
Kein Abenteuer in einer anderen Welt sondern volkommene Verzweiflung im Nichts?
Oder doch Abenteuer in einer anderen Welt aber mit herausgequetschten Eingeweiden und Menschenfressenden Monstern (undsonzeugs)?
Oder äher Psycho-Horror mit geheimnisvollen Stimmen und Angst und Clowns?
Vielleicht bin ich noch etwas zu klein für deine Geschichte!
In wie fern?
Kein Abenteuer in einer anderen Welt sondern volkommene Verzweiflung im Nichts?
Oder doch Abenteuer in einer anderen Welt aber mit herausgequetschten Eingeweiden und Menschenfressenden Monstern (undsonzeugs)?
Oder äher Psycho-Horror mit geheimnisvollen Stimmen und Angst und Clowns?
Vielleicht bin ich noch etwas zu klein für deine Geschichte!
Es soll Hintergründiger Horror werden, durch eine bestimmte Stimmung erzeigt; allerdings durchsetzt von Brutalität.
Nacher kommt der nächste Part.
Nacher kommt der nächste Part.
Hier geht es weiter.
5 – Das stille Dorf
Obwohl die Situation natürlich HÖCHST beunruhigend war, konnte er heute mit viel mehr Abstand und viel mehr Objektivität auf die Angelegenheit blicken.
Jürgen dachte an sein zu Hause, seine Geschäftsbriefe, vor allem aber daran, was ihn im Dorf erwarten würde.
„Menschen!“, sagte er – tatsächlich war fest überzeugt davon – und hob eine geballte Faust gen Himmel.
„Menschen! Selbstverständlich sind da ganz normale Menschen in einem ganz normalen Dorf“, schrie er.
Die Tatsache, dass er soeben mit einer schaffnerlosen Bahn mehrere Stunden durch eine leblose – zumindest an dieser Stelle saharaartige Landschaft – Landschaft gefahren war, schien er auszublenden.
„Da vorne seh’ ich doch sogar einen Kirchturm!“
Fest von seinem Glück überzeugt, ging Jürgen schneller, kam ins schwitzen. Doch das Dorf kam kaum näher. Geschätzte 10 Minuten war er jetzt gelaufen, doch es war praktisch keine Veränderung wahrzunehmen. Jürgen ging noch schneller.
Doch merkte er auch, dass ihm sein Zeitgefühl scheinbar völlig abhanden gekommen zu sein schien. Ob das jetzt wirklich 10 Minuten waren...?
So lief er weiter, Schritt für Schritt im Sand.
Endlich schien er dem Ort deutlich näher gekommen zu sein, die Konturen wurden klarer. Er kniff das linke Auge Zusammen und faltete seine Hand wie zu einem Fernglas, da meinte er einige Altbauten und sogar Menschen klar erkennen zu können.
Vielleicht kann man die Stadt schon hören? Er blieb stehen, stockte den Atem, nutzte seine Hand erneut als Hilfsmittel – diesmal als Hörtrichter und lauschte.
Nichts! Totenstille!
Erst jetzt realisierte er wieder, dass es außer seinen eigenen Schritt-, Atem- und Stimmgeräuschen hier absolut gar nichts zu hören gab. Keine Tiere, keine Industrie, nicht mal Wind oder Wetter! Seiner verzweifelten Lage war er sich schlagartig wieder vollständig bewusst. Die verzweifelte Lage schien ihn wieder zu vereinnahmen. Die verzweifelte Lage und die Angst.
Der zerstörte Bahnhof trat wieder vor sein inneres Auge. Sein Schrei trat ihm wieder ins Gehör.
„Jetzt muss ich es wissen!“, Jürgen schrie und rannte so schnell er konnte auf sein Ziel zu.
Trümmerlandschaft! Schutt und Asche! Kein Haus stand!
Sein Herzschlag dröhnte in Jürgens Kopf, seine Schläfen pochten, sein Blickfeld verengte sich auf ein Minimum.
„NEEEEIIIINNN!“, er fiel auf die Knie, kniff die Augen zusammen so fest er konnte, schlug mit Faust auf den Boden, „WAS IST HIER LOOOOS? WAS SOLL DAS??“
Vor seinem geistigen Auge sah er schreiende Menschen die Stadt verlassen, winselnde Tiere. Er sah Massengräber. Er sah sich selbst blutüberströmt am Boden liegen.
5 – Das stille Dorf
Obwohl die Situation natürlich HÖCHST beunruhigend war, konnte er heute mit viel mehr Abstand und viel mehr Objektivität auf die Angelegenheit blicken.
Jürgen dachte an sein zu Hause, seine Geschäftsbriefe, vor allem aber daran, was ihn im Dorf erwarten würde.
„Menschen!“, sagte er – tatsächlich war fest überzeugt davon – und hob eine geballte Faust gen Himmel.
„Menschen! Selbstverständlich sind da ganz normale Menschen in einem ganz normalen Dorf“, schrie er.
Die Tatsache, dass er soeben mit einer schaffnerlosen Bahn mehrere Stunden durch eine leblose – zumindest an dieser Stelle saharaartige Landschaft – Landschaft gefahren war, schien er auszublenden.
„Da vorne seh’ ich doch sogar einen Kirchturm!“
Fest von seinem Glück überzeugt, ging Jürgen schneller, kam ins schwitzen. Doch das Dorf kam kaum näher. Geschätzte 10 Minuten war er jetzt gelaufen, doch es war praktisch keine Veränderung wahrzunehmen. Jürgen ging noch schneller.
Doch merkte er auch, dass ihm sein Zeitgefühl scheinbar völlig abhanden gekommen zu sein schien. Ob das jetzt wirklich 10 Minuten waren...?
So lief er weiter, Schritt für Schritt im Sand.
Endlich schien er dem Ort deutlich näher gekommen zu sein, die Konturen wurden klarer. Er kniff das linke Auge Zusammen und faltete seine Hand wie zu einem Fernglas, da meinte er einige Altbauten und sogar Menschen klar erkennen zu können.
Vielleicht kann man die Stadt schon hören? Er blieb stehen, stockte den Atem, nutzte seine Hand erneut als Hilfsmittel – diesmal als Hörtrichter und lauschte.
Nichts! Totenstille!
Erst jetzt realisierte er wieder, dass es außer seinen eigenen Schritt-, Atem- und Stimmgeräuschen hier absolut gar nichts zu hören gab. Keine Tiere, keine Industrie, nicht mal Wind oder Wetter! Seiner verzweifelten Lage war er sich schlagartig wieder vollständig bewusst. Die verzweifelte Lage schien ihn wieder zu vereinnahmen. Die verzweifelte Lage und die Angst.
Der zerstörte Bahnhof trat wieder vor sein inneres Auge. Sein Schrei trat ihm wieder ins Gehör.
„Jetzt muss ich es wissen!“, Jürgen schrie und rannte so schnell er konnte auf sein Ziel zu.
Trümmerlandschaft! Schutt und Asche! Kein Haus stand!
Sein Herzschlag dröhnte in Jürgens Kopf, seine Schläfen pochten, sein Blickfeld verengte sich auf ein Minimum.
„NEEEEIIIINNN!“, er fiel auf die Knie, kniff die Augen zusammen so fest er konnte, schlug mit Faust auf den Boden, „WAS IST HIER LOOOOS? WAS SOLL DAS??“
Vor seinem geistigen Auge sah er schreiende Menschen die Stadt verlassen, winselnde Tiere. Er sah Massengräber. Er sah sich selbst blutüberströmt am Boden liegen.
Find die Geschichte bisher echt gut :),
Freu mich schon auf den nächsten abschnitt bin gespannt wie's weitergeht.
Freu mich schon auf den nächsten abschnitt bin gespannt wie's weitergeht.
war er nicht erst gerade in der bahn und hatt gepennt?
oder war das wieder diese "schlafteleportation"?
das verwirt mich jetzt aber.
oder war das wieder diese "schlafteleportation"?
das verwirt mich jetzt aber.
NEEEEEEEEEEEEEIN!
Ich habe ein kapitel übersprungen!!!!!
Kapitel 4 fehlt!!!!
Hier nochmal richtig.
4 – Das Erwachen
Der Schlaf war tief und war durch starke Erschöpfung hervorgerufen worden. Erst nach vielen Stunden erwachte Jürgen wieder.
Das Erste, was er bemerkte, nachdem er sich die Augen gerieben hatte, war, dass der Zug zum Stehen gekommen war. Die Morgensonne war hell und blendete ihn durch die großen Plexiglasfenster. Er lief, noch etwas vom Schlaf verwirrt, auf und ab. Er konnte sich an keinerlei Träume erinnern.
Der Blick aus dem Fenster war ungewohnt. Noch nie hatte er solch eine Landschaft gesehen.
Wenn er aus dem Fenster schaute, das zur Linken Seite der Fahrerkabine lag, konnte er eine weitläufige Steppenlandschaft erblicken. Der sandige Boden war von einzelnen Grassoden und von Büschen durchsetzt. Auf der rechten Seite bot sich fast das gleiche Bild.
In der Ferne allerdings konnte Jürgen die Silhouetten von einem kleinen Dorf ausmachen. Es waren keine besonders großen Häuser; auch aus der Ferne konnte man sehen, dass es sich eher um kleine schäbige Baracken handeln musste.
Jürgens Ziel war, in diesem Dorf nach Leuten zu suchen, die ihm sagen konnten, wo er sich befand. Doch zuerst musste er aus der Trambahn raus, das war ihm klar. Er ging zu der gläsernen Doppeltür und rüttelte daran. Nichts tat sich. Sie war verschlossen.
„Oh nein! Bin ich jetzt hier drin eingeschlossen oder was??“, dachte er verängstigt.
Doch bevor die Panik einsetzte, erinnerte er sich, einmal eine Art Notschalter zum Türöffnen in einer Bahn gesehen zu haben.
„Hoffentlich hat diese alte Kiste das auch!“
Und in der Tat: Über der Tür, an der Decke des Zuges, war ein roter Drehschalter, Umlaufsinn durch Pfeile markiert war.
Jürgen reckte sich nach oben, legte die Hände auf den kalten Stahl des Drehrades und setzte alle Kraft ein, die er aufbieten konnte. Er hatte Glück, und der Rost hatte dem Mechanismus noch nicht zu sehr zugesetzt. Von einem lauten Knirschen begleitet öffnete sich die Zugtür.
Erst einen Spalt, und dann mit einer ruckartigen Bewegung vollständig.
Mit einem Satz sprang Jürgen aus der Bahn.
Seine Füße, mit denen er auf dem Sandboden landete, wirbelten Staub auf. So stand er nun da, einsam und verlassen, ohne irgendetwas in der Tasche, in einer für ihn völlig neuen Umgebung.
Nicht mal eine Uhr hatte er bei sich.
Doch er hatte einmal gelernt, die Uhrzeit nach dem Stand der Sonne zu bestimmen, was ihm jetzt von großem Nutzen war.
„Ein Hoch auf die Pfadfinder!“, dachte er sarkastisch. Als er noch ein Kind war, ging er eher widerwillig zu solch einer Gruppe; seine Mutter bestand darauf. Nie hätte er gedacht, dass er das dort Gelernte behalten, geschweige denn gebrauchen wurde.
Ein Blick gen Himmel sagte ihm, dass es jetzt fast Mittag war.
„Ich muss lange geschlafen haben.“, dachte er
Er betrachtete die Bahn von Außen. Ihr verblasste Plastikoberfläche, die von zerkratztem Plexiglas durchsetzt war. Die Schienen, auf denen sie stand, waren von einer homogenen, rötlichen Rostschicht überzogen.
Irgendwie wirkte sie fehl am Platze. Als ob sie ein Fremdkörper wäre, der nicht hierher gehörte.
Diese rostroten Striche zogen sich, wie Längengrade auf einer Landkarte, bis zum Horizont.
„Wo verdammt noch mal bin ich hier?!“, sprach Jürgen seine Gedanken aus. „In was bin ich hier reingeraten?“
Ohne ein weiteres Wort wendete Jürgen den Blick von der Bahn und den Gleisen ab und begann in Richtung Dorf zu laufen.
5 – Das stille Dorf
Obwohl die Situation natürlich HÖCHST beunruhigend war, konnte er heute mit viel mehr Abstand und viel mehr Objektivität auf die Angelegenheit blicken.
Jürgen dachte an sein zu Hause, seine Geschäftsbriefe, vor allem aber daran, was ihn im Dorf erwarten würde.
„Menschen!“, sagte er – tatsächlich war fest überzeugt davon – und hob eine geballte Faust gen Himmel.
„Menschen! Selbstverständlich sind da ganz normale Menschen in einem ganz normalen Dorf“, schrie er.
Die Tatsache, dass er soeben mit einer schaffnerlosen Bahn mehrere Stunden durch eine leblose – zumindest an dieser Stelle saharaartige Landschaft – Landschaft gefahren war, schien er auszublenden.
„Da vorne seh’ ich doch sogar einen Kirchturm!“
Fest von seinem Glück überzeugt, ging Jürgen schneller, kam ins schwitzen. Doch das Dorf kam kaum näher. Geschätzte 10 Minuten war er jetzt gelaufen, doch es war praktisch keine Veränderung wahrzunehmen. Jürgen ging noch schneller.
Doch merkte er auch, dass ihm sein Zeitgefühl scheinbar völlig abhanden gekommen zu sein schien. Ob das jetzt wirklich 10 Minuten waren...?
So lief er weiter, Schritt für Schritt im Sand.
Endlich schien er dem Ort deutlich näher gekommen zu sein, die Konturen wurden klarer. Er kniff das linke Auge Zusammen und faltete seine Hand wie zu einem Fernglas, da meinte er einige Altbauten und sogar Menschen klar erkennen zu können.
Vielleicht kann man die Stadt schon hören? Er blieb stehen, stockte den Atem, nutzte seine Hand erneut als Hilfsmittel – diesmal als Hörtrichter und lauschte.
Nichts! Totenstille!
Erst jetzt realisierte er wieder, dass es außer seinen eigenen Schritt-, Atem- und Stimmgeräuschen hier absolut gar nichts zu hören gab. Keine Tiere, keine Industrie, nicht mal Wind oder Wetter! Seiner verzweifelten Lage war er sich schlagartig wieder vollständig bewusst. Die verzweifelte Lage schien ihn wieder zu vereinnahmen. Die verzweifelte Lage und die Angst.
Der zerstörte Bahnhof trat wieder vor sein inneres Auge. Sein Schrei trat ihm wieder ins Gehör.
„Jetzt muss ich es wissen!“, Jürgen schrie und rannte so schnell er konnte auf sein Ziel zu.
Trümmerlandschaft! Schutt und Asche! Kein Haus stand!
Sein Herzschlag dröhnte in Jürgens Kopf, seine Schläfen pochten, sein Blickfeld verengte sich auf ein Minimum.
„NEEEEIIIINNN!“, er fiel auf die Knie, kniff die Augen zusammen so fest er konnte, schlug mit Faust auf den Boden, „WAS IST HIER LOOOOS? WAS SOLL DAS??“
Vor seinem geistigen Auge sah er schreiende Menschen die Stadt verlassen, winselnde Tiere. Er sah Massengräber. Er sah sich selbst blutüberströmt am Boden liegen.
Ich habe ein kapitel übersprungen!!!!!
Kapitel 4 fehlt!!!!
Hier nochmal richtig.
4 – Das Erwachen
Der Schlaf war tief und war durch starke Erschöpfung hervorgerufen worden. Erst nach vielen Stunden erwachte Jürgen wieder.
Das Erste, was er bemerkte, nachdem er sich die Augen gerieben hatte, war, dass der Zug zum Stehen gekommen war. Die Morgensonne war hell und blendete ihn durch die großen Plexiglasfenster. Er lief, noch etwas vom Schlaf verwirrt, auf und ab. Er konnte sich an keinerlei Träume erinnern.
Der Blick aus dem Fenster war ungewohnt. Noch nie hatte er solch eine Landschaft gesehen.
Wenn er aus dem Fenster schaute, das zur Linken Seite der Fahrerkabine lag, konnte er eine weitläufige Steppenlandschaft erblicken. Der sandige Boden war von einzelnen Grassoden und von Büschen durchsetzt. Auf der rechten Seite bot sich fast das gleiche Bild.
In der Ferne allerdings konnte Jürgen die Silhouetten von einem kleinen Dorf ausmachen. Es waren keine besonders großen Häuser; auch aus der Ferne konnte man sehen, dass es sich eher um kleine schäbige Baracken handeln musste.
Jürgens Ziel war, in diesem Dorf nach Leuten zu suchen, die ihm sagen konnten, wo er sich befand. Doch zuerst musste er aus der Trambahn raus, das war ihm klar. Er ging zu der gläsernen Doppeltür und rüttelte daran. Nichts tat sich. Sie war verschlossen.
„Oh nein! Bin ich jetzt hier drin eingeschlossen oder was??“, dachte er verängstigt.
Doch bevor die Panik einsetzte, erinnerte er sich, einmal eine Art Notschalter zum Türöffnen in einer Bahn gesehen zu haben.
„Hoffentlich hat diese alte Kiste das auch!“
Und in der Tat: Über der Tür, an der Decke des Zuges, war ein roter Drehschalter, Umlaufsinn durch Pfeile markiert war.
Jürgen reckte sich nach oben, legte die Hände auf den kalten Stahl des Drehrades und setzte alle Kraft ein, die er aufbieten konnte. Er hatte Glück, und der Rost hatte dem Mechanismus noch nicht zu sehr zugesetzt. Von einem lauten Knirschen begleitet öffnete sich die Zugtür.
Erst einen Spalt, und dann mit einer ruckartigen Bewegung vollständig.
Mit einem Satz sprang Jürgen aus der Bahn.
Seine Füße, mit denen er auf dem Sandboden landete, wirbelten Staub auf. So stand er nun da, einsam und verlassen, ohne irgendetwas in der Tasche, in einer für ihn völlig neuen Umgebung.
Nicht mal eine Uhr hatte er bei sich.
Doch er hatte einmal gelernt, die Uhrzeit nach dem Stand der Sonne zu bestimmen, was ihm jetzt von großem Nutzen war.
„Ein Hoch auf die Pfadfinder!“, dachte er sarkastisch. Als er noch ein Kind war, ging er eher widerwillig zu solch einer Gruppe; seine Mutter bestand darauf. Nie hätte er gedacht, dass er das dort Gelernte behalten, geschweige denn gebrauchen wurde.
Ein Blick gen Himmel sagte ihm, dass es jetzt fast Mittag war.
„Ich muss lange geschlafen haben.“, dachte er
Er betrachtete die Bahn von Außen. Ihr verblasste Plastikoberfläche, die von zerkratztem Plexiglas durchsetzt war. Die Schienen, auf denen sie stand, waren von einer homogenen, rötlichen Rostschicht überzogen.
Irgendwie wirkte sie fehl am Platze. Als ob sie ein Fremdkörper wäre, der nicht hierher gehörte.
Diese rostroten Striche zogen sich, wie Längengrade auf einer Landkarte, bis zum Horizont.
„Wo verdammt noch mal bin ich hier?!“, sprach Jürgen seine Gedanken aus. „In was bin ich hier reingeraten?“
Ohne ein weiteres Wort wendete Jürgen den Blick von der Bahn und den Gleisen ab und begann in Richtung Dorf zu laufen.
5 – Das stille Dorf
Obwohl die Situation natürlich HÖCHST beunruhigend war, konnte er heute mit viel mehr Abstand und viel mehr Objektivität auf die Angelegenheit blicken.
Jürgen dachte an sein zu Hause, seine Geschäftsbriefe, vor allem aber daran, was ihn im Dorf erwarten würde.
„Menschen!“, sagte er – tatsächlich war fest überzeugt davon – und hob eine geballte Faust gen Himmel.
„Menschen! Selbstverständlich sind da ganz normale Menschen in einem ganz normalen Dorf“, schrie er.
Die Tatsache, dass er soeben mit einer schaffnerlosen Bahn mehrere Stunden durch eine leblose – zumindest an dieser Stelle saharaartige Landschaft – Landschaft gefahren war, schien er auszublenden.
„Da vorne seh’ ich doch sogar einen Kirchturm!“
Fest von seinem Glück überzeugt, ging Jürgen schneller, kam ins schwitzen. Doch das Dorf kam kaum näher. Geschätzte 10 Minuten war er jetzt gelaufen, doch es war praktisch keine Veränderung wahrzunehmen. Jürgen ging noch schneller.
Doch merkte er auch, dass ihm sein Zeitgefühl scheinbar völlig abhanden gekommen zu sein schien. Ob das jetzt wirklich 10 Minuten waren...?
So lief er weiter, Schritt für Schritt im Sand.
Endlich schien er dem Ort deutlich näher gekommen zu sein, die Konturen wurden klarer. Er kniff das linke Auge Zusammen und faltete seine Hand wie zu einem Fernglas, da meinte er einige Altbauten und sogar Menschen klar erkennen zu können.
Vielleicht kann man die Stadt schon hören? Er blieb stehen, stockte den Atem, nutzte seine Hand erneut als Hilfsmittel – diesmal als Hörtrichter und lauschte.
Nichts! Totenstille!
Erst jetzt realisierte er wieder, dass es außer seinen eigenen Schritt-, Atem- und Stimmgeräuschen hier absolut gar nichts zu hören gab. Keine Tiere, keine Industrie, nicht mal Wind oder Wetter! Seiner verzweifelten Lage war er sich schlagartig wieder vollständig bewusst. Die verzweifelte Lage schien ihn wieder zu vereinnahmen. Die verzweifelte Lage und die Angst.
Der zerstörte Bahnhof trat wieder vor sein inneres Auge. Sein Schrei trat ihm wieder ins Gehör.
„Jetzt muss ich es wissen!“, Jürgen schrie und rannte so schnell er konnte auf sein Ziel zu.
Trümmerlandschaft! Schutt und Asche! Kein Haus stand!
Sein Herzschlag dröhnte in Jürgens Kopf, seine Schläfen pochten, sein Blickfeld verengte sich auf ein Minimum.
„NEEEEIIIINNN!“, er fiel auf die Knie, kniff die Augen zusammen so fest er konnte, schlug mit Faust auf den Boden, „WAS IST HIER LOOOOS? WAS SOLL DAS??“
Vor seinem geistigen Auge sah er schreiende Menschen die Stadt verlassen, winselnde Tiere. Er sah Massengräber. Er sah sich selbst blutüberströmt am Boden liegen.
Spekuation eines Lesers:
Wahrscheinlich ist das jetzt so eine Art Geisterwelt bei der ihn entweder alle völlig ignorieren, total gemein zu ihm sind oder versuchen ihn umzubringen.
Der ärmste ist ja schon wuki bevor die nGeschichte richtig angefangen hatt!
Er bekommt einen
Anfall weil er die Stadt nicht hört.....na.......schau ma mal wie es weitergeht.
Wahrscheinlich ist das jetzt so eine Art Geisterwelt bei der ihn entweder alle völlig ignorieren, total gemein zu ihm sind oder versuchen ihn umzubringen.
Der ärmste ist ja schon wuki bevor die nGeschichte richtig angefangen hatt!
Er bekommt einen
Anfall weil er die Stadt nicht hört.....na.......schau ma mal wie es weitergeht.
Es geht weiter.
Langsam konnte er wieder klar denken. Was waren das für Gedanken? „Werde ich wahnsinnig?“
Die Frage unbeantwortet lassend betrat er das Trümmerfeld. Sein Herzschlag war nicht mehr hörbar, sein Blickfeld wieder klar. Allerdings war ihm kalt und seine Muskeln zuckten unkontrolliert. Sein ganzer Körper schien unter Strom zu sehen.
„Was hat hier gewütet?“ Mit unsinnigen Ideen, wie dass es sich um ein Bombentestgelände handele, versuchte sich Jürgen die Situation zu erklären. Doch wieso sollte dann die Freifläche rund um das ehemalige Dorf VOLLKOMMEN unbeschädigt sein?
Vorsichtig tastete er sich immer weiter vor. Einige Meter weiter hinten schienen einige Fassaden überlebt zu haben. Doch je näher er dieser kam, desto intensiver sah er wieder die Bilder der schreienden Menschen in seinem Kopf.
Ein Hilfeschrei! „Hallooo?“, Jürgen schrie zurück. Nichts!
„Hilfe!“, wieder ein Hilfeschrei! Ganz klar, da hinten ist jemand!
Er rannte schnell in die Richtung aus welcher die Stimme gekommen zu sein schien.
„Halloooo?“ Keine weitere Reaktion, kein weiterer Schrei.
Ein Keller! Jürgen entdeckte in der Nähe der halb eingestürzten Hausfassaden einen dunklen Schacht mit Treppe. Ein Keller!
Obwohl er ernsthafte Bedenken hatte, sich diesem überhaupt zu nähern, ging er doch – wie ferngesteuert – auf das Loch zu und trat sogar einige Stufen herunter.
„Halloooo? Ist da wer? ... Halloooooooooooooooo?“
Stille.
„Dies wird dein Grab sein!“ Das Pochen in seinem Kopf begann wieder. Er sah geronnenes Blut auf den Stufen.
Wieder kehrten die grausamen Gedanken in seinem Kopf zurück, intensiver als je zuvor.
Massengräber, Blut, Schreie, Stimmen, Fauchen, dichter Rauch!
Alle Bilder, alle Töne, alle Gedanken schienen genau gleichzeitig da zu sein, schienen ihn schier zu erdrücken.
In seinem Kopf baute sich ein echter Druck auf und in diesem Moment hätte sich Jürgen am liebsten einen Nagel durch die Schädeldecke gebohrt, um diesen abzulassen.
Dass dies tödlich geendet hätte, war ihm egal. Hätte er auf Anhieb etwas Spitzes vor sich liegen gehabt, er hätte – da war er sich sicher – es getan.
„Nur weg hier. Nur weg!“
So schnell er konnte rannte er die Stufen hoch, rannte einige Meter weg vom Trümmerdorf
„Das führt doch alles zu nichts“, Jürgen verfiel wieder in einen verrückt-verzweifelten Zustand und so musste er laut loslachen. „Das ist doch absolut sinnlos das ganze hier. Ich mache das einzig vernünftige, ich gehe zurück zur Bahn und wenn es sein muss, laufe ich den Schienen entlang, die ganze Strecke zurück.“
Doch die Bahn war weg!
Jürgen war ein wenig kurzsichtig und die Entfernung zwischen Bahn und Dorf war nicht gering gewesen und so kniff er seine Augen so weit zusammen bis man nur noch einen kleinen Spalt sehen konnte. Aber es war absolut nichts zu sehen.
Keine Bahn, keine Schienen!
Es schien gar als sei der Raum seltsam verzogen. Es schien als sei der Horizont näher gerückt!
Und zu allem Überfluss meldete sich nun auch Gefühle, welche er lange nicht mehr verspürt hatte: Hunger und Durst!
Langsam konnte er wieder klar denken. Was waren das für Gedanken? „Werde ich wahnsinnig?“
Die Frage unbeantwortet lassend betrat er das Trümmerfeld. Sein Herzschlag war nicht mehr hörbar, sein Blickfeld wieder klar. Allerdings war ihm kalt und seine Muskeln zuckten unkontrolliert. Sein ganzer Körper schien unter Strom zu sehen.
„Was hat hier gewütet?“ Mit unsinnigen Ideen, wie dass es sich um ein Bombentestgelände handele, versuchte sich Jürgen die Situation zu erklären. Doch wieso sollte dann die Freifläche rund um das ehemalige Dorf VOLLKOMMEN unbeschädigt sein?
Vorsichtig tastete er sich immer weiter vor. Einige Meter weiter hinten schienen einige Fassaden überlebt zu haben. Doch je näher er dieser kam, desto intensiver sah er wieder die Bilder der schreienden Menschen in seinem Kopf.
Ein Hilfeschrei! „Hallooo?“, Jürgen schrie zurück. Nichts!
„Hilfe!“, wieder ein Hilfeschrei! Ganz klar, da hinten ist jemand!
Er rannte schnell in die Richtung aus welcher die Stimme gekommen zu sein schien.
„Halloooo?“ Keine weitere Reaktion, kein weiterer Schrei.
Ein Keller! Jürgen entdeckte in der Nähe der halb eingestürzten Hausfassaden einen dunklen Schacht mit Treppe. Ein Keller!
Obwohl er ernsthafte Bedenken hatte, sich diesem überhaupt zu nähern, ging er doch – wie ferngesteuert – auf das Loch zu und trat sogar einige Stufen herunter.
„Halloooo? Ist da wer? ... Halloooooooooooooooo?“
Stille.
„Dies wird dein Grab sein!“ Das Pochen in seinem Kopf begann wieder. Er sah geronnenes Blut auf den Stufen.
Wieder kehrten die grausamen Gedanken in seinem Kopf zurück, intensiver als je zuvor.
Massengräber, Blut, Schreie, Stimmen, Fauchen, dichter Rauch!
Alle Bilder, alle Töne, alle Gedanken schienen genau gleichzeitig da zu sein, schienen ihn schier zu erdrücken.
In seinem Kopf baute sich ein echter Druck auf und in diesem Moment hätte sich Jürgen am liebsten einen Nagel durch die Schädeldecke gebohrt, um diesen abzulassen.
Dass dies tödlich geendet hätte, war ihm egal. Hätte er auf Anhieb etwas Spitzes vor sich liegen gehabt, er hätte – da war er sich sicher – es getan.
„Nur weg hier. Nur weg!“
So schnell er konnte rannte er die Stufen hoch, rannte einige Meter weg vom Trümmerdorf
„Das führt doch alles zu nichts“, Jürgen verfiel wieder in einen verrückt-verzweifelten Zustand und so musste er laut loslachen. „Das ist doch absolut sinnlos das ganze hier. Ich mache das einzig vernünftige, ich gehe zurück zur Bahn und wenn es sein muss, laufe ich den Schienen entlang, die ganze Strecke zurück.“
Doch die Bahn war weg!
Jürgen war ein wenig kurzsichtig und die Entfernung zwischen Bahn und Dorf war nicht gering gewesen und so kniff er seine Augen so weit zusammen bis man nur noch einen kleinen Spalt sehen konnte. Aber es war absolut nichts zu sehen.
Keine Bahn, keine Schienen!
Es schien gar als sei der Raum seltsam verzogen. Es schien als sei der Horizont näher gerückt!
Und zu allem Überfluss meldete sich nun auch Gefühle, welche er lange nicht mehr verspürt hatte: Hunger und Durst!
wer hatt das jetzt gesagt mit dem "Das wird dein Grab sein!". Selbstgespräch oder von mir prphezeite geheimnissvolle Simme?
Es fehlt die kursive Schriftart des Ausrufes.
Jürgen sagt es zu sich selbst.
Jürgen sagt es zu sich selbst.
Es ist doch offensichtlich, dass ihn dieser Ort irritiert und verängstigt. Daher kommt diese spontane Eingebung, auch wenn sie absurd ist und gleich wieder verworfen wird.
naja. ich finde seine ausdrucksweis seltsam. wenn man erwirrt und ängstlich ist drückt man sich ja nicht so dichterisch aus sondern sagt sowas wie: "Hier sterbe ich!" aber mindestens weiss ich jetzt was gemeint war.
Langsam konnte er wieder klar denken. „Was waren das für Gedanken? Werde ich wahnsinnig?“
Die Frage unbeantwortet lassend betrat er das Trümmerfeld. Sein Herzschlag war nicht mehr hörbar, sein Blickfeld wieder klar. Allerdings war ihm kalt und seine Muskeln zuckten unkontrolliert. Sein ganzer Körper schien unter Strom zu sehen.
„Was hat hier gewütet?“ Mit unsinnigen Ideen, wie dass es sich um ein Bombentestgelände handele, versuchte sich Jürgen die Situation zu erklären. Doch wieso sollte dann die Freifläche rund um das ehemalige Dorf VOLLKOMMEN unbeschädigt sein?
Vorsichtig tastete er sich immer weiter vor. Einige Meter weiter hinten schienen einige Fassaden überlebt zu haben. Doch je näher er dieser kam, desto intensiver sah er wieder die Bilder der schreienden Menschen in seinem Kopf.
Ein Hilfeschrei! „Hallooo?“, Jürgen schrie zurück. Nichts!
„Hilfe!“, wieder ein Hilfeschrei! „Ganz klar, da hinten ist jemand!“
Er rannte schnell in die Richtung aus welcher die Stimme gekommen zu sein schien.
„Halloooo?“ Keine weitere Reaktion, kein weiterer Schrei.
Ein Keller! Jürgen entdeckte in der Nähe der halb eingestürzten Hausfassaden einen dunklen Schacht mit Treppe.
Obwohl er ernsthafte Bedenken hatte, sich diesem überhaupt zu nähern, ging er doch – wie ferngesteuert – auf das Loch zu und trat sogar einige Stufen herunter.
„Halloooo? Ist da wer? ... Halloooooooooooooooo?“
Stille.
„Dies wird dein Grab sein!“, schoss es ihm mit einem Mal durch den Kopf. Er wusste nicht, woher der Gedanke gekommen war und das beängstigte ihn. Das Pochen in seinem Kopf begann wieder. Er sah geronnenes Blut auf den Stufen, das gar nicht da war.
Der Kellerschacht schien ihm nun wie der weit aufgerissene Schlund eines wilden Tieres.
Wieder kehrten die grausamen Gedanken in seinem Kopf zurück, intensiver als je zuvor.
Massengräber, Blut, Schreie, Stimmen, Fauchen, dichter Rauch!
Alle Bilder, alle Töne, alle Gedanken schienen genau gleichzeitig da zu sein, schienen ihn schier zu erdrücken.
In seinem Kopf baute sich ein echter Druck auf und in diesem Moment hätte sich Jürgen am liebsten einen Nagel durch die Schädeldecke gebohrt, um diesen abzulassen.
Dass dies tödlich geendet hätte, war ihm egal. Hätte er auf Anhieb etwas Spitzes vor sich liegen gehabt, er hätte – da war er sich sicher – es getan.
„Nur weg hier. Nur weg!“
So schnell er konnte rannte er die Stufen hoch, rannte einige Meter weg vom Trümmerdorf, in die Halbwüste hinein.
„Das führt doch alles zu nichts“, Jürgen verfiel wieder in einen verrückt-verzweifelten Zustand und so musste er laut loslachen. „Das ist doch absolut sinnlos das ganze hier. Ich mache das einzig vernünftige, ich gehe zurück zur Bahn und wenn es sein muss, laufe ich den Schienen entlang, die ganze Strecke zurück.“
Doch die Bahn war weg!
Jürgen war ein wenig kurzsichtig und die Entfernung zwischen Bahn und Dorf war nicht gering gewesen und so kniff er seine Augen so weit zusammen bis man nur noch einen kleinen Spalt sehen konnte. Aber es war absolut nichts zu sehen.
Keine Bahn, keine Schienen!
Es schien gar als sei der Raum seltsam verzogen. Es schien als sei der Horizont näher gerückt!
Und zu allem Überfluss meldete sich nun auch Gefühle, welche er lange nicht mehr verspürt hatte: Hunger und Durst!
„Oh, mein Gott! Ich komme hier nicht mehr weg...“ Erst langsam wurde ihm das Ausmaß der Situation bewusst.
„Ich bin hier, mutterseelenallein, in einer vollkommen neuen Umgebung, die ich noch nie zuvor gesehen habe. Ich habe Phantomstimmen gehört und Blutflecke gesehen, die nicht da waren. Der Zug, mit dem ich hierher gelangt bin ist weg. Auch die Schienen sind weg. Ich brauche etwas zu trinken und etwas zu essen.“, sprach Jürgen in die Leere der Landschaft.
Es tat gut, seine aktuelle Lage zusammenzufassen, und es tat gut, die eigene Stimme zu hören, auch wenn sie rau war.
„Als Erstes sollte ich schauen, dass ich etwas zu trinken und zu essen finde. Ob es hier überhaupt Wasser gibt?“
Diese Frage konnte er sich selbst beantworten. Hier und dort standen kleine, grüne Büsche, also musste Wasser in dem sandigen Boden vorhanden sein. Aber Graben… Jürgen hatte keine Ahnung wie tief so eine Wasserader lag.
Er drehte sich um die eigene Achse, um die Umgebung vollständig zu überblicken. In der einen Richtung lag das Dorf, in das er gelangt war. Links und rechts davon erstreckte sich nur kilometerweite, offene Ebene. Bis zum Horizont konnte Jürgen keine Erhebung entdecken.
„Obwohl, was ist das?“ Wenn er seine Augen bis zur Grenze anstrengte, meinte er die Silhouetten von Bergen ausmachen zu können. Diese mussten aber in unerreichbarer Ferne liegen.
Noch nie hatte er so eine große, flache Ebene gesehen. Im Kopf durchforstete er seine Geographiekenntnisse, um vielleicht so bestimmen zu können, wo er sich befand. Aber die Schulzeit lag weit zurück, und so waren die einzigen zwei großen Ebenen die ihm einfielen die Sahara und die Takkla-Makan-Wüste. Beide schieden aus. Es war hier nicht so trocken wie in einer richtigen Wüste und so kalt wie in der Takkla-Makan war es auch nicht.
Vor ihm lag ein kleiner Hügel. Er war weitgehend von den gleich aussehenden Büschen bewachsen. Hier und da gab es einen Felsen.
Jürgen fiel auf, dass er seit seiner Ankunft noch kein einziges Tier gesehen hatte. Nichts! Nur diese Totenstille, der Sand, das Dorf und die Büsche.
Es schien auch keine Bäume zu geben, nur Büsche, die höher waren, als andere Büsche.
Mit schweren Schritten ging er den Hügel hinauf, da ihm der Bewuchs an der Spitze besonders Grün erschein. Er blieb neben einem der Pflanzen stehen und begutachtete ihn näher.
Der Hauptast, der aus dem Boden kam, war aus dunkelbraunem Holz, das von hellgrauen Sprenkeln durchsetzt war. Von diesem hölzernen Ast zweigten zahllose, hellgrüne Triebe ab. Sie waren etwa kleinfingerdick und hatten kleinere Ausläufer zu allen Seiten, an deren Enden ovale Blättchen hingen. Jürgen hatte solch eine Pflanze noch nie gesehen, obwohl sie ihn entfernt an Ginster erinnerte.
Dann entdeckte er etwas, das ihm bislang entgangen war.
An dem hölzernen Hauptast hingen starke, braune Ranken bis auf den Boden, aber maximal zwei Stück pro Pflanze. Diese Verliefen einen Meter auf der Sandoberfläche und verschwanden dann im Boden.
Jürgen verfolgte so eine Ranke und zog dann an ihr, an der Stelle wo sie im Boden verschwand.
Im Boden regte sich etwas. Er zog stärker, sodass die Sanddecke aufriss. Zum Vorschein kam eine braune, kartoffelähnliche Knolle, an der einige, kleine Würzelchen hingen.
Obwohl sie einen eher festen Eindruck vermittelte, war sie eher von weicher Beschaffenheit, als Jürgen sie in die Hand nahm. Sie fühlte sich regelrecht schwammartig an. Jürgen hielt die Knolle ans Ohr und schüttelte sie. Ähnlich wie bei einer Kokosnuss konnte er ein Gluckern hören.
Und wo es gluckerte, da war auch…
„WASSER!!!“ Jürgen brüllte es aus seiner trockenen Kehle nur so heraus.
Er hatte seinen Fund an einer Stelle aufgerissen, worauf ein wenig Flüssigkeit auf seine Hände lief. Mit einer hastigen Bewegung hatte er den Riss vergrößert, sodass er ins Innere der Knolle schauen konnte. Ähnlich wie bei einem Granatapfel gab es Kammern, in denen wiederum kleine Kerne schwammen. Sie waren umgeben von einer klaren Flüssigkeit, bei der es sich nur um Wasser handeln konnte, so hoffte Jürgen zumindest.
Vielleicht war sie ja auch giftig…?
Doch der Durst war so stark, dass Jürgen alle Bedenken über Bord warf, die Knolle an seinen Mund legte und die gesamte Flüssigkeit ausschlürfte.
Wie herrlich ihn das erfrischte! Noch nie hatte er so einen Genuss verspürt.
Die Kernkammern bestanden aus grünlichem Fruchtfleisch. Jürgen trennte es heraus und verspeiste es, was ebenfalls keine schädliche Wirkung zu haben schien.
Die nächste Zeit verbrachte er damit, weitere Knollen aus dem Sandboden zu reißen, ihr Fruchtfleisch zu essen und den Saft zu trinken.
Die Frage unbeantwortet lassend betrat er das Trümmerfeld. Sein Herzschlag war nicht mehr hörbar, sein Blickfeld wieder klar. Allerdings war ihm kalt und seine Muskeln zuckten unkontrolliert. Sein ganzer Körper schien unter Strom zu sehen.
„Was hat hier gewütet?“ Mit unsinnigen Ideen, wie dass es sich um ein Bombentestgelände handele, versuchte sich Jürgen die Situation zu erklären. Doch wieso sollte dann die Freifläche rund um das ehemalige Dorf VOLLKOMMEN unbeschädigt sein?
Vorsichtig tastete er sich immer weiter vor. Einige Meter weiter hinten schienen einige Fassaden überlebt zu haben. Doch je näher er dieser kam, desto intensiver sah er wieder die Bilder der schreienden Menschen in seinem Kopf.
Ein Hilfeschrei! „Hallooo?“, Jürgen schrie zurück. Nichts!
„Hilfe!“, wieder ein Hilfeschrei! „Ganz klar, da hinten ist jemand!“
Er rannte schnell in die Richtung aus welcher die Stimme gekommen zu sein schien.
„Halloooo?“ Keine weitere Reaktion, kein weiterer Schrei.
Ein Keller! Jürgen entdeckte in der Nähe der halb eingestürzten Hausfassaden einen dunklen Schacht mit Treppe.
Obwohl er ernsthafte Bedenken hatte, sich diesem überhaupt zu nähern, ging er doch – wie ferngesteuert – auf das Loch zu und trat sogar einige Stufen herunter.
„Halloooo? Ist da wer? ... Halloooooooooooooooo?“
Stille.
„Dies wird dein Grab sein!“, schoss es ihm mit einem Mal durch den Kopf. Er wusste nicht, woher der Gedanke gekommen war und das beängstigte ihn. Das Pochen in seinem Kopf begann wieder. Er sah geronnenes Blut auf den Stufen, das gar nicht da war.
Der Kellerschacht schien ihm nun wie der weit aufgerissene Schlund eines wilden Tieres.
Wieder kehrten die grausamen Gedanken in seinem Kopf zurück, intensiver als je zuvor.
Massengräber, Blut, Schreie, Stimmen, Fauchen, dichter Rauch!
Alle Bilder, alle Töne, alle Gedanken schienen genau gleichzeitig da zu sein, schienen ihn schier zu erdrücken.
In seinem Kopf baute sich ein echter Druck auf und in diesem Moment hätte sich Jürgen am liebsten einen Nagel durch die Schädeldecke gebohrt, um diesen abzulassen.
Dass dies tödlich geendet hätte, war ihm egal. Hätte er auf Anhieb etwas Spitzes vor sich liegen gehabt, er hätte – da war er sich sicher – es getan.
„Nur weg hier. Nur weg!“
So schnell er konnte rannte er die Stufen hoch, rannte einige Meter weg vom Trümmerdorf, in die Halbwüste hinein.
„Das führt doch alles zu nichts“, Jürgen verfiel wieder in einen verrückt-verzweifelten Zustand und so musste er laut loslachen. „Das ist doch absolut sinnlos das ganze hier. Ich mache das einzig vernünftige, ich gehe zurück zur Bahn und wenn es sein muss, laufe ich den Schienen entlang, die ganze Strecke zurück.“
Doch die Bahn war weg!
Jürgen war ein wenig kurzsichtig und die Entfernung zwischen Bahn und Dorf war nicht gering gewesen und so kniff er seine Augen so weit zusammen bis man nur noch einen kleinen Spalt sehen konnte. Aber es war absolut nichts zu sehen.
Keine Bahn, keine Schienen!
Es schien gar als sei der Raum seltsam verzogen. Es schien als sei der Horizont näher gerückt!
Und zu allem Überfluss meldete sich nun auch Gefühle, welche er lange nicht mehr verspürt hatte: Hunger und Durst!
„Oh, mein Gott! Ich komme hier nicht mehr weg...“ Erst langsam wurde ihm das Ausmaß der Situation bewusst.
„Ich bin hier, mutterseelenallein, in einer vollkommen neuen Umgebung, die ich noch nie zuvor gesehen habe. Ich habe Phantomstimmen gehört und Blutflecke gesehen, die nicht da waren. Der Zug, mit dem ich hierher gelangt bin ist weg. Auch die Schienen sind weg. Ich brauche etwas zu trinken und etwas zu essen.“, sprach Jürgen in die Leere der Landschaft.
Es tat gut, seine aktuelle Lage zusammenzufassen, und es tat gut, die eigene Stimme zu hören, auch wenn sie rau war.
„Als Erstes sollte ich schauen, dass ich etwas zu trinken und zu essen finde. Ob es hier überhaupt Wasser gibt?“
Diese Frage konnte er sich selbst beantworten. Hier und dort standen kleine, grüne Büsche, also musste Wasser in dem sandigen Boden vorhanden sein. Aber Graben… Jürgen hatte keine Ahnung wie tief so eine Wasserader lag.
Er drehte sich um die eigene Achse, um die Umgebung vollständig zu überblicken. In der einen Richtung lag das Dorf, in das er gelangt war. Links und rechts davon erstreckte sich nur kilometerweite, offene Ebene. Bis zum Horizont konnte Jürgen keine Erhebung entdecken.
„Obwohl, was ist das?“ Wenn er seine Augen bis zur Grenze anstrengte, meinte er die Silhouetten von Bergen ausmachen zu können. Diese mussten aber in unerreichbarer Ferne liegen.
Noch nie hatte er so eine große, flache Ebene gesehen. Im Kopf durchforstete er seine Geographiekenntnisse, um vielleicht so bestimmen zu können, wo er sich befand. Aber die Schulzeit lag weit zurück, und so waren die einzigen zwei großen Ebenen die ihm einfielen die Sahara und die Takkla-Makan-Wüste. Beide schieden aus. Es war hier nicht so trocken wie in einer richtigen Wüste und so kalt wie in der Takkla-Makan war es auch nicht.
Vor ihm lag ein kleiner Hügel. Er war weitgehend von den gleich aussehenden Büschen bewachsen. Hier und da gab es einen Felsen.
Jürgen fiel auf, dass er seit seiner Ankunft noch kein einziges Tier gesehen hatte. Nichts! Nur diese Totenstille, der Sand, das Dorf und die Büsche.
Es schien auch keine Bäume zu geben, nur Büsche, die höher waren, als andere Büsche.
Mit schweren Schritten ging er den Hügel hinauf, da ihm der Bewuchs an der Spitze besonders Grün erschein. Er blieb neben einem der Pflanzen stehen und begutachtete ihn näher.
Der Hauptast, der aus dem Boden kam, war aus dunkelbraunem Holz, das von hellgrauen Sprenkeln durchsetzt war. Von diesem hölzernen Ast zweigten zahllose, hellgrüne Triebe ab. Sie waren etwa kleinfingerdick und hatten kleinere Ausläufer zu allen Seiten, an deren Enden ovale Blättchen hingen. Jürgen hatte solch eine Pflanze noch nie gesehen, obwohl sie ihn entfernt an Ginster erinnerte.
Dann entdeckte er etwas, das ihm bislang entgangen war.
An dem hölzernen Hauptast hingen starke, braune Ranken bis auf den Boden, aber maximal zwei Stück pro Pflanze. Diese Verliefen einen Meter auf der Sandoberfläche und verschwanden dann im Boden.
Jürgen verfolgte so eine Ranke und zog dann an ihr, an der Stelle wo sie im Boden verschwand.
Im Boden regte sich etwas. Er zog stärker, sodass die Sanddecke aufriss. Zum Vorschein kam eine braune, kartoffelähnliche Knolle, an der einige, kleine Würzelchen hingen.
Obwohl sie einen eher festen Eindruck vermittelte, war sie eher von weicher Beschaffenheit, als Jürgen sie in die Hand nahm. Sie fühlte sich regelrecht schwammartig an. Jürgen hielt die Knolle ans Ohr und schüttelte sie. Ähnlich wie bei einer Kokosnuss konnte er ein Gluckern hören.
Und wo es gluckerte, da war auch…
„WASSER!!!“ Jürgen brüllte es aus seiner trockenen Kehle nur so heraus.
Er hatte seinen Fund an einer Stelle aufgerissen, worauf ein wenig Flüssigkeit auf seine Hände lief. Mit einer hastigen Bewegung hatte er den Riss vergrößert, sodass er ins Innere der Knolle schauen konnte. Ähnlich wie bei einem Granatapfel gab es Kammern, in denen wiederum kleine Kerne schwammen. Sie waren umgeben von einer klaren Flüssigkeit, bei der es sich nur um Wasser handeln konnte, so hoffte Jürgen zumindest.
Vielleicht war sie ja auch giftig…?
Doch der Durst war so stark, dass Jürgen alle Bedenken über Bord warf, die Knolle an seinen Mund legte und die gesamte Flüssigkeit ausschlürfte.
Wie herrlich ihn das erfrischte! Noch nie hatte er so einen Genuss verspürt.
Die Kernkammern bestanden aus grünlichem Fruchtfleisch. Jürgen trennte es heraus und verspeiste es, was ebenfalls keine schädliche Wirkung zu haben schien.
Die nächste Zeit verbrachte er damit, weitere Knollen aus dem Sandboden zu reißen, ihr Fruchtfleisch zu essen und den Saft zu trinken.
also das hätte ich jetzt nich gemacht. es ist ja offensichtlich das alles da - die häuser, die bahnen, die schienen, die stimmen, die gedanken - darauf aus ist Jürgen in den wahnsinn zu treiben. In einer derart feindlichen umgebung muss man ständig mit bösen üüberraschungen rechnen und da würde ich keine wasserähnliche flüssigkeit aus einer kartoffel saufen.
Was würdest du machen: SICHER verdursten oder VIELLEICHT überleben, durch eine Pflanze?
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